Kirche und Staat

15.05.2012, Heribert Franz Köck

Im Rahmen der 22. Jahrestagung des Europäischen Netzwerkes "Kirche im Aufbruch" diesmal in Freising (Deutschland) hielt am 5. Mai 2012 Heribert Franz Köck nachstehenden Vortrag.

Die Freiheit der Kirche, die Religionsfreiheit des Einzelnen und die Werteordnung der Europäischen Union.
Wer schützt wen vor wem?

I. Staat, Kirche und Religionsfreiheit

Es ist eine auch im europäischen Religionsrecht – ein moderner Name, der die antiquierte Bezeichnung „Staatskirchenrecht“ ersetzt hat, weil es der europäische Staat heute nicht nur mit christlichen „Kirchen“, sondern auch mit anderen, nichtchristlichen Religionsgemeinschaften zu tun hat – akzeptierte Einsicht, dass sich das Verhältnis von
Kirche und Staat grundsätzlich von der Religionsfreiheit des Einzelnen her bestimmt. (Was für das grundsätzliche Verhältnis von Staat und Kirche gilt, gilt übrigens für das grundsätzliche Verhältnis des Staates zu jeder Religionsgemeinschaft und – wo eine solche nicht in organisierter Form erscheint – zu jeder Religion.)

A. Historischer Rückblick

Diese Einsicht stellt einen Paradigmenwechsel dar, weil durch mehr als eineinhalb Jahrtausende – spätestens seit der sog. Konstantinischen Wende 1) und bis herauf ins 20. Jahrhundert – das Verhältnis von Staat und Kirche als das Verhältnis von zwei Gewalten angesehen wurde, nämlich der weltlichen und der geistlichen Gewalt,2) wie verschieden immer auch dieses Verhältnis im Laufe der Zeit interpretiert worden sein mochte, wobei sich der Anspruch der Kirche seit dem Mittelalter allmählich zurückschraubte: von der potestas directa in temporalibus über die potestas indirecta in temporalibus bis zur Anerkennung, dass jede der beiden Gewalten – die staatliche ebenso wie die kirchliche – für ihren Bereich souverän und damit von der anderen unabhängig war. Gegenüber der seit dem 19. Jahrhundert um sich greifenden Auffassung in der Staats- und Rechtslehre, dass die Kirche für den Staat nur eine innerstaatliche Vereinigung wie andere auch sei und daher nur die ihr vom Staat zugestandene Rechtsstellung besitze, hielt die Kirche an ihrer Unabhängigkeit vom Staat fest und versuchte auch, dieselbe durch Konkordate abzusichern, also durch völkerrechtliche Verträge, die schon durch ihren Abschluss Staat und Kirche als gleichrangige Partner auswiesen 3) und in denen überdies die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat manchmal ausdrücklich festgeschrieben war.4)

B. Staat und Kirche in traditioneller Sicht

Das traditionelle Verhältnis von Kirche und Staat – wie immer es im einzelnen ausgestaltet war – sah also die Kirche als solche als Gegenüber des Staates in religiösen Dingen an, und damit die Repräsentanten der Kirche als die zuständigen Gesprächspartner des Staates. Bei der Katholischen Kirche war dieser Gesprächspartner traditionell das oberste zentrale Organ, der römische Papst; bei den anderen Kirchen, die keine vergleichbare universale Struktur aufwiesen, deren nationale Repräsentanten, je nach der konkreten Form der kirchlichen Organisation im betreffenden Staat.

Anliegen der kirchlichen Vertreter waren dabei regelmäßig Rechte und Freiheiten der Kirche als solche, die Rechte und Freiheiten des Einzelnen aber nur, soweit diese Einzelnen Mitglieder der Kirche waren und nur im Hinblick auf diese Mitgliedschaft. Die religiöse Freiheit des Einzelnen war insoweit eine von seiner Kirche abgeleitete, um die sich die Kirche nur wegen seiner Zugehörigkeit zu ihr sorgte. Es ist daher ein typisches Phänomen der Konkordate bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, dass sich die Katholische Kirche gemeinsam mit ihrer eigenen Freiheit (und der ihrer Mitglied) dort, wo es möglich war, eine Einschränkung der Freiheit anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften (und damit der ihrer Mitglieder) vertraglich ausbedang. Das letzte derartige Konkordat war jenes mit Spanien von 1953. 5) Erst das Zweite Vatikanum und seine Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae 6) hat hier eine Richtungsänderung gebracht.

II. Religionsfreiheit

A. Vom ius reformandi…

Neben den Kampf um die Kirchenfreiheit, der von der Kirche selbst mit wechselndem Erfolg geführt wurde, 7) trat seit dem 16. Jahrhundert der Kampf um die Religionsfreiheit des Einzelnen. 8) Die verschiedenen Etappen auf dem Weg dorthin zeigen, wie schwierig dieser Kampf war. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 ging noch vom ius reformandi der Reichsstände nach dem Prinzip cuius regio eius religio aus; Dissidenten wurde nur das Recht auszuwandern (ius emigrationis) zugestanden. Der Westfälische Friede brachte zwar eine Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken, und bei ersteren die Gleichstellung der Reformierten mit den Lutheranern; in den Erblanden behauptete der Kaiser aber weitgehend sein Reformationsrecht, sodass dort erst durch das Toleranzpatent Josephs II. von 1781 den evangelischen Religionsverwandten (noch etwas abschätzig als Akatholiken bezeichnet) die private Religionsübung in (nach außen nicht als Kirchen erkennbaren) Toleranzbethäusern gestatte wurde. (Erst in den Revolutionsjahren 1848/49 fielen diese Beschränkungen weg.) Weitere Toleranzpatente Josephs II. betrafen die Juden (1782) und die Freimaurer (1785).

B. … über die Toleranz…

Der Gedanke der Toleranz wurde erst mit der Aufklärung zu einem festen Bestandteil der politischen Philosophie und der allgemeinen Staatslehre. Wo die Toleranz allerdings primär dem Bürgerfrieden und damit einem staatlichen Zweck dient, kann sie leicht in Intoleranz und Totalitarismus umschlagen, wie die Staatslehre von THOMAS HOBBES im Leviathan 9) und von JEAN JACQUES ROUSSEAU im Contrat social 10) zeigt; die Ideen des letzteren von einer religion civile 11) wurden im Gefolge der Französischen Revolution in verschiedenen Varianten, aber ohne nachhaltigem Erfolg, durchexerziert. 12) Erst JOHN LOCKE’S Auffassung, dass die Religionsfreiheit – wie andere Grundfreiheiten auch – in einem staatfreien Raum angesiedelt sei, von dem angenommen werden müsse, dass ihn sich die Einzelnen bei der Gründung des Staates durch Vertrag vorbehalten und daher dem staatlichen Zugriff von vornherein entzogen haben, wies den Weg in die richtige Richtung. 13)

C. … zum Grundrecht auf Religionsfreiheit

Da aber vorstaatliche Grundrechte ein naturrechtlicher Gedanke sind und jene der staatlichen Grundrechtskataloge, die aus der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen, unter dem Einfluss des damals herrschenden Positivismus zustande kamen, ist es eine in der Rechtwissenschaft bis heute umstrittene und systemimmanent auch nicht zu beantwortende Frage, ob die Grundrechte des Einzelnen bestehen, weil sie staatlich anerkannt sind (was so viel wie „zuerkannt“, „vom Staat gewährt“, bedeutet), oder ob die Grundrechte des Einzelnen vom Staat anerkannt sind, weil sie schon an sich, von der Natur des Menschen her, bestehen. Selbst die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 14) entscheidet diese Frage nicht ausdrücklich und lässt daher einen entsprechenden Interpretationsspielraum offen. Ein Zeichen dafür ist der Umstand, dass in dieser Konvention – im Gegensatz zur EU-Grundrechte-Charta von 2000 15) – der Begriff der Würde des Menschen gar nicht erwähnt ist, während er in letzterer als die Quelle aller Grundrechte erscheint.16)

D. Pluralismus und Religionsfreiheit

Erst die Anerkennung des Pluralismus in allen seinen Aspekten, also auch dem religiösweltanschaulichen, als wesentlicher Komponente der Gesellschaft zeigt, dass heute in Europa der Vorrang der Grundrechte des Einzelnen gegenüber den verschiedenen politischen Organisationsformen auch positivrechtlich verankert ist. 17) In Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union heißt es: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Aufgrund der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 18) und den UN Pakt über bürgerliche und zivile Rechte von 1966 19) könnte man sagen, dass sich die europäische Auffassung der Menschenrechte und Grundfreiheiten weltweit durchgesetzt hat, wenn diesem Befund nicht die Praxis zahlreicher Staaten, insbesondere auch der Großmacht China, dem ebenso entgegenstehen würde wie die schon theoretische Opposition von Seiten eines religiösen Fundamentalismus her, wie er insbesondere in der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1990 zum Ausdruck kommt, welche die Schari'a nicht nur als alleinige Grundlage von „Menschenrechten“ definiert, sondern diese Rechte auch in der Schari’a ihre Grenze finden lässt. 20) Die nachstehenden Überlegungen konzentrieren sich aber auf die rechtliche und faktische Lage des Verhältnisses von Kirche und Staat in Europa, natürlich immer unter Wahrung des Standpunktes, dass die „europäischen“ Menschenrechte kein europäisches Phänomen sind, sondern den Anspruch jedes Menschen weltweit auf den Genuss dieser Rechte zum Ausdruck bringen, und dass das „Europäische“ an ihnen nur darin liegt, dass bei uns die Menschenrechtstradition auf Grund bestimmter historischer Umstände älter ist als in vielen anderen Regionen dieser Welt. 21)

Es ist für Staat und Recht – und das gilt mutatis mutandis auch für die überstaatliche(n) Gemeinschaft(en) und ihr Recht 22) – in der pluralistischen Gesellschaft kennzeichnend, dass sie auf keinem absoluten weltanschaulichen (also religiösen oder philosophischen) System aufbauen können, weil für den Staat und das Recht alle weltanschaulichen Standpunkte gleichwertig sind, während der Einzelne, der ja als solcher nicht pluralistisch sein kann, sondern notwendig irgendeinen Standpunkt – und sei es auch einen agnostizistischen – haben muss, von niemandem berufen ist, seine Auffassung einem Anderen aufzuerlegen. Staat und Recht der weltanschaulich pluralistischen Gesellschaft beruhen daher nicht auf der Erkenntnis (von wem immer), sondern bloß auf der Anerkennung seitens jener Menschen, an die Staat und Recht ihren Gehorsamsanspruch richten, und diese Anerkennung setzt nicht nur voraus, dass Staat und Recht ihrem Gemeinwohlzweck – Sicherheit, Freiheit und Wohlfahrt – genügen 23), sondern auch, dass genug Menschen bereit sind, sich um dieses Gemeinwohles willen der Staats- und Rechtsordnung zu unterwerfen. Wo das nicht der Fall ist, ist keine dauerhafte staatliche Ordnung möglich.

E. Das Böckenfördesche Paradoxon

Hier sind wir mit jenem Paradoxon konfrontiert, welches seinen bekannten Ausdruck bei WOLFGANG BÖCKENFÖRDE gefunden hat: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“ 24)

Das Zustandekommen der von BÖCKENFÖRDE genannten subjektiven Voraussetzung für den Bestand des Staates setzt aber jedenfalls die Erfüllung der objektiven Voraussetzungen voraus, also die von Sicherheit, Freiheit und Wohlfahrt für grundsätzlich alle Menschen, besagt doch schon der Begriff des Gemeinwohls, dass es sich um jene Güter handelt, die allen Menschen gemein sind, d.h. an denen alle ein Interesse haben (sollten), weil alle von ihnen profitieren; will doch jeder in Frieden und Sicherheit, in Freiheit und in Wohlfahrt leben.

F. Religionsfreiheit und staatliche Existenzberechtigung

Wenn aber Freiheit zu den objektiven Voraussetzungen der Anerkennung von Staat und Recht gehört, als Teil des Gemeinwohls also auch selbst Teil der raison d’être von Staat und Recht ist und damit beide ihre Existenzberechtigung verlieren, wenn sie diese Freiheit nicht gewährleisten, so gilt dies für alle Freiheiten, welche von der Würde des Menschen gefordert und daher unabdingbar sind. (Man spricht daher auch von der Unteilbarkeit der Menschenrechte.) Damit ist auch die Religionsfreiheit eine conditio sine qua non für die Anerkennung von Staat und Recht.

G. Menschenrechte als Individualrechte

Nun sind Menschenrechte ihrem Wesen nach – als Rechte des Menschen und damit des Einzelnen – Individualrechte. Es gibt keine kollektiven Menschenrechte. Kollektive Menschenrechte wären Rechte eines Kollektivs, aber ein Kollektiv ist kein Mensch und kann daher auch keine Menschenrechte haben.

Das darf natürlich nicht missverstanden werden. Zum Wesen bestimmter Menschenrechte gehört es, dass sie nur gemeinsam mit Anderen ausgeübt werden können oder dass sie auch mit Anderen ausgeübt werden können. So kann das Menschenrecht auf Ehe nur gemeinsam mit einem anderen Menschen ausgeübt werden. Und das Recht auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit setzt auch die Ausübung durch mehrere voraus. Das Recht auf Religionsfreiheit nimmt hier eine besondere Stellung ein, weil es das Recht ist, seine Religion allein oder gemeinsam mit anderen auszuüben. Diese gemeinsame Religionsübung ist überall dort von Bedeutung, wo bestimmte religiöse Handlungen sich ihrem Wesen nach als gemeinsames Handeln mehrerer darstellen, wo diese Handlungen also ihrem Wesen nach den Vollzug in Gemeinschaft (als „Gemeinde“) voraussetzen, wie dies z.B. bei der katholischen Eucharistie- oder bei der evangelischen Abendmahlfeier der Fall ist. 25)

H. Kollektive Menschenrechte?

In Zusammenhang mit der Religionsfreiheit unterscheidet man deshalb auch manchmal zwischen dem Recht auf individuelle und dem Recht auf kollektive Religionsfreiheit. Das darf aber zu keinem Missverständnis führen, als sei Subjekt der individuellen Religionsfreiheit der Einzelne, Subjekt der kollektiven Religionsfreiheit aber die Gruppe, Gemeinde oder Religionsgemeinschaft, Kirche. Auch die „kollektive“ Religionsfreiheit ist nichts anderes als die „individuelle“ Religionsfreiheit, die hier eben gemeinsam mit anderen ausgeübt wird.

I. „Grundrechte“ der Religionsgemeinschaften als abgeleitete Rechte

Demgegenüber kommt Kirchen und Religionsgemeinschaften, weil sie keine Menschen sind, auch kein Menschenrecht auf Religionsfreiheit zu. Ihre Rechte bestimmen sich ausschließlich danach, wieweit sie für die Ausübung der individuellen Religionsfreiheit von Nöten sind und in Anspruch genommen werden. Dabei ist dieses „Von-Nöten-Sein“ keine objektive Qualität der Kirchen und Religionsgemeinschaften; es bestimmt sich vielmehr nach den subjektiven Wünschen derer, die Kirchen und Religionsgemeinschaften in Anspruch nehmen. Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften sind daher lediglich von der individuellen Religionsfreiheit des Einzelnen abgeleitete Rechte, die darauf beruhen, dass dieser Einzelne seine Religion eben nicht nur allein, sondern auch gemeinsam mit anderen ausüben will.

J. Religionsfreiheit als Grenze der „Grundrechte“ der Religionsgemeinschaften

Soweit der Staat Kirchen und Religionsgemeinschaften als solchen Rechte einräumt und diese in den Rang von Grundrechten erhebt, werden diese Grundrechte zu keinen mit den Menschenrechten des Einzelnen einschließlich seines Rechtes auf Religionsfreiheit gleichwertigem Rechte. Dies bedeutet ganz allgemein, dass der Staat durch die Gewährung von Rechten an Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht in die Menschenrechte des Einzelnen einschließlich seines Rechts auf Religionsfreiheit eingreifen darf und dass die den Kirchen und Religionsgemeinschaften eingeräumten Rechte immer so ausgelegt werden müssen, dass sie an den Grundrechten des Einzelnen einschließlich seines Rechts auf Religionsfreiheit ihre Grenzen finden. Es bedeutet auch, dass das Recht des Einzelnen auf Religionsfreiheit weder durch die Gewährung von bestimmten Rechten an die Kirchen und Religionsgemeinschaften konsumiert sein noch durch die Auffassungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften betreffend die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder beschränkt werden kann.

III. Staat und Kirche in moderner Sicht

Für das Verhältnis von Kirche und Staat ergeben sich aus dem gerade Gesagten die folgenden Grundsätze.

A. Grundlage: Die Religionsfreiheit des Einzelnen

Dreh- und Angelpunkt ist die Religionsfreiheit des Einzelnen, die ausschließlich ein Individualrecht ist. Dies gilt nicht nur für individuelle, sondern auch für die kollektive Ausübung der Religionsfreiheit.

Die Religionsfreiheit gehört zu den Menschenrechten; ihr korrespondiert der Freiheitszweck des Staates, der wiederum ein Teil des staatlichen Gemeinwohlzwecks ist und damit mit dem Friedens- und Sicherheitszweck und dem Wohlfahrtszweck zur raison d’être des Staates gehört; nach der Konzeption von Staat und Recht in der pluralistischen Gesellschaft ist die Sicherung der Religionsfreiheit eine Voraussetzung der Anerkennung durch den Einzelnen.

B. Kein eigenständiger Anspruch der Religionsgemeinschaften auf Grundrechte

Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben nach dieser Konzeption von Staat und Recht als solche (ebenso wie alle anderen Vereinigungen welcher Art immer) keinen eigenständigen Anspruch auf Grundrechte, auch nicht aus dem Titel der Religionsfreiheit. Ihre Ansprüche sind vielmehr ausschließlich vom Individualrecht der Religionsfreiheit abgeleitete und gründen allein darin, dass die Einzelnen das Recht haben, ihre Religionsfreiheit auch kollektiv auszuüben und sich zu diesem Zweck der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu bedienen, sei es schon bestehender, sei es von ihnen in freier Vereinigung neu geschaffener.

C. Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften für den Staat nicht entscheidend

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass bestimmte Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Gründung auf eine göttliche Stiftung zurückführen und sich daher primär als Anstalt für und nicht als Gemeinschaft der Mitglieder betrachten. Dieses Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften kann für den Staat nicht maßgeblich sein, weil ihm in der pluralistischen Gesellschaft nicht zukommt, sich mit dem einen oder anderen weltanschaulichen (religiösen oder philosophischen) Standpunkt zu identifizieren oder über denselben auch nur ein Urteil abzugeben. Es ist daher auch nicht zweckmäßig, wenn der Staat einen besonderen Charakter der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der sich aus ihrem Selbstverständnis ergibt, anerkennt. Wo er das trotzdem getan hat – sei es gesetzlich (was heute selten der Fall ist), sei es völkervertraglich in einem Konkordat mit der Katholischen Kirche, sei es in einem Staatskirchenvertrag mit einer Evangelischen Landeskirche –, muss das als Relikt eines überholten Staats- und Kirchenverständnis angesehen werden und ist nicht geeignet, den Menschenrechten des Einzelnen einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit Abbruch zu tun.

D. Religionsfreiheit auch durch Verträge nicht einschränkbar

Selbst wenn die Konkordate mit der Katholischen Kirche als völkerrechtliche Verträge anzusehen sind 26) und für sie daher der völkerrechtliche Grundsatz pacta sunt servanda gilt, 27) kann sich die Kirche gegenüber dem Staat auf keine Bestimmung eines solchen Vertrags berufen, der geeignet wäre, die Grundrechte des Einzelnen einschließlich seines Rechts auf Religionsfreiheit direkt oder indirekt einzuschränken. Die Menschenrechte sind nämlich heute (und unter dem Gesichtspunkt der Hierarchie der Normen zurecht) als Teile des völkerrechtlichen ius cogens anerkannt, 28) mit der Wirkung, dass Verträge, die von vornherein mit diesem zwingenden Völkerrecht kollidieren, nichtig sind, 29) Verträge aber, die erst im Nachhinein mit einem sich neu gebildeten (oder als solches erkannten) ius cogens in Konflikt geraten, hinsichtlich ihrer damit unvereinbaren Teile beendet werden. 30)

E. Weder „religiöser“ noch „a-religiöser“ Staat

Bevor wir weitere Folgerungen aus diesem grundsätzlichen Ansatz ziehen, ist es aber notwendig, von vornherein ein Missverständnis auszuräumen, das entstehen könnte, wenn man die Aussage, es sei nicht zweckmäßig, wenn der Staat einen besonderen Charakter der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der sich aus ihrem Selbstverständnis ergibt, anerkennt, isoliert betrachtet. Wenn dies damit begründet wurde, es komme dem Staat in der pluralistischen Gesellschaft nicht zu, sich mit dem einen oder anderen weltanschaulichen (religiösen oder philosophischen) Standpunkt zu identifizieren oder über denselben auch nur ein Urteil abzugeben, so gilt dies natürlich nicht nur für die religiösen Spielarten der Weltanschauungen, sondern für alle, auch die nicht-religiösen. Der Staat darf sich auch mit ihnen nicht identifizieren, sonst käme er sogleich aus dem Regen des an die eine oder andere Konfession gebundenen Staates in die Traufe des a-religiösen Staates.

1. Der „weltanschauungsneutrale“ Staat

Der Staat hat als solcher weder religiös noch a-religiös oder gar anti-religiös zu sein, weder klerikal noch laikal. Der Staat hat allen Weltanschauungen gegenüber neutral zu sein. Zusammen mit dem Recht auf Religionsfreiheit, dem das Recht auf Weltanschauungsfreiheit gleichgestellt ist, ja von dem das erstere nur eine Spielart darstellt, hat der Staat vielmehr in die Ausübung dieser Freiheit nicht einzugreifen. Da der Mensch aber kein gespaltenes Wesen ist, kann sein religiöses Verhalten nicht auf den privaten Raum beschränkt werden, sondern muss sich auch im öffentlichen Raum zeigen können. Abgesehen davon, dass dies ohnedies in den Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechte-Charta ausdrücklich anerkannt ist, gehört es zum Wesen der Religionsfreiheit, immer und überall ausgeübt zu werden, solange dadurch nicht die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört oder Rechte anderer in unangemessener Weise beeinträchtigt werden.

Es muss daher dem strenggläubigen Muslim, der seinen Gebetsteppich unter dem Arm mit sich herumträgt, gestattet sein, denselben in einer ruhigen Ecke auf dem Gehsteig auszubreiten und dort sein Gebet zu verrichten; dasselbe auf der Fahrbahn zu tun und damit den Autoverkehr zum Erliegen zu bringen, kann er hingegen bei uns nicht fordern. Es kann auch der Muslimin, die als Kindergärtnerin oder Lehrerin (auf welcher Bildungsstufe immer) tätig ist, nicht verwehrt werden, das Kopftuch im Kindergarten oder in der Unterrichtsanstalt zu tragen, weil sie auch dort Muslimin bleibt und ein Recht hat, ihren Glauben zu bekennen. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Geistliche und Religiosen welcher Religionsgemeinschaft immer.

2. Weder klerikal noch laikal

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Staat berechtigt oder – wo dies zutreffen sollte – gar (z.B. verfassungsrechtlich) verpflichtet sei, in den öffentlichen Kindergärten und Schulen derartige oder andere religiöse Symbole nicht zu dulden. Jede derartige Regelung ist nämlich mit dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit unvereinbar, sodass der Staat weder verpflichtet noch berechtigt sein kann, derartige Regelungen für öffentliche Kindergärten und Schulen zu erlassen. Derartige Regelungen sind mit dem Recht auf Religionsfreiheit, wie es in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist, unvereinbar. Wo die Konvention Verfassungsrang genießt und unmittelbar anwendbar ist, muss entgegenstehendes staatliches Recht als verdrängt angesehen werden; andernfalls ist die Rechts- (einschließlich der Verfassungs-) Ordnung den Erfordernissen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit entsprechend anzupassen. Überdies ist die staatliche Rechtsordnung im Sinne der Religionsfreiheit auszulegen; die Interpretation darf nicht eingefahrenen axiomatischen Konzepten folgen, die zum Teil auf die Kulturkampfzeit zurückgehen und die in einem freiheitlichen und demokratischen Staat, dem die Achtung und der Schutz der Menschenrechte aufgegeben ist, keine Berechtigung (mehr) haben.

F. Positive und negative Religionsfreiheit

In letzter Zeit wird gelegentlich auch versucht, die positive Religionsfreiheit durch die negative auszuhebeln. Das selbstverständliche Recht, keine Religion oder sonstige Weltanschauung zu haben oder doch sich nicht zu einer solchen bekennen zu müssen, kann jedoch nicht weitergehen als das Recht, eine Religion oder sonstige Weltanschauung zu haben und sich zu ihr zu bekennen. Die negative Religionsfreiheit schießt nicht das Recht ein, nicht mit Religion konfrontiert zu werden, genauso wenig, wie die positive Religionsfreiheit nicht das Recht einschließt, nicht mit einer a- oder anti-religiösen Haltung konfrontiert zu werden. Ebenso wenig, wie sich – um es salopp auszudrücken – der Pfarrer darüber beschweren kann, dass ein Aufmarsch der Gottlosen-Bewegung am Pfarrhof (oder gar an der Kirche!) vorbeiführt, können sich die Gottlosen beschweren, wenn die Fronleichnamsprozession an ihren Häusern vorbezieht. Das alles gehört zur öffentlichen Ausübung der jeweiligen Religion oder (auch a- oder antireligiösen) Weltanschauung.

Dabei schlägt die Formulierung „sich beschweren“ ohnedies bereits den falschen Ton an; denn in Wahrheit erfordert die pluralistische Gesellschaft einen möglichst toleranten Umgang miteinander, der auch die Rechte des Andersdenkenden nicht zu beschneiden, sondern zu befördern sucht. Wo keine solche Toleranz der A- und Antireligiösen gegeben ist, ist der richtige Weg nicht, sich ihrem Diktat zu beugen – wie dies heute leider gelegentlich im Bereich öffentlicher Erziehungs- und Unterrichtsanstalten geschieht –, 31) sondern Lösungen zu finden, mit denen auch die Intoleranten leben können. Dass dies zu einer Art Rekonfessionalisierung der Erziehungs- und Unterrichtswesens führen müsste, sollten alle bedenken, die glauben, unter Berufung auf die negative Religionsfreiheit die positive Religionsfreiheit einschränken zu können.

Leider hat in diesem Bereich die Bewusstseinsbildung noch nicht ausreichend Platz gegriffen; selbst vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind da derzeit keine großen Wegweisungen zu erwarten. Dass er sich in seinem durch die Große Kammer gefällten Urteil im Falle Lautsi v. Italien 32) immerhin dazu durchgerungen hat, seine vom laizistischen Geist geprägte Rechtsprechung, die noch in der damit aufgehobenen Entscheidung der Kammer greifbar war, zugunsten staatlichen Ermessens aufzugeben, und somit der Diktatur der Minderheit über die Mehrheit keinen Freifahrschein mehr ausgestellt hat, war immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Eine klare dogmatische Ausgestaltung dieser neuen Rechtsprechungslinie ist der Gerichtshof aber noch schuldig.

G. Die „Schuldigkeit“ des Staates aus dem Titel der Religionsfreiheit

Welche Verpflichtungen ergeben sich nun für den Staat aus der Religionsfreiheit des Einzelnen? Und in welcher Weise hat das Rückwirkungen auf die traditionelle Fragestellung nach dem Verhältnis von Kirche und Staat?

1. Aufgrund des staatlichen Friedenszwecks

Hier müssen wir wieder vom Gemeinwohlzweck des Staates ausgehen. Wenn wir mit dem Friedens- und Sicherheitszweck beginnen, so lassen sich für die Religionsfreiheit keine im Vergleich zu anderen Menschenrechten besonderen Folgerungen ableiten. Dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, so wie seinen gesamten Lebensvollzug auch seine Religionsausübung in Frieden und Sicherheit vollziehen zu können, versteht sich von selbst. Ein Problem gibt es dort, wo der Staat die Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften gegen Angriffe durch Dritte nicht ausreichend schützt, wie dies bei den heute wieder weltweit aufflammenden Christenverfolgungen, aber auch der Verfolgung anderer religiösen Minderheiten, z.B. der Sikhs durch radikale Hindus in Indien, oder bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppierungen, wie den Sunniten und Schiiten im Irak, der Fall ist.

In Europa kann dies zum Problem werden, wenn radikalen Bewegungen, die sich heute vor allem aus dem islamischen Fundamentalismus rekrutieren, nicht entschlossen genug entgegengetreten und klar gemacht wird, dass jegliche Gottesstaatstheorie und ihre Forderungen nach Einführung oder auch nur personenbezogener Zulassung der Schari‘a mit den europäischen Werten unvereinbar und diese europäischen Werte ein für alle Mal unabdingbar sind. Wenn dagegen erst einmal Schlagworte wie jenes vom „wehrhaften“ Christentum politische Anziehungskraft gewinnen, werden sich Toleranz und Freiheit in einem Zustand der Rundumverteidigung wiederfinden. Gegenüber diesen Erscheinungen wird sich der freiheitlich-demokratische Staat auf pluralistischer Grundlage selbst rechtzeitig wehrhaft zeigen müssen.

Mit dieser Problematik ist das Verhältnis von Religionsfreiheit und Friedens- und Sicherheitszweck des Staates übrigens nicht erschöpfend angesprochen. Auf einen anderen
Aspekt dieses Verhältnisses wird noch einmal zurückzukommen sein.

2. Aufgrund des staatlichen Wohlfahrtszwecks

Wir überspringen für den Augenblick die spezifischen Forderungen der Religionsfreiheit an den Freiheitszweck des Staates, weil wir uns das Spannendste bis zuletzt aufheben wollen, und wenden uns gleich dem Wohlfahrtszweck zu. Der Wohlfahrtszweck des Staates verpflichtet diesen, die Interessen des Einzelnen bestmöglich zu fördern. Nun kann der Wohlfahrtszweck des Staates weiter unterteilt werden, z.B. in einen Wirtschaftszweck, einen Sozialzweck und einen Kulturzweck. Versteht man unter Kultur alles, was der Mensch selbst im materiellen und geistigen Bereich gestaltend formt, so gehören dazu alle Formen der Wissenschaft und der Kunst einschließlich von Spiel und Sport sowie alle Erscheinungen, in denen der Mensch seine Beziehung zu Anderen (Sitte, Recht), zu sich selbst (Ethik, Moral) und zu seinem letzten Sinn und Ziel (Philosophie, Religion) zum Ausdruck bringt.

In Erfüllung seines Kulturzwecks hat der Staat zwar nicht selbst Kultur zu schaffen und könnte das auch gar nicht – staatliches Kulturschaffen wäre immer nur menschliches, vom Staat in Dienst genommenes Kulturschaffen –; er hat aber den Einzelnen in seinem Kunstschaffen zu fördern, indem er dafür die unter den gegebenen Umständen möglichen günstigsten Voraussetzungen schafft. Das gilt natürlich auch im Bereich der Religion. Der Staat hat die Verpflichtung, dem Einzelnen die Erfüllung seiner religiösen Bedürfnisse nicht nur zu ermöglichen, sondern auch zu erleichtern. Da sich die Ausübung von Religion nicht im Beten erschöpft, sondern das ganze Wirken des Menschen durchdringt, gehört sein gesamter religiös inspirierter Lebensvollzug zur Religionsübung. Der Staat muss daher – ich wiederhole nochmals: immer im Rahmen des Möglichen – die Voraussetzungen dafür schaffen, dass dieser religiöse Lebensvollzug ermöglicht wird, und zwar (sozusagen) von der Wiege bis zum Grabe, also auch in Erziehungs- und Unterrichtsanstalten sowie in Kranken und Altersheimen. Das Recht der Einzelnen – in der Regel, aber nicht notwendiger Weise ausgeübt in der Form der von ihrer Kirche oder Religionsgemeinschaft unterhaltenen Einrichtungen – auf konfessionelle Kinderkrippen und Kindergärten, Waisenhäuser, Elementar-, mittlere und höhere Schulen, Universitäten und Akademien, Kranken-, Rehabilitations- und Erholungsanstalten, Behinderteneinrichtungen, Alters- und Pflegeheime hat seinen Sitz im Kulturzweck des Staates. Dies alles sind genuine Ansprüche des Einzelnen, der als religiöser Mensch ernst genommen werden muss, durchaus nicht eigenständige Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften, auch wenn die Einzelnen ihre entsprechenden Ansprüche im Wege von Einrichtungen dieser Kirchen und Religionsgemeinschaften befriedigen, soweit sie sich deren bedienen wollen.

Der Staat seinerseits hat kein Recht, die Förderung der Befriedigung der religiösen Bedürfnisse des Einzelnen abzulehnen, etwa, indem er zwischen förderungswürdigen und nicht förderungswürdigen Bedürfnissen unterscheidet und die religiösen zu den letzteren zählt. Eine solche Entscheidung steht dem Staat der pluralistischen Gesellschaft nicht zu, weil für ihn alle weltanschaulichen und damit auch religiösen Ansätze gleichwertig sind und sein müssen. Alle Forderungen, von welcher Seite sie auch immer erhoben werden mögen, die angemessenen Unterstützungen für derartige religiöse Einrichtungen zu streichen, sind vom Standpunkt des weltanschaulichen Pluralismus der Gesellschaft nicht gerechtfertigt und atmen – gleichgültig ob bewusst oder unbewusst – einen für diese pluralistische Gesellschaft völlig unpassenden Kulturkampfgeist.

3. Aufgrund des staatlichen Freiheitszwecks

Wenden wir uns nunmehr den Forderungen zu, die aus der Religionsfreiheit an den Freiheitszweck des Staates gestellt werden können. Diese Formulierung mag denjenigen überraschen, der der Meinung ist, mit der Gewährung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit habe der Staat in Sachen Religion und Weltanschauung seinen Freiheitszweck ohnedies bereits erfüllt. Ganz allgemein gesprochen trifft das auch zu. Was uns hier aber interessiert, ist, was alles zur Gewährung dieser Religionsfreiheit gehört; und diese Frage wird offenbar deshalb gestellt, weil man berechtigte Zweifel daran haben kann, ob der Staat auch wirklich volle Religionsfreiheit gewährt.

Um die damit angesprochen Problematik besser verständlich zu machen, ist es notwendig, sich nochmals in Erinnerung zu rufen, dass die Achtung und der Schutz der Menschenrechte eine objektive Voraussetzung für die Anerkennung von Staat und Recht durch den Einzelnen sind und beide – Staat und Recht – ihre Daseinsberechtigung und damit ihren Gehorsamsanspruch verlieren, wenn sie diese Achtung nicht leisten und diesen Schutz nicht gewähren. Ebenfalls in Erinnerung zu rufen ist, dass Ausgangspunkt unserer Betrachtungen immer das Recht des Einzelnen auf Religionsfreiheit, also ein Individualrecht, ist, und dass im Gegensatz dazu die Rechte von Kirchen- und Religionsgemeinschaften nur als von diesem Individualrecht abgeleitet bestehen können.

Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist, wer bestimmt, was der Einzelne unter dem Titel der Religionsfreiheit für sich reklamieren kann: der Staat, die Kirche oder Religionsgemeinschaft, der jemand angehört, oder der Einzelne selbst. Es liegt auf der Hand, dass der Begriff der Religionsfreiheit und damit auch ihr Wesensgehalt allen dreien – dem Staat, der Kirche oder Religionsgemeinschaft und dem Einzelnen – vorausliegen, und dass die Feststellung, was dem Einzelnen unter dem Titel der Religionsfreiheit zusteht, daher ein Akt der Erkenntnis und nicht des Willens ist. Es geht um die Auslegung des Begriffs der Religionsfreiheit zu ihrem besseren Verständnis.

Die Frage muss daher anders gestellt werden: Was kann der Einzelne bei richtigem Verständnis der Religionsfreiheit für sich reklamieren?

a. Religionsfreiheit nach der Europäische Menschenrechtskonvention

Gehen wir dabei von jenem Dokument aus, welches die Menschenrechte und Grundfreiheiten für ein Europa, das sozusagen vom Atlantik bis zum Pazifik reicht (auch Russland ist Mitglied des Europarates und Partei der Europäischen Menschenrechtskonvention!), in einer solchen Weise verbindlich zusammenfasst, dass sich jedermann auf sie berufen und gegen ihre Verletzung Beschwerde vor nationalen Rechtsschutzinstanzen und – wenn dies keine Abhilfe schafft – auch vor einer internationalen Rechtsschutzinstanz, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, erheben kann. Die Religionsfreiheit ist in der Konvention in Art. 9 zusammen mit der Gedanken- und Gewissensfreiheit verankert, wobei Abs. 1 das Grundrecht näher ausführt, während Abs. 2 die Schranken der Religionsfreiheit, dort auch „Religions- und Bekenntnisfreiheit“ genannt, nennt.

Art. 9 Abs. 1 EMRK spricht zwar von „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“, fasst dieselben aber zu einem Recht zusammen: „Jedermann hat Anspruch auf Gedanken- Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die [gleich näher ausgeführten] Freiheit[en]“. 33) Daraus ergibt sich, dass, was für eine Ausformung dieser Freiheit gilt, mutatis mutandis auch für die beiden anderen Ausformungen derselben gelten muss. Alles, wozu die Religionsfreiheit berechtigt, kann auch für die Gedankenfreiheit und die Gewissensfreiheit in Anspruch genommen werden und umgekehrt. Dieser Austauschbarkeit von Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit stößt nur dort an Grenzen, wo eine bestimmte Form der Ausübung bei der einen oder anderen Freiheit ihrem Wesen nach nicht in Frage kommt. So kann man zwar Religion in ihren nach außen in Erscheinung tretenden Formen auch in Gemeinschaft mit anderen ausüben, eine im eigentlichen Sinne gemeinsame Ausübung der Gedanken- und Gewissensfreiheit erscheint hingegen nicht möglich, wenn „gemeinsame Ausübung“ mehr ist als eine von mehrere geteilte Haltung. Allerdings sind gemeinsame Darlegungen (die „Propagierung“) von Gedanken und Überzeugungen durch die Freiheit der Meinungsäußerung, 34) Zusammenkünfte zum Austausch solcher Gedanken und Überzeugungen durch die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit 35) abgedeckt.

Dass die Religionsfreiheit auch die Weltanschauungsfreiheit umfasst und dass es neben der positiven Religionsfreiheit auch die negative Religionsfreiheit gibt, wurde schon erwähnt. Wann aber kann man von Religion oder Weltanschauung sprechen?

In beiden Fällen geht es um eine Gesamtauffassung von der Welt als eines umfassenden Begriffs, der das Ganze des Seienden umfasst. Die Weltanschauung versucht wie die Religion die Sinnfrage dieses „Ganzen“ zu beantworten, insbesondere natürlich die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz. Religion und Weltanschauung können aber dahingehend abgegrenzt werden, dass Religion bzw. religiöse Weltanschauung dann vorliegt, wenn die Gesamtauffassung auf einem persönlichen Gottesglauben oder – bei Fehlen oder Ablehnung eines solchen – doch auf einem Transzendenzbezug beruht, während es sich bei Fehlen auch dieses Transzendenzbezugs um eine bloße (d.h. nicht-religiöse) Weltanschauung handelt. 36)

Die Begriffe „Gedanke“ und „Gewissen“ bezeichnen hingegen keine Gesamtauffassung von der Welt. „Gedanke“ ist jeder Inhalt der intellektuellen Tätigkeit; und „Gewissen“ ist eine innere Überzeugung betreffend die Qualität eines bestimmten Verhaltens, das dementsprechend gesetzt oder unterlassen werden soll. Es besteht aber Affinität zwischen „Gedanken“ und „Gewissen“ auf der einen und Religion oder Weltanschauung auf der anderen Seite, weil beiden ein Gedankengebäude zugrunde liegt und das Gewissen sich (jedenfalls auch) an beiden orientiert. Eine strenge Abgrenzung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit auf der einen und Gedanken- und Gewissensfreiheit auf der andren Seite ist aber nicht erforderlich, weil sie allesamt durch Art. 9 EMRK geschützt und durch die Artikel 10 und 11 EMRK zusätzlich abgesichert sind.

b. Religion im Sinne der Religionsfreiheit

Eine erste wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist aber, ob sich die Religionsfreiheit nur auf bestimmte, staatlich anerkannte oder doch rechtlich erfasste oder – um noch um einen Schritt zurückzugehen – auf bestimmte, bereits bekannte, vielleicht sogar wissenschaftlich als solche qualifizierte Religionen bezieht. Es liegt auf der Hand, dass die Antwort auf diese Frage nur Nein sein kann. Das ergibt sich bereits aus der Gleichstellung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit; denn es ist klar, dass hier einfach auf die ganz konkrete Sicht von „Gott und der Welt“ abgestellt wird, die eine bestimmte Person hat, und nicht auf eine von wem immer als solche qualifizierte Weltanschauung. Es gehört zum Wesen der Weltanschauung, dass jeder das Recht hat, sich seine eigene zu bilden, daher kann es für eine Weltanschauung nicht darauf ankommen, ob sie noch von jemandem geteilt oder zumindest gekannt wird. Ebenso steht es jedem frei, sich seine eigene Religion zu bilden oder sich zu einer schon bestehenden zu bekennen.

c. Freiheit, Religion selbst zu konzipieren

Auch das Bekenntnis zu einer schon bestehenden Religion schließt nicht das Recht des Einzelnen aus, sich seine eigene Vorstellung von dieser Religion zu bilden. So darf niemand daran gehindert werden, sich Christ zu nennen, auch wenn seine Vorstellungen von dem, was Christsein bedeutet, von jenen der einen oder anderen Großkirche abweichen oder überhaupt synkretistischen Charakter haben mögen. Zur Religionsfreiheit gehört also auch die Freiheit, sich selbst nach seinen eigenen Vorstellungen als Anhänger einer bestimmten Religion einzustufen.

d. Kein „Markenschutz“ für Religionen

Daraus folgt, dass es im Bereich der Religion keinen Markenschutz geben kann. Die einzelnen Religionen und ihre etwaig bestehenden Organisationsformen, konkret also: die Kirchen und Religionsgemeinschaften, können nicht verlangen, dass eine bestimmte Bezeichnung für sie reserviert wird. Und der Staat darf auch seinerseits eine solche Reservierung nicht vornehmen. Ob ich Katholik bin, bestimme ich selbst, und weder die Katholische Kirche noch der Staat können mir das Recht, mich als Katholik zu betrachten und zu bekennen, absprechen.

Diese Feststellung gilt natürlich nur für den weltlichen Bereich, von dem hier die Rede ist. Jede Kirche und Religionsgemeinschaft kann natürlich nach ihrem eigenen Selbstverständnis beurteilen, wer ihr angehört und wer nicht. Sie kann dies auch nach außen zum Ausdruck bringen; und die gesellschaftliche Wirkung einer solchen Feststellung wird allein von der Akzeptanz abhängen, deren sich diese Kirche oder Religionsgemeinschaft oder jene, die für sie zu sprechen in Anspruch nehmen, erfreuen. Aber mit Wirkung für den staatlichen Bereich kann sie das nicht. Denn hier befinden wir uns im Bereich der Grundrechte; und in diesem Bereich kommt es auf die Meinung der Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht an, weil die Religionsfreiheit in allen ihren Spielarten immer nur ein Individualrecht ist. Der Staat darf ihren diesbezüglichen Feststellungen daher auch keine Wirkung für den staatlichen Bereich einräumen.

i. Traditioneller Zugang

Die Frage, ob der Staat einer bestimmten Kirche oder Religionsgemeinschaft eine bestimmte Bezeichnung vorbehalten und anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften verbieten darf, diese Bezeichnung zu führen, gehört nur mittelbar hierher. Da sich Kirche und Religionsgemeinschaften als solche nicht auf das Grundrecht der Religionsfreiheit berufen können und es dem Staat nicht erlaubt ist, mit der allfälligen Gewährung grundrechtsähnlicher Rechte an sie die Religionsfreiheit des Einzelnen in ihrer individuellen oder kollektiven Spielart zu beeinträchtigen, ist diese Frage grundsätzlich zu verneinen.

Nun ist aber in der Vergangenheit bestimmten religiösen Gemeinschaften von Staats wegen eine von ihnen nicht gewünschte Bezeichnung beigelegt worden, eine Maßnahme, die von ihnen nur deswegen akzeptiert wurde, weil man ihnen sonst die staatliche Anerkennung und/oder sonstige Rechte verweigert hätte. Ein klassisches Beispiel hiefür sind die Altkatholischen bzw. Christkatholischen Kirchen, ein Zusammenschluss jener Katholiken in Deutschland, Österreich und der Schweiz, denen wegen der Ablehnung der Dogmen des Ersten Vatikanum (1870) – Universalprimat 37) und Unfehlbarkeit 38) des Papstes – ein kirchliches Leben in der Katholischen Kirche praktisch unmöglich gemacht wurde, indem man sie vom Sakramentenempfang und vom kirchlichen Begräbnis ausschloss, worauf sie zur Sicherstellung der Seelsorge eigene Gemeinden bildeten. 39)

1) Abwehr einer Verwechslungsgefahr…

Dass es diesen Kirchen verwehrt ist, sich ohne Zusatz „katholisch“ zu nennen, wurde und wird in Lehre und Praxis hauptsächlich damit erklärt, dass dies notwendig sei, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Andernfalls könnten Katholiken in die Irre geführt werden und insbesondere solchen Kirchen in der Meinung, es handle sich um die „traditionelle“ Katholische Kirche, finanzielle Zuwendungen zukommen lassen. Dabei glaubt man sich auch auf Art. 9 Abs. 2 EMRK berufen zu können, welcher die zulässigen Schranken der Religionsfreiheit nennt. Danach darf „[d]ie Religions- und Bekenntnisfreiheit […] nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.“ Staatliche Vorschriften, welche die genannte Verwechslungsgefahr ausschließen sollen, seien als „notwendige Maßnahmen für den Schutz der Rechte anderer“ anzusehen.

2) …keine ausreichende Rechtfertigung

Gegen diese Auffassung ist zweierlei einzuwenden. Zum ersten ist zumindest zweifelhaft, ob derartige, letztlich in den Bereich des Zivilrechts, Unterbereich „unlauterer Wettbewerb“, fallende Rechte überhaupt vom Begriff der „Rechte“, wie er in Art. 9 Abs. 2 EMRK verwendet wird, erfasst sind. Die dort genannten, den Anderen zukommenden “Rechte und Freiheiten“ bilden nämlich in dieser Formulierung einen stehenden Begriff der Europäischen Menschenrechtskonvention und beziehen sich nur auf die durch die Konvention geschützten „Menschenrechte und Grundfreiheiten“. Dies zeigt Artikel 1 EMRK, nach welchem sich die in der Konvention gegebenen Garantien nur auf „die in […] dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten“ beziehen. 40) Irgendwelche Rechte, die einzelne Staaten den Kirchen und Religionsgemeinschaften eingeräumt haben und die im dortigen innerstaatlichen Recht sogar unter der Bezeichnung „Grundrechte“ geführt werden mögen, 41) fallen nicht unter diesen Begriff der „Rechte und Freiheiten“.

Es sind daher offenbar nur jene Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie sie als Individualrechte in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten sind, die als Schranken für die Religionsfreiheit in Betracht kommen; auf zivilrechtliche Regeln über Marken oder über den unlauteren Wettbewerb kann man sich hier nicht berufen. Das zeigt, dass in das aus der Religionsfreiheit erfließende Recht der religiösen Selbsteinstufung des Individuums in Ausübung der individuellen Religionsfreiheit und der religiösen Selbstbezeichnung einer Gruppe in Ausübung der kollektiven Religionsfreiheit ihrer Mitglieder grundsätzlich auch nicht aufgrund einer allgemein gehaltenen Berufung auf den Schutz der Rechte anderer eingegriffen werden darf; nur die Berufung auf Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ist erlaubt.

Es muss daher den Kirchen und Religionsgemeinschaften selbst überlassen bleiben, für ihre Unverwechselbarkeit zu sorgen. Der staatliche Arm darf ihnen dazu nicht geliehen werden.

3) Abwehr von Täuschungsgefahr

Das schließt nicht aus, dass der Staat im Rahmen seiner allgemeinen Justizgewährungspflicht gegen betrügerisches Verhalten vorgeht, wenn Vermögensvorteile unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erlangt werden sollen. Im Einzelnen mag die Abgrenzung schwierig sein; das enthebt aber den Staat nicht seiner Verpflichtung, genau zu differenzieren. Hier muss ein Beispiel genügen. Wenn die Altkatholische Kirche für sich in Anspruch nimmt, die wahre Katholische Kirche zu sein, so ist das durch die kollektive Religionsfreiheit ihrer Mitglieder gedeckt und erlaubt kein Eingreifen des Staates. Sollten hingegen irgendwelche ihrer Aktivisten eine Haussammlung veranstalten und dabei nicht nur um finanzielle Unterstützung für diese „wahre Katholische Kirche“ bitten, sondern dies unter der Vorspiegelung tun, dass sie gerade Vertreter jener Katholische Kirche seien, die vom konkreten Papst Benedikt XVI. (vormals Professor und später Kardinal Josef Ratzinger) in Rom geleitet wird, so fiele das nicht mehr unter die kollektive Religionsfreiheit dieser (Alt-) Katholiken; der Staat dürfte gegen eine solche wohl als Betrug zu qualifizierende Vorgangsweise (auch mit den Mitteln des Strafrechts) einschreiten.

4) Notwendige Unterscheidung

Nicht ausgeschlossen ist auch durch die Religionsfreiheit, dass der Staat, soweit er in Erfüllung seiner Gemeinwohlverpflichtung, die ihn – wie schon gesagt – auch zur Förderung der Interessen seiner Bürger im religiösen Bereich verpflichtet, mit Kirchen und Religionsgemeinschaften in Kontakt treten muss, die verschiedenen Kirchen und Religionsgemeinschaften aus praktischen Gründen auseinanderhalten muss. Das ist vielmehr erforderlich, damit jede dieser Kirchen und Religionsgemeinschaften den aufgrund ihrer Mitgliederzahl zustehenden Anteil an Förderungsmitteln erhält. Eine solche vom Staat vorzunehmende notwendige Differenzierung muss sich allerdings – und das ist der zweite Einwand – am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen, welcher besagt, dass nur solche Maßnahmen gerechtfertigt sind, die zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und notwendig sind, also nicht durch einen gelinderen Eingriff substituiert werden können. Ob dafür die Beibehaltung von Bezeichnungen notwendig erscheint, die vom Staat unter einem staatskirchenrechtlichen System verfügt wurden, das heute überholt ist, darf bezweifelt werden. Vielmehr muss es genügen, wenn sich der Staat für diesen Zweck am Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften orientiert, wo es ohnedies notwendige Differenzierungen gibt bzw. geben muss, weil es sich sonst ja tatsächlich um eine und dieselbe Kirche oder Religionsgemeinschaft handeln würde. Jeder Kirche und Religionsgemeinschaft darüber hinaus ein staatliches Etikett zu verpassen, erscheint daher nicht gerechtfertigt.

5) Änderungsbedarf

Aus dem heutigen, auf der Religionsfreiheit des Individuums aufbauenden Religionsrecht ergibt sich insoweit ein Anpassungsbedarf alter Rechtsnormen an das neue System, der wahrscheinlich nur deswegen nicht als so dringend empfunden wird, als die negativ betroffenen Kirchen und Religionsgemeinschaften sich offenbar an den status quo gewöhnt haben, während die davon profitierende Kirchen und Religionsgemeinschaften das Problem aus Eigeninteresse nicht anschneiden werden. Der Anpassungsbedarf ist daher offenbar derzeit mehr ein theoretisch erkannter als ein praktisch gefühlter.

H. Religionsfreiheit im Verhältnis zu Religionsgemeinschaften

Wir haben weiter oben festgestellt, dass auch das Bekenntnis zu einer schon bestehenden Religion nicht das Recht des Einzelnen ausschließt, sich seine eigene Vorstellung von dieser Religion zu bilden. Das gilt selbstverständlich nicht nur für jene Vorstellungen, welche die Glaubensinhalte der betreffenden Religion zum Gegenstand haben, sondern auch für jene Vorstellungen, die sich auf die Rechte und Pflichten aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion beziehen. Das gilt auch für jene Religionen, deren Anhänger – oder ein Teil derselben – sich in Form einer Kirche oder Religionsgemeinschaft organisiert haben. Es steht auch einem solchen „organisierten“ Anhänger einer Religion frei, sich seine eigenen Auffassungen von dem zu bilden, was er als Mitglied dieser Kirche oder Religionsgemeinschaft zu glauben, zu tun und zu lassen hat.

Das gilt natürlich wiederum nur für den weltlichen Bereich. Es bedeutet nicht, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht nach ihrem eigenen Selbstverständnis aussprechen dürften, was ihre Mitglieder zu glauben hätten und welche Rechte und Pflichten für sie aus der Mitgliedschaft erwüchsen. Sie können dies auch – wie bei der Abgrenzung der Mitglieder von den Nichtmitgliedern – nach außen zum Ausdruck bringen; und die gesellschaftliche Wirkung einer solchen Feststellung wird auch hier allein von der Akzeptanz abhängen, deren sich diese Kirche oder Religionsgemeinschaft oder jene, die für sie zu sprechen in Anspruch nehmen, erfreuen. Aber ebenso gilt auch hier, dass sie das nicht mit Wirkung für den staatlichen Bereich tun können. Denn hier befinden wir uns im Bereich der Grundrechte; und in diesem Bereich kommt es auf die Meinung der Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht an, können diese für den Staat keine verbindliche Vorgabe sein. Der Staat darf ihren diesbezüglichen Forderungen gegenüber ihren Mitgliedern daher auch keine Wirkung für den staatlichen Bereich einräumen. Oder, mit anderen Worten, der Staat darf nicht davon ausgehen, dass der Einzelne als Mitglied einer bestimmten Kirche oder Religionsgemeinschaft auf seine Rechte aus der Religionsfreiheit verzichtet, diese Religionsfreiheit also sozusagen an der Kirchentüre abgibt.

I. Unverzichtbarkeit der Menschenrechte

In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden (obwohl es sich eigentlich von selbst versteht), dass der Einzelne auf die Rechte aus der Religionsfreiheit – wie aus allen anderen Menschenrechte und Grundfreiheiten – überhaupt nicht rechtwirksam verzichten kann. Daher kann so ein Verzicht von vornherein nicht vermutet werden. (Eine ganz andere Frage ist natürlich, dass der Einzelne diese Rechte, eben weil es Rechte sind, im konkreten Fall nicht ausüben muss; aber es bleibt ihm die Freiheit gewahrt, sie jederzeit zu aktivieren.)

J. Beiträge zu Religionsgemeinschaften

Das gilt auch für die finanziellen Forderungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften gegenüber ihren Mitgliedern. Selbstverständlich können sie solche Forderungen erheben; aber auch diesen Forderungen gegenüber erlaubt seine Religionsfreiheit dem Einzelnen, selbst zu entscheiden, ob er ihnen entspricht oder nicht.

1. Kein staatlicher Zwang zur Eintreibung von Beiträgen

Der Staat darf den Einzelnen jedenfalls nicht dazu zwingen, er darf der Kirche oder Religionsgemeinschaft nicht das brachium saeculare zur Eintreibung eines (wie immer genannten) Kirchenbeitrags leihen.

2. Umgehungsverbot

Der Staat darf dieses Verbot, in die Religionsfreiheit des Einzelnen einzugreifen, auch nicht dadurch umgehen, dass er den Kirchen und Religionsgemeinschaften bestimmte Organisationsmöglichkeiten nach staatlichem Recht einräumt. Ob die Kirchen und Religionsgemeinschaften nach staatlichem Recht Körperschaften öffentlichen Rechts oder Vereine des Privatrechts sind oder welcher Rechtsstatus ihnen sonst eingeräumt sein mag: das ändert nichts an ihrem grundsätzlichen Charakter als Kirchen und Religionsgemeinschaften, sodass sie für ihre Mitglieder niemals bloße juristische Personen staatlichen Rechts werden können. Wenn es dem Staat wegen der Religionsfreiheit des Einzelnen verboten ist, für Kirchen und Religionsgemeinschaften finanzielle Beiträge bei den Mitgliedern einzutreiben, dann darf er dieses Verbot nicht dadurch umgehen, dass er sie zuerst zu öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vereinigungen macht und ihnen dann unter diesem Titel sein brachium saeculare zur Verfügung stellt. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob es dem Staat überhaupt verwehrt ist, Kirchen und Religionsgemeinschaften mit einer Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Raum auszustatten. Unter dem Blickwinkel der Gemeinwohlfunktion des Staates mag eine solche Ausstattung nützlich, vielleicht sogar geboten sein. Es ist dem Staat aber verwehrt, Kirchen und Religionsgemeinschaften auf diese Weise Rechte zuzuschanzen, die mit der Religionsfreiheit des Einzelnen unvereinbar sind. 42)

3. Keine Austrittspflicht

Dem wird gelegentlich entgegengehalten, der Einzelne könne ja, wenn er seine Kirchensteuer bzw. seinen Mitgliedsbeitrag nicht bezahlen wolle, aus der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft austreten. Dieses Argument ist verfehlt. Das dem Einzelnen zustehende Recht aus der Religionsfreiheit, mit Wirksamkeit für den Staat selbst zu bestimmen, ob er an eine bestimmte Kirche oder Religionsgemeinschaft einen finanziellen Beitrag leistet oder nicht, kann nicht von der Ausübung eines anderen Rechts, nämlich des Rechts, jederzeit aus einer Kirche oder Religionsgemeinschaft austreten zu können, 43) abhängig gemacht und dieses zweitere Recht für die Ausübung des ersteren in eine Pflicht verkehrt werden.

In diesem Zusammenhang muss nochmals daran erinnert werden, dass das Recht auf Religionsfreiheit unverzichtbar ist. Daher ist es auch unabdingbar und kann für seine Ausübung nicht an Bedingungen geknüpft werden, die ihrerseits in dieses Recht auf Religionsfreiheit eingreifen. Die Sache wäre wohl anders gelagert, wenn der Staat die Möglichkeit einräumen würde, bloß aus der staatlichen Organisationsform der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft unter Wahrung des Rechts zu erklären, dass dies nicht das Verhältnis zu dieser Kirche oder Religionsgemeinschaft berühre, auszuscheiden. Auch eine solche Regelung wäre freilich noch immer unter dem Gesichtspunkt bedenklich, dass das Recht auf Religionsfreiheit auch das Recht beinhaltet, sich nicht bloß zu einer bestimmten Religionen zu bekennen, sondern sich auch nicht zu einer solchen zu bekennen, weshalb alle diesbezüglichen Erklärungen des Einzelnen – auch solche aus Anlass einer Volkszählung oder dgl. – richtigerweise nur fakultativ sein, d.h. nur auf freiwilliger Basis erfolgen können.

4. Kirchensteuer, Kirchenbeitrag oder Kultursteuer?

Auch hier finden sich in manchen Staaten Überbleibsel vergangener staatskirchenrechtlicher Epochen. So gibt es in Deutschland noch eine echte, vom Staat festgesetzte und erhobene Kirchensteuer, welche eine staatliche Steuerpflicht für die Mitglieder von Kirchen und Religionsgemeinschaften bewirkt. 44) In Österreich stellt der Staat den Kirchen und Religionsgemeinschaften sein Justizsystem zur Verfügung, um die sog. Kirchenbeiträge von zahlungsunwilligen Mitgliedern in einem zivilgerichtlichen Verfahren einzuklagen und schließlich gegebenenfalls auch Exekution zu führen. 45)

In diesem Zusammenhang wird als Alternative gelegentlich eine sog. Kultursteuer ins Spiel gebracht, die von jedermann – gleich, ob religiös oder nicht religiös – zu entrichten ist. 46) Bekommen die Kirchen und Religionsgemeinschaften davon einen ihrer jeweiligen Mitgliederzahl entsprechenden Anteil, so wird das von machen als unbedenklich angesehen. Tatsächlich unterwirft eine solche Konstruktion aber das einzelne Mitglied aber doch zumindest indirekt einer Zwangsabgabe. Das gilt nur dort nicht, wo auch die Mitglieder von Kirchen und Religionsgemeinschaften noch das Recht haben, selbst zu bestimmen, ob, und wenn ja, welcher Anteil ihrer Kultursteuer ihrer Kirche oder Religionsgemeinschaft zugewendet werden soll. 47)

5. Änderungsbedarf

Gerade im Bereich von staatlicher Kirchensteuer und staatlicher Eintreibung von Kirchenbeiträgen gibt es also derzeit einen dringen Änderungsbedarf, um das staatliche Religionsrecht den modernen Anforderungen aus der Religionsfreiheit anzupassen.

K. Weiterreichende Konsequenzen des rechten Verhältnisses von Staat und Kirche

Mögen diese Überlegungen von manchen bereits als sehr progressiv und die zu ziehenden Konsequenzen als im evolutionären Wege kaum noch zu schaffen angesehen werden, so bleiben noch zwei Punkte, die gar als revolutionär erscheinen mögen.

1. Wer ist, wer repräsentiert eine Religionsgemeinschaft?

Der eine Punkt spinnt nur die gerade dargelegten Gedankengänge fort. Es mag ja gut und schön für den Einzelnen sein, wenn seine Religionsfreiheit vom Staat auch gegenüber Ansprüchen von Seiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften respektiert und diesen kein brachium saeculare zur Durchsetzung dieser Ansprüche geliehen wird. Wer aber „ist“ eine bestimmte Kirche oder Religionsgemeinschaft für den Staat, und wer „repräsentiert“ sie für ihn?

a. Traditionelle Sicht

Nach traditioneller staatskirchenrechtlicher Auffassung ist hier vom historischen Begriff der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft auszugehen. Danach „weiß man eben“, dass die Katholische Kirche die sog. Papstkirche ist und durch ihre Hierarchie repräsentiert wird. Und „man weiß eben“, was die Evangelische Landeskirche im Land A oder B ist, und dass auch sie durch die nach ihrer eigenen Ordnung bestimmten Amtsträger (jedenfalls i.w.S.) vertreten wird.

b. Heute gebotene Sicht

Vom Standpunkt der Religionsfreiheit, die – wir halten das nochmals fest – auch in ihrer kollektiven Form der Ausübung ein Individualrecht bleibt, ist dieser Zugang unhaltbar. Er stammt aus der Zeit, wo Staat und Kirche („Thron und Altar“) noch als die eigentlichen Träger aller wechselseitig in Anspruch genommenen Rechte angesehen wurden, während der Einzelne nur als Untertan bzw. Teil des „Kirchenvolkes“, 48) also als Objekt dieses Rechtsverhältnisses, in Betracht kam. Heute ist der Träger der Religionsfreiheit der Einzelne, ob er seine Freiheit nun „einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen“ 49) ausübt. Für den Staat kann daher eine bestimmte Kirche oder Religionsgemeinschaft niemand anderer sein als die Gemeinschaft der im Staat lebenden Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft; und wer diese Religionsgemeinschaft mit Wirkung für den betreffenden Staat repräsentiert, hängt wiederum von deren dortigen Mitgliedern ab.

i. Die deutschen Katholiken als die Katholische Kirche in Deutschland

Um das Ganze an einem Beispiel festzumachen: für den Staat können die Katholische Kirche in Deutschland nur die deutschen Katholiken sein; und wer berechtigt ist, sie gegenüber dem Staat zu vertreten, bestimmen sie. Sobald diese Einsicht gewonnen ist, löst sich ein bisher unlösbar scheinendes Problem von selbst: wie sich nämlich die traditionell undemokratische Struktur der Katholischen Kirche mit der Forderung vereinbaren lässt, dass der Grundsatz der Demokratie, der zu den Grundwerten der Europäischen Union zählt, auch für die inneren Strukturen zumindest aller nach staatlichem Recht organisierten Vereinigungen (wohl aber auch für alle anderen Vereinigungen, soweit sie gesellschaftlich greifbar sind), einschließlich der Kirchen und Religionsgemeinschaften, gelten müsse. Für den Staat kommen in dieser Sicht ja nicht die Repräsentanten irgendeiner (nationalen oder internationalen) kirchlichen Hierarchie als Vertretung der Katholischen Kirche in Deutschland in Betracht, sondern nur jene Vertreter dieser Kirche, die von der Zustimmung der Katholiken in Deutschland getragen sind, und nur in jenem Ausmaß, in dem sie von dieser Zustimmung getragen sind.

ii. Rechtsvermutungen mit Religionsfreiheit unvereinbar

Man kann das alte Staats-Kirchen-Verhältnis, bei dem sich die beiden „Gewalten“ – die weltliche und die geistliche – über die Angehörigen der Kirchen und Religionsgemeinschaften hinweg untereinander einigen und auf deren Rücken ihre Interesse abstecken, auch nicht mit Hilfe einer Vermutung retten, dahingehend, dass – um wieder bei unserem Beispiel zu bleiben – die Katholiken in Deutschland ohnedies durch den Papst und die „Amtskirche“ vertreten werden wollen und daher der Staat der Religionsfreiheit keinen Abbruch tut, wenn er sich an die traditionellen Repräsentanten der Katholischen Kirche hält.

Eine solche Vermutung aufzustellen ist aber für den Staat – und zwar ganz unabhängig davon, ob sie jemals zutreffend gewesen ist, also irgendwann dem wahren Willen der Katholiken entsprochen hat, was man aufgrund der innerkirchlichen Reformbewegungen auch nach der Glaubensspaltung, welche Stoßrichtung sie im Einzelnen auch immer gehabt haben mögen, 50) füglich bezweifeln darf – unzulässig. Die Religionsfreiheit der Katholiken in Deutschland in ihrer kollektiven Ausübung, also in Form ihrer Kirche, darf nicht dadurch umgangen werden, dass der Staat selbst eine unwiderlegliche rechtliche Vermutung dahingehend aufstellt, dass die Katholiken ihre Religionsfreiheit gerade so ausüben wollen, wie ihnen das der Papst in Rom, die Deutsche Bischofskonferenz oder gar ihr Diözesanbischof vorschreiben. Abgesehen davon, dass letztere Vermutung eine bloße Fiktion wäre, weil sie keine Entsprechung in der Realität hätte, darf sich der Staat überhaupt keine Auffassung von der Katholischen Kirche – weder die offiziell-„amtskirchliche“ noch jene irgendeiner Reformbewegung – zu Eigen machen. Er darf nur auf die Auffassung der Katholiken in Deutschland abstellen; und was diese deutschen Katholiken tatsächlich meinen und wirklich wollen, hat er in entsprechender Weise zu erheben.

iii. Demokratische Vertretung der deutschen Katholiken

Dieses Erhebungsverfahren muss so gestaltet sein, dass der wahre Wille der Katholiken tatsächlich zum Ausdruck kommen kann.

Das Erhebungsverfahren kann aber offenbar nicht jedes Mal durchgeführt werden, wenn eine religionsrechtliche Frage, welche die Katholiken betrifft, zu klären ist. Es werden daher für die Vorbereitung und das Treffen von Entscheidungen auf kirchlicher Seite ebenjene Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die heute in modernen Demokratien als üblich angesehen werden, nämlich in Form eines Vertretungskörpers, der in periodisch stattfindenden freien, gleichen und geheimen Wahlen von allen Katholiken bestellt wird. Zu diesem Katholikenparlament (wie immer ein solches in concreto dann bezeichnet sein mag – Synode wäre eine Bezeichnung, welche in der Tradition der Kirche zweifellos eine Stütze fände) können selbstverständlich auch die Vertreter der „Amtskirche“ kandidieren und – wenn ihre Liste eine ausreichende Mehrheit findet – auch die im Katholikenparlament zu treffenden Entscheidungen maßgeblich beeinflussen.

6) Grundrechtsbindung

Da es sich beim Katholikenparlament aber um eine staatliche Einrichtung handelt, müssen auch hier die allgemeinen rechtlichen Vorgaben, also insbesondere die Menschenrechte und Grundfreiheiten gelten, wie sie im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind. Das Katholikenparlament darf daher auch keine Beschlüsse fassen, die mit der Religionsfreiheit des einzelnen Katholiken – auf welche dieser durch Teilnahme an der Wahl zu diesem Vertretungskörper ja ebenso wenig verzichtet wie durch seine Zugehörigkeit zur Kirche überhaupt – unvereinbar wären.

7) Schutz der Religionsfreiheit der Minderheit

Das bedeutet insbesondere, dass religiösen Rechte auch einer Minderheit von Katholiken nicht verletzt werden dürfen. Für den Staat folgt daraus, dass er – z.B. wenn er mit den so genannten Katholiken Abmachungen über die Erfüllung seiner den religiösen Bereich betreffenden Verpflichtungen trifft – auch die Wünsche der Minderheit ausreichend berücksichtigen und ihren Aktivitäten ebenfalls eine entsprechende Unterstützung zukommen lassen muss.

Diese Verpflichtung des Staates zur ausreichenden Berücksichtigung auch von Gruppierungen, die im Rahmen der Kirche eine Minderheit darstellen mögen, hängt übrigens nicht davon ab, ob ein solches Katholikenparlament bereits eingerichtet ist oder nicht. Sie kommt dem Staat schon jetzt zu. (Bestimmte Verhaltensweisen des Staates wie z.B. die Beschränkung der Teilnahme zur Berichterstattung über den Papstbesuch in Deutschland 2011 auf Journalisten, die von der Deutschen Bischofskonferenz genannt wurden, und die Verweigerung der Akkreditierung für Journalisten aus dem Bereich der katholischen Reformorganisationen ist mit der Respektierung solcher Minderheitenrechte – die überhaupt nur Minderheiten sind, weil sich die Amtskirche die schweigende Mehrheit der Katholiken noch ungeniert zurechnen kann – unvereinbar.)

Wiederum nur zur Vermeidung von Missverständnissen weise ich nochmals darauf hin, dass es sich hier um Folgerungen aus jener Religionsfreiheit handelt, die vom Staat zu achten und zu schützen ist. Unter diesem Aspekt wird keine Aussage darüber gemacht, ob Menschenrechte auch von der Katholischen Kirche im internen Bereich verletzt werden (können), und wo dies unter den derzeitigen innerkirchlichen Umständen der Fall ist. Es wird hier auch keine Aussage darüber gemacht, ob die Strukturen der Kirche intern von einem absolutistisch-hierarchischen System auf ein demokratisches System umgestellt werden könnte. Ich habe zu dem einen wie dem anderen Problem in anderem Zusammenhang ausführlich Stellung genommen und die darin enthaltenen Fragen bejaht. 51)

2. Staatlicher Grundrechtsschutz gegen Übergriffe seitens der Religionsgemeinschaften

Ob diese an sich innerkirchlichen Fragen auch im Verhältnis von Staat und Kirche relevant sein können, hängt davon ab, ob man den Staat als verpflichtet ansieht, dafür zu sorgen, dass erstens der Einzelne auch gegen Eingriffe von Anderen in seinen Grund- und Freiheitsrechtsrechtsbereich geschützt ist und dass sich auch Rechtssubjekte, die nicht dem Staat oder einer überstaatlichen Institution zuzurechnen sind, untereinander jedes Eingriffs in diesen Grund- und Freiheitsrechtsbereich enthalten müssen, und dass zweitens auch nichtstaatliche Vereinigungen verpflichtet sind, in ihrem inneren Bereich jene Grundsätze zu respektieren, zu denen sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten in Art. 2 EUV bekennen, nämlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte. 52) Die muss, auch wenn das fürs erste überraschen mag, nicht bloß auch, sonders besonders für Kirche und Religionsgemeinschaften gelten. Bei Vereinigungen, die nicht den Charakter von Religionsgemeinschaften haben, mag es dem Einzelnen ja noch zumutbar erscheinen, aus ihnen auszutreten, wenn sie diese Werte nicht respektieren. Wir haben schon weiter oben festgestellt, dass es dem Einzelnen nicht zumutbar ist, aus seiner Religionsgemeinschaft auszutreten, wenn ihn die Mitgliedschaft in eine Position bringen würde, die mit seiner Religionsfreiheit unvereinbar wäre. Diese Feststellung müssen wir hier dahingehend erweitern, dass ein solcher Austritt gleichermaßen unzumutbar wäre, wenn seine Mitgliedschaft andere Beschränkungen oder Verletzungen seiner Grund- und Freiheitsrechte mit sich brächte. Der Staat muss daher in Erfüllung seiner Gemeinwohlverpflichtung, hier spezifisch der Verpflichtung aus seinem Freiheitszweck, dem Einzelnen den ruhigen Genuss seiner Grund- und Freiheitsrechte garantieren und zwar gegenüber jedermann.

a. Bindung an Menschenrechte – Bedrohung der Identität von Religionsgemeinschaften?

Von Seiten jener, die gerne am herkömmlichen System des Verhältnisses von Staat und Kirche festhalten wollen, wird an diesem Punkt der bereits geläufige Einwand kommen, die Kirchen und Religionsgemeinschaften, oder doch jedenfalls die Katholische Kirche, könnten ihre Identität nicht wahren, wenn sie derartigen Vorgaben wie demokratische und rechtsstaatliche Strukturen erfüllen oder die Menschenrechte ohne Abstriche im heutigen, in der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Ausdruck gebrachten Verständnis, beachten müssten. Und die Amtskirche schreckt auch nicht davor zurück, sich in ihrer Ablehnung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und bestimmter Menschenrechte auf den lieben Gott zu berufen, der die Anwendung aller dieser Werte und Rechte im kirchlichen Bereich angeblich nicht gewollt hat. 53)

Dem ist entgegenzuhalten, dass es neben der Auffassung der Amtskirche in der Kirche durchaus auch andere Auffassungen gibt, deren Vertreter allerdings von der Amtskirche im besten Fall ignoriert, nicht selten aber mit Sanktionen belegt werden. Dass katholische Wissenschaftler gemaßregelt werden und, soweit sie im akademischen Bereich oder sonstigen Lehrbereich tätig sind, auch mit der Entziehung der missio canonica und damit dem Verlust ihrer berufliche Stellung rechnen müssen, wird heute schon fast als selbstverständlich angesehen; aber mittlerweile sind selbst Mitglieder der Hierarchie, wenn sie sich gegen die vorgegebene Linie äußern, vor dem Bannstrahl aus Rom nicht mehr gefeit. 54) Trotzdem muss festgehalten werden, dass es viele Priester und Laien gibt, die sich weigern, das heutige amtskirchliche System, das auf der Entwicklungsstufe des unaufgeklärten Absolutismus stecken geblieben ist, als gottgewollt zu akzeptieren, 55) und dass auch zahlreiche Konzepte für eine grundlegende Reform dieses Systems auf dem Tisch liegen. 56)

Für den Staat freilich ist diese Diskussion ohnedies irrelevant. Keine Kirche oder Religionsgemeinschaft kann sich ihm gegenüber auf den lieben Gott berufen, um für sich Ausnahmen von der integralen Anwendung der europäischen Werte in Anspruch zu nehmen. Gegen die Verletzung dieser Werte zum Nachteil des Einzelnen auch als Mitglied dieser Kirche oder Religionsgemeinschaft trifft den Staat vielmehr eine Rechtschutzpflicht. Diese umfasst eine Justizgewährungspflicht in allen Fällen, wo für die Abstellung solcher Verletzungen von der Kirche oder Religionsgemeinschaft selbst mangels entsprechender interner rechtlicher Grundlagen und/oder rechtsstaatlicher Verfahren nicht gesorgt wird; und diese Justizgewährungspflicht schließt auch eine Pflicht zur Durchsetzung der Rechte des Einzelnen ein.

b. Die Aufsichtspflicht des Staates im Bereich der europäischen Werte

Damit komme ich zum letzten in Zusammenhang mit unserem Thema zu behandelnden Punkt, der schon weiter vorne, in Zusammenhang mit dem Friedens- und Sicherheitszweck des Staates, angekündigt wurde, aber noch seiner Ausführung harrt. Inhaltlich knüpft er unmittelbar an das gerade Gesagte an.

Das Problem ist, was den Ausgangspunkt anlangt, mehrgeteilt, je nachdem, ob die betreffende Kirche oder Religionsgemeinschaft einen öffentlich-rechtlichen Status hat, bloß als privatrechtlicher Verein gilt oder überhaupt keinen Status nach staatlichem Recht hat, weil der Staat die Auffassung vertritt, es sei mit den Grundsätzen der Religionsfreiheit unvereinbar, sich in Sachen der Religion einzumischen, und sei es auch nur dadurch, dass ihre Anhänger, soweit sie sich organisieren wollen, dies nach bestimmten, im staatlichen Recht vorgesehenen Regeln tun müssten. Das Ergebnis ist allerdings in allen diesen Fällen das Gleiche.

i. Bei rechtlicher Privilegierung von Religionsgemeinschaften

Beginnen wir mit der ersten Variante: die Kirche oder Religionsgemeinschaft hat einen öffentlich-rechtliche Status, etwa als Körperschaft des öffentlichen Rechts. In diesem Fall kommt auch ihren Repräsentanten – und zwar nicht bloß den hohen, sondern auch den niederen – eine privilegierte Stellung 57) zu, die sie in gewissem Sinne den staatlichen Beamten angleicht. 58) Nun gibt es in allen Staaten Regelungen, die sicherstellen sollen, dass Beamte eine verfassungstreue Gesinnung haben. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben darüber hinaus auch die sich aus dem Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV 59) ergebende Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Beamten auf dem Boden der europäischen Werte stehen. Dies muss auch für die Amtsträger der Kirchen und Religionsgemeinschaften gelten.

Nun haben sicher auch die Verfechter des traditionellen Verhältnisses von Kirche und Staat, die ja in Deutschland zumeist im Bereich der Großkirchen angesiedelt sind, keinen Einwand dagegen, dass der Staat gegen (z.B.) islamistische Hassprediger vorgeht und Personen, welche (wiederum z.B.) einen islamistischen Gottesstaat errichten wollen, nicht als Repräsentanten ihrer Religionsgemeinschaft akzeptiert. Dieselben Leute finden aber nichts dabei, wenn ein Bischof oder Pfarrer Auffassungen vertritt, die mit der rechten Einstellung zu wichtigen Grundlagen der europäischen Gesellschaft(en), also mit Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz und der Gleichheit von Frauen und Männern unvereinbar erscheinen und Werte, auf die sich die Union gründet, also die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, in Frage zu stellen geeignet sind. Dabei ist es schon als Verstoß gegen das Toleranzprinzip anzusehen, wenn der Versuch unternommen wird, die kirchliche Stellung dafür zu instrumentalisieren, auf die staatliche Gesetzgebung einen solchen Einfluss zu nehmen, dass dann mit deren Hilfe die Moralvorstellungen der eigenen Kirche durchgesetzt werden können. Hier ließe sich eine ganze Reihe von Beispielen anführen, die durchaus nicht auf einen Bereich (z.B. jenen des Umgangs mit der Homosexualität und der Ermöglichung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften) beschränkt wären.

Wo Kirchen und Religionsgemeinschaften gerne einen öffentlich-rechtlichen Status und eine damit verbundene Privilegierung auch ihrer Repräsentanten in Anspruch nehmen, müssen sie sich gefallen lassen, dass der Staat ebendiese Repräsentanten unter die Lupe nimmt, rechtzeitig gegen ihre Bestellung Einspruch erhebt und, wo dies unterlassen wurde, dafür sorgt, dass sie bei einem mit den europäischen Werten unvereinbaren Verhalten aus ihrem Amt entfernt werden; immer in jenem vertrauensvollen Zusammenwirken von Staat und Kirche, auf welches sich die Amtskirche auch sonst so gerne beruft.

Dass der Staat an der Auswahl kirchlicher Amtsträger ein legitimes Interesse haben kann, hat die Katholische Kirche auch schon selbst im Rahmen des früheren, heute als überholt anzusehenden Systems von Staat und Kirche anerkannt, wie die sog. Politischen Klauseln in verschiedenen Konkordaten zeigen, welche dem Staat ein (gewisses) Mitspracherecht bei der Bestellung von Bischöfen und vergleichbaren Amtsträgern geben. 60) Allerdings ist der Einfluss des Staates im 20. Jahrhundert stark zurückgedrängt worden, wofür die Katholische Kirche auch jenes Vertrauen in ihre neue Weltoffenheit nützte, das durch Johannes XXIII. 61) und das Zweite Vatikanum 62) vorübergehend aufgebaut worden war. 63) Dass sich heute der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat weniger darum kümmert, wer in der Katholische Kirche in leitende Positionen gelangt, als seine weit weniger demokratischen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Vorgänger, kann nur auf das missverständliche Prinzip der Trennung von Kirche und Staat zurückgeführt werden, welches weder Gott gibt, was Gottes ist, noch dem Kaiser (d.h. dem Staat), was des Kaisers ist.

ii. Bei Fehlen einer rechtlichen Privilegierung

Kommen wir jetzt zur zweiten Variante: Die Kirche oder Religionsgemeinschaft gilt im Staat nur als privatrechtlicher Verein gilt oder hat überhaupt keinen Status nach staatlichem Recht, weil der Staat die Auffassung vertritt, es sei mit den Grundsätzen der Religionsfreiheit unvereinbar, sich in Sachen der Religion einzumischen, und sei es auch nur dadurch, dass ihre Anhänger, soweit sie sich organisieren wollen, dies nach bestimmten, im staatlichen Recht vorgesehenen Regeln tun müssten.

1) Die Schranken des Art. 9 Abs. 2 EMRK

Bedeutet dies, dass es dem Staat gleichgültig sein darf, wer in einem solchen Verein oder einer solchen Gruppe eine führende Funktion innehat? Um diese Frage zu beantworten, erscheint es notwendig, auf das Grundrecht der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zurückzugreifen, wie es in Art. 11 EMRK verankert ist. Nach dessen Abs. 1 haben „[a]alle Menschen das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen“. Abs. 2 enthält wieder die geläufige Schrankenregelung, wonach „[die] Ausübung dieser Rechte […] keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden [darf] als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der äußeren und inneren Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.“ Neben den Umkehrschluss, dass derartige notwendige Einschränkungen also gestattet sind, gibt auch Art. 17 EMRK einen entsprechenden Anhaltspunkt. Danach darf „[k]eine Bestimmung [der Europäischen Menschenrechtskonvention] dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konvention vorgesehen, hinzielt.“

2) Ein österreichisches Beispiel

Daran anknüpfend bestimmt z.B. das österreichische Vereinsgesetz 2002 64), dass „[die] Vereinsbehörde […] bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten mit Bescheid zu erklären [hat], dass die Gründung [des] Vereins nicht gestattet wird, wenn der Verein nach seinem Zweck, seinem Namen oder seiner Organisation gesetzwidrig wäre.“ 65)

a) Gesetzliche Anforderungen nach dem Vereinsgesetz

Unter den gesetzlichen Anforderungen, die an einen Verein gestellt werden, ist auch eine demokratische Struktur. Organ zur gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder ist die Mitgliederversammlung. 66) Das Leitungsorgan ist verpflichtet, in der Mitgliederversammlung die Mitglieder über die Tätigkeit und die finanzielle Gebarung des Vereins zu informieren. 67) Es kann von der Mitgliederversammlung gegebenenfalls schon vor Ablauf seiner Funktionsperiode abberufen werden. 68)

Der rechtsstaatliche Charakter der vereinsinternen Verfahren soll dadurch gewährleistet werden, dass über die zwingen vorgeschriebene Schlichtungseinrichtung 69) hinaus das ordentliche Gericht angerufen werden kann, soweit nicht ein Schiedsgericht, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht, eingerichtet wird. 70) Dies zeigt, dass ein Vereinsmitglied seine gesetzlich oder statutarisch gewährleisteten Rechte gegenüber dem Verein und seinen Leitungsorganen mit Hilfe des Staates, der hier in Erfüllung seiner Justizgewährungspflicht 71) tätig wird, durchsetzen kann.

All dies zeigt, dass der Staat bemüht ist, auch im Bereich der Vereine die europäischen Werte zum Tragen zu bringen. Das kann nicht weiter verwundern, sind es doch die gemeinsamen Werte, welche die europäischen Gesellschaft auszeichnet; 72) und Vereine sind ein wesentlicher Sektor der Zivilgesellschaft.

Was hier für die Vereine gesagt wurde, muss mutatis mutandis auch für Gruppierungen gelten, die nicht nach staatlichem Recht organisiert sind, denn es kann weder dem einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch dieser selbst zugesonnen werden, dass sie einen gesellschaftlichen Sektor von der Geltung dieser Werte ausnehmen wollte.

b) Nichterfüllung der vereinsgesetzlichen Anforderungen durch die Katholische Kirche

Es liegt auf der Hand, dass der Katholischen Kirche mit ihren derzeitigen Strukturen und Verfahren die Konstituierung als Verein in Österreich nach § 12 Abs. 1 VerG nicht gestattet werden könnte. Nun begeht aber nach § 31 VerG, wer (unter anderem) trotz Erklärung der Vereinsbehörde gemäß § 12 Abs. 1 73) eine Vereinstätigkeit ausübt – wenn die Tat nicht von den Strafgerichten zu verfolgen ist –, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen.

Dies zeigt, dass das österreichische Vereinsgesetz auch die Mitglieder eines Vereins als solche in die Pflicht nimmt und ihnen ein gesetzwidriges Verhalten nicht gestattet. Das muss aufgrund des Größenschlusses a minori ad maius erst recht für jene Personen gelten, die sich als leitende Funktionäre eines solchen gesetzwidrigen Vereins gerieren. Sie wären auch als Amtsträger einer Kirche oder Religionsgemeinschaft untragbar.

c. Das Missbrauchsverbot des Art. 17 EMRK

Dem kann man nicht entgegenhalten, dass die in Art. 9 EMRK verankerte Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit und die in Art. 10 EMRK verankerte Freiheit der Meinungsäußerung jedermann, daher auch dem Repräsentanten einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, erlaubt, die europäischen Werte sowie die Menschenrechte und Grundfreiheiten theoretisch in Frage zu stellen. Das mag ja so sein. Wo diese Theorie aber in praktisches Handeln übergeht, das geeignet ist, den Genuss dieser Werte, Rechte und Freiheiten für den Einzelnen zu beschneiden, muss der Staat dagegen Maßnahmen ergreifen. Er ist dabei nicht nur durch den schon zitierten Art. 17 EMRK gedeckt, sondern auch durch Art. 3 EUV, nach welchem es „[das] Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“ 74) und „ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts [zu bieten]“. 75) Aus diesem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts darf kein Sektor ausgeklammert und niemand die Möglichkeit eingeräumt werden, den gesellschaftlichen Frieden zu stören, die europäischen Werte zu missachten und das Wohlergehen der Menschen zu gefährden.

IV. Ausblick

Ich habe versucht, das Verhältnis von Staat und Kirche auf der Grundlage des neuen Paradigmas, das auf die religiöse Freiheit des Individuums abstellt, von eben dieser Wurzel her, also im eigentlichen Sinn des Wortes radikal, herauszuarbeiten.

Radikale Ansätze müssen damit rechnen, dass sie nicht gleich verstanden, dafür aber fürs erste heftig abgelehnt werden. Das ist noch bei jedem Paradigmenwechsel so gewesen und darf daher nicht davon abhalten oder auch nur abschrecken, diese Linie weiterzuverfolgen und ihr allmählich zum Durchbruch zu verhelfen.

In diesem Kampf haben wir nur wenige Bundesgenossen. Nicht die Politiker, die erfahrungsgemäß auf die Mobilisierungskräfte der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu ihren Gunsten hoffen. Nicht die herrschende Lehre und Rechtsprechung, weil ihre Vertreter meist dazu neigen, das, was ist, als den Ausdruck der Vernunft oder doch des gesunden Menschenverstandes anzusehen, an dem nicht gerüttelt werden sollte. 76) Nicht den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der sich zunehmend der Stellungnahme zu derartigen Problemen entzieht, ihre Lösung dem Ermessen der Konventionsstaaten anheimstellt und dafür noch wegen seiner „weisen Selbstbeschränkung“ (judicial restraint) mit Lob rechnen kann. 7) Ja, nicht einmal die Europäische Union selbst, die sich aus diesem Bereich weitgehend heraushält, wie Art. 17 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zeigt, wo es in Abs. 1 heißt: „Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.“ 78)

Natürlich ist Art. 17 AEUV nicht als Freibrief für die Mitgliedstaaten gedacht, im Bereich der Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Verpflichtungen aus Art. 2 EUV zu ignorieren; und natürlich stellt nach der materialen Hierarchie der Normen Art. 2 EUV eine Schranke für Art. 17 AEUV dar und nicht umgekehrt Art. 17 AEUV eine Schranke für Art. 2 EUV. Damit diese Einsicht aber schlagend werden kann, muss zuerst einmal das Bewusstsein dafür geweckt werden, dass auch im Bereich der Kirchen und Religionsgemeinschaften die europäischen Werte gefährdet sein können.

Das zu tun, kommt fast einem Tabubruch gleich; und zu einem solchen Tabubruch bedarf es eines gehörigen Maßes an Zivilcourage. Sie aufzubringen, sind ja an sich alle gefordert. Für uns aber kann die Antwort auf die im Titel gestellte Frage „Wer schützt wen vor wem?“ im Augenblick – in Abwandlung eines bekannten Sprichwortes – nur lauten: „Schütz‘ dich selbst, dann schützt dich Gott!“ Dies durch gemeinsame Aktionen zu unternehmen, ist daher nicht nur angemessen, ja notwendig, sondern selbst – so scheint mir – angewandte Religionsfreiheit in kollektiver Form.

Anmerkungen:

1) Vgl. JOCHEN MARTIN, Konstantinische Wende, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 6, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1997, 304.

2) In der ursprünglichen Form als das Verhältnis von Kaiser und Papst verstanden, die beide einträchtig die eine Christenheit regieren sollten. Da der christliche Universalismus auf kirchlicher Seite de facto und auf staatlicher Seite auch de iure scheiterte, trat hier an die Stelle des Kaisers der jeweilige souveräne Fürst, dort an die Stelle des Papstes im Bereich der Orthodoxie erst der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, spätestens seit dem Untergang des Oströmischen Reiches der Patriarch der jeweiligen autokephalen Landeskirche. In den von der abendländischen Kirchenspaltung geprägten Staaten kam es zu verschiedenen Arten der Verbindungen von Staat und Kirche, meist in der Form des Staatskirchentums (z.B. England, skandinavische Staaten), selten in der Form des Kirchenstaatstums (z.B. Genf unter Calvin). Das Kirchenstaatstum des Kirchenstaates ist atypisch, weil der Kirchenstaat nicht Folge einer angestrebten institutionellen Verquickung von Kirche und Staat war, sondern das Produkt des Umstandes, dass der Papst nicht nur das universelle Oberhaupt der Katholischen Kirche, sondern auch ein (territorial beschränkter) weltlicher Fürst war.

3) Vgl. HERIBERT FRANZ KÖCK, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, Berlin 1975, Zweiter Teil, Viertes Kapitel, Abschnitt II („Die konkordatären Verträge des Hl. Stuhls), 311 ff.; HERIBERT FRANZ KÖCK, Rechtliche und politische Aspekte von Konkordaten, Berlin 1983.

4) Vgl. GIOVANNI LAJOLO, I Concodati Moderni, Rom 1968; ROLAND MINNERATH, L’Église et les États concordataires (1846-1981).La souveraineté spirituelle, Paris 1983.

5) Vgl. GEORG MAY, Die Konkordatspolitik des Heiligen Stuhls von 1918-1974.in: HUBERT JEDIN/KONRAD REPGEN (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. VII: Die Weltkirche im 20.Jahrhundert, Freiburg-Basel- Wien 1979, 179 ff., auf 207 ff., der noch deutliche Sympathien für diese Art Konkordat, „die Krönung der Konkordatspolitik Pius‘ XII.“, erkennen lässt. (Vgl. 207 ff., auf 208.)

6) Vgl. WALTER KASPER, Religionsfreiheit, II. Katholische Kirche, 3. Die Lehre des II. Vatikanischen Konzils, in: Staatslexikon, 7. Aufl., Bd. 4, Freiburg-Basel-Wien 1988, 826 f,; ALEXANDER HOLLERBACH, Dignitatis humanae, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 3, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1995, 229.

7) Schon Ambrosius von Mailand fand sich zur Feststellung veranlasst: imperator in ecclesia, non supra ecclesiam est. Predigt gegen Auxentius, in: MPL XVI, Col. 101 SB. – Vgl. auch WALTER KASPER, Religionsfreiheit, II. Katholische Kirche, 1. Geschichtliche und theologische Grundlagen, in: Staatslexikon, 7. Aufl., Bd. 4, Freiburg-Basel-Wien 1988, 825.

8) Vgl. MARTIN HECKEL, Religionsfreiheit, I. Geschichte und Grundsatzfragen, in: Staatslexikon, 7. Aufl., Bd. 4, Freiburg-Basel-Wien 1988, 820 ff.; KONRAD HILPERT, Religionsfreiheit, I. Historisch, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 8, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1999, 1048 ff.

9) Vgl. ALFRED VERDROSS, Abendländische Rechtsphilosophie, 2. Aufl. Wien 1963, 113 ff.

10) Vgl. ibid., 124 ff.

11) Vgl. zu diesem Begriff allgemein JANEZ PERČIČ, Religion und Gemeinwesen. Zum Begriff der Zivilreligion, Forum Religionsphilosophie, 8, Münster 2004.

12) Z.B. als Religion der Vernunft und als Religion eines Höchsten Wesens. Die religion civile soll das moralische Rüstzeug für Staat und Recht bieten und ist damit dem eigentlichen Wesen der Religion, nämlich der Beziehung des Einzelnen zu seinem transzendenten Schöpfer, entfremdet.

13) Vgl. ALFRED VERDROSS, Abendländische Rechtsphilosophie, 2. Aufl. Wien 1963, 122 ff.

14) Abgeschlossen im Rahmen des Europarates. Mit ihrer internationalen Rechtsschutzinstanz, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, stellt sie heute die beste Garantie für die Einhaltung der Menschenrechte in jenen Staaten Europas, die dem Europarat angehören – und das sind alle außer Weißrussland, dem Kosovo und dem Staat der Vatikanstadt –, dar. Vgl. JOCHEN A. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. Kehl 2009; CHRISTOPH GRABENWARTER/KATHARINA PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention. 5. Aufl. München/Basel/Wien 2011; JOHANNES HENGSTGSCHLÄGER/DAVID LEEB, Grundrechte, Wien 2012.

15) Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union 2000/C 364/01.

16) Art. 1. Würde des Menschen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“

17) Vgl. CRISTINA HERMIDA DEL LLANOS, Los derechos fundamentales en la Unión Europea, Barcelona 2005.

18) Vgl. PETER J. OPITZ, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, in: HELMUT VOLGER (Hrsg.), Lexikon der Vereinten Nationen, München-Wien, 2000, 331 ff.

19) United Nations Treaty Series, Bd. 999, 294 ff. – Zum 1.Jänner 2011 hatten 167 Staaten den Pakt ratifiziert, darunter Deutschland (1973), Österreich (1978) und die Schweiz (1992). Die Volksrepublik China, Kuba und Pakistan sowie 4 weitere Staaten hatten den Pakt zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

20) Vgl. MATTIAS G. FISCHER/AMAL DIAB, Islam und Menschenrechte, in: Neue Juristische Wochenschrift 2007, 2972 ff.

21) Vgl. dazu THOMAS MEYER, Die Identität Europas. Der EU eine Seele?, Frankfurt/M. 2004, 227; MARTIN BOROWSKI, Wertkonflikte in der Europäischen Union, in: HANS-JÖRG DERRA (Hrsg.), Freiheit, Sicherheit und Recht. Festschrift für Jürgen Meyer zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2006, 49 ff., auf 58.

22) Und hier vor allem für die Europäische Union, deren Recht dem Recht der Mitgliedstaaten vorgeht. Vgl. PETER FISCHER/HERIBERT FRANZ KÖCK/MARGIT MARIA KAROLLUS, Europarecht, 4. Aufl., Wien 2002, 417 ff.

23) Vgl. HERIBERT FRANZ KÖCK, Recht in der pluralistischen Gesellschaft, Wien 1998, 146 ff.

24) ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE, Staat, Gesellschaft, Freiheit, Frankfurt 1976, S. 60.

25) An sich setzen aber alle Sakramente die Beteiligung von mindestens zwei Personen voraus. Bei Messen, die mangels greifbarer Gemeinde von Priestern alleine gefeiert werden und auf die das Wort Jesu „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin Ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20) nicht zutrifft, wird versucht, die (fehlende) Gemeinschaft mit Anwesenden durch die gedachte Gemeinschaft mit Abwesenden, zuletzt mit der Kirche als ganzer, zu fingieren. Diese Praxis bleibt fragwürdig und hängt an einem verdinglichten Sakramentenverständnis, das die Realpräsenz Jesu wirklich allein an die Worte „Das ist mein Leib“, „Das ist ein Blut“ bindet und ignoriert, dass diesen „Wandlungsworte“ die Worte „Nehmet und esset alle davon“, „Nehmet und trinket alle daraus“ vorangestellt sind. Vgl. zur Kirche als Mahlgemeinschaft auch HANS KÜNG, Die Kirche, 4.Aufl. Freiburg-Basel-Wien 1973, 253 ff.

26) Vgl. dazu HERIBERT FRANZ KÖCK, Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, Berlin 1975, Zweiter Teil, Viertes Kapitel, Abschnitt II („Die konkordatären Verträge des Hl. Stuhls), B. („Der Rechtscharakter der Konkordate“), 332 ff.

27) Vgl. PETER FISCHER/HERIBERT FRANZ KÖCK, Völkerrecht, Wien 2004, 95.

28) Das ius cogens ist in Art. 53 der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 (WVK) wie folgt umschrieben: „[E]ine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts [ist] eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann.“

29) Vgl. Art. 53 WVK.

30) Vgl. Art. 64 WVK.

31) Vgl. den Fall Seeler vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Mai 1955, BVerfGE 93,1.

32) Lautsi, EGMR, Große Kammer, Beschwerde Nr. 30814/06 Urteil vom 18. März 2011; abrufbar unter: http://www.echr.coe.int/echr/resources/hudoc/Lautsi_PR_GER.pdf

33) Art. 9 Abs. 1 EMRK Satz 1, erster und zweiter Teil.

34) Art. 10 EMRK.

35) Art. 11 EMRK.

36) Vgl. HERBERT KALB/RICHARD POTZ/BRIGITTE SCHINKELE, Religionsrecht, Wien 2003, 3.

37) Vgl. WOLFGANG BEINERT, Primat, päpstlicher Primat, I. Historisch-theologisch, II. Systenmatischtheologisch, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3.Aufl., Bd. 8, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1999, 588f und 589 ff.

38) Vgl. WOLFGANG BEINERT, Unfehlbarkeit, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3.Aufl., Bd. 10, Freiburg-Basel-Rom-Wien 2001, 389 ff.

39) Vgl. PETER NEUNER, Altkatholische Kirchen. I. Geschichte, II. Glaubenslehre und Kirchenverfassung, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3.Aufl., Bd. 1, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1993, 468 ff.

40) Art. 1 EMRK [Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte]: Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.“

41) So enthält der österreichische Grundrechtskatalog, wie er im Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867, RGBl. Nr. 142/1867, enthalten ist, in seinem Art. 15 ein solches Grundrecht für bestimmte Kirchen und Religionsgemeinschaften: „Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.“ Das Grundrecht auf individuelle Religionsfreiheit ist – nach dem damaligen Erkenntnisstand – in den Artikeln 14 und 16 geregelt. Das Staatsgrundgesetz, das mangels Einigung unter den großen politischen Lagern grundsätzlich bis heute auch in der Republik weitergilt (derzeit in der Fassung, wie sie in BGBl Nr. 684/1988 erscheint), ist freilich von Art. 63 des Staatsvertrags von Saint-Germain 1920, StGBl. Nr. 303/1920 (Abs. 2: „Alle Einwohner Österreichs haben das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist“), von der Europäischen Menschenrechtskonvention 1950 und von der EU-Grundrechtecharta überlagert. Überdies ist Österreich auch durch die UN-Menschenrechtspakte von 1966 gebunden, von denen hier insbesondere der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte in Betracht kommt. Er bestimmt in Art. 18: „(1) Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. (2) Niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde. (3) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind.“

42) Vgl. auch HERIBERT FRANZ KÖCK, Die Grundrechte im Spannungsfeld von Kirche und Staat – „Unterbelichtete“ Aspekte des Problems, in: STEPHAN HAERING/JOHANN HIRNSPERGER/GERLINDE KATZINGER/WILHELM REES (Hrsg.), In mandatis meditari. Festschrift fürHansPaarhammer zum 65. Geburtstag, Berlin 2012, 1035 ff., auf 1048 ff.

43) Vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Teil 2 EMRK: „[…] dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung“.

44) Vgl. dazu ANSGAR HENSE, Grundlinien der Kirchenfinanzierung in Deutschland. Kirchensteuer und sonstige Staatsleistungen, in: JÜRGEN ERBACHER (Hrsg.), Entweltlichung der Kirche? Die Freiburger Rede des Papstes, Freiburg-Basel-Wien 2012, 240 ff.; HARTMUT ZAPP, Römisch-katholisch in Deutschland ohne Kirchensteuer – Zum religionsrechtlichen Körperschaftsaustritt, in: DIETER BIRK/DIRK EHLERS (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen der Kirchensteuer, Baden-Baden 2012, 237 ff.

45) Vgl. Art. XIV Abs. 3 des österreichischen Konkordats von 1933: „Zur Hereinbringung von Leistungen seitens der Mitglieder von kirchlichen Verbänden wird der Kirche der staatliche Beistand gewährt, sofern diese Leistungen im Einvernehmen mit der Staatsgewalt auferlegt wurden oder aus sonstigen Titeln zu Recht bestehen.“ Das Gesetz über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, GBlÖ Nr. 543/1939, führte die Kirchensteuer in Österreich als „Ersatz“ für den vom Staat eingezogenen Religionsfonds ein. Es bestimmt in § 3 Abs. 1: „Die Kirchenbeiträge werden von den Kirchen festgesetzt und erhoben. Für die Geltendmachung des Anspruches auf Kirchenbeiträge ist der Rechtsweg zulässig.“

46) Dabei werden als Vorbilder Italien und Spanien genannt, wo der Staat eine allgemeine Kultursteuer erhebt.

47) In Italien und Spanien kann der Einzelne selbst entscheiden, für welche Zwecke er seinen Teil an der Kultursteuer verwendet haben will.. Zur Auswahl stehen neben den Kirchen auch (kirchliche und nichtkirchliche) karitative Einrichtungen (z.B. die Caritas, das Rote Kreuz) oder kulturelle Aktivitäten i.e.S. (z.B. der Denkmalschutz).

48) Dieser abwertende Ausdruck, der auf die Laien im Gegensatz zum Klerus abstellt, darf nicht mit dem Begriff des Volkes Gottes verwechselt werden, wie ihn das Zweite Vatikanum in seiner Kirchenkonstitution Lumengentium, AAS 57, 1965, 5 ff., verwendet hat und wo er alle Mitglieder der Kirche, Laien wir Kleriker, umfasst.

49) Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Teil 1 EMRK.

50) Vgl. für das 19. und frühe 20. Jahrhundert ROGER AUBERT, Der Reformkatholizismus in Deutschland, in: HUBERT JEDIN (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI: Die Kirche in der Gegenwart, Zweiter Halbband: Die Kirche zwischen Anpassung und Widerstand, Freiburg-Basel-Wien 1973, 437 ff. Für das 20. Jahrhundert sind zu nennen die liturgische Bewegung (Ildefons Herwegens, Romano Guardini, Odo Casel, Johannes Pinks, Pius Parsch, Josef Andreas Jungmann), die in der Zwischenkriegszeit die Liturgiereform des Zweiten Vatikanum vorbereitete (vgl. WALTER BIRNBAUM, Die deutsche katholische liturgische Bewegung, Tübingen 1966), und die Reformbewegungen, die durch den Reformstau in der Katholischen Kirche vor allem seit Beginn des Pontifikats Johannes Pauls II. angestoßen wurden (in Deutschland u.a. „Wir sind Kirche Deutschland“, in Österreich die Plattform „Wir sind Kirche“, die Pfarrer-Initiative, die Gruppierung „Priester ohne Amt. Priester, ihre Frauen und Kinder“, und die „Laieninitiative“, die u.a. von österreichischen Politikern [Erhard Busek, Andreas Khol und Herbert Kohlmaier] gegründet wurde. Von Seiten dieser Gruppierungen werden immer wieder Tagungen veranstaltet und Papiere und Publikationen vorgelegt, die sich mit der Verfassung der Katholischen Kirche und ihrer Demokratisierung, Fragen betreffend die Menschenrechte in der Kirche und das Verhältnis von Staat und Kirche betreffen. Ähnliche Gruppierungen existieren auch in der Schweiz. Es besteht eine Vernetzung mit vergleichbaren Bewegungen außerhalb des deutschen Sprachraums. – Die Amtskirche stand und steht solchen Bewegungen zu ihrer Zeit so gut wie immer ablehnend gegenüber. Es ist bezeichnend, dass sich unter dem Stichwort „Reformbewegungen“ in der 3. Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche nur ein Beitrag zu den kirchlichen Reformbewegungen des Mittelalters findet. Vgl. DIETER MERTENS, Reformbewegungen, II. Historisch-theologisch, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3.Aufl., Bd. 18, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1999, 950 ff. Seit der Reformation sind innerkirchliche Reformbewegungen der Amtskirche prinzipiell suspekt und kirchenspalterischer Tendenzen verdächtig.

51) Vgl. HERIBERT FRANZ KÖCK, Menschenrechte in der Kirche, in: MARTHA HEIZER/HANS PETER HURKA (Hrsg.), Mitbestimmung und Menschenrechte. Plädoyer für eine demokratische Kirchenverfassung, Kevelaer 2011, 79 ff.; HERIBERT FRANZ KÖCK, Kann es überhaupt in einer von Gott geführten Kirche demokratische Strukturen geben?, in: ibid., 107 ff.

52) Vgl. zum Folgenden auch HERIBERT FRANZ KÖCK, Die Grundrechte im Spannungsfeld von Kirche und Staat – „Unterbelichtete“ Aspekte des Problems, in: STEPHAN HAERING/JOHANN HIRNSPERGER/GERLINDE KATZINGER/WILHELM REES (Hrsg.), In mandatis meditari. Festschrift fürHansPaarhammer zum 65. Geburtstag, Berlin 2012, 1035 ff., auf 1037 ff.

53) So erklärte Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis vom 22. Mai 1994 betreffend die Ordination von Priestern, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ (Nr. 4). Der Papst erklärte, es handle sich um eine „ Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft“.

54) 1995 wurde Jacques Gaillot, Bischof der französischen Diözese Évreux, abgesetzt. Er ist Verfasser mehrerer Bücher, darunter eines mit dem Titel Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts! Erfahrungen eines Bischofs. Unter Mitarbeit von CATHERINE GUIGON, Freiburg 1990. – Zuletzt wurde 2011 William Morris, Bischof von Toowoomba (eine Diözese im Südosten Australiens), wegen seiner von Rom abweichenden Auffassungen über Frauenpriestertum und evangelischen Pastoren als Vorsteher von Eucharistiefeiern seines Amtes enthoben.

55) Der Bogen spannt sich hier vom brasilianischen Altbischof Clemente José Carlos Isnard, Verfasser des Buches Gedanken eines Bischofs zu den heutigen kirchlichen Institutionen, Gösing 2009 (deutsche Übersetzung der 2008 in Ohlo d’Agua, São Paulo, in portugiesischer Sprache erschienenen Ausgabe), bis zu Helmut Schüller,Vorsitzender der österreichischen Pfarrerinitiative und Mitverfasser deren „Aufruf zum Ungehorsam“ 2011.

56) Die wohl umfangreichsten Beiträge hat in diesem Zusammenhang der Schweizer Theologe Hans Küng vorgelegt, ein Konzilsperitus, der seit 1960 erst als Professor an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen, und, nach dem bald nach dem Amtsantritt Johannes Pauls II. erfolgten Entzug der missio canonica, als fakultätsunabhängiger Professor für Ökumenische Theologie und Direktor des Instituts für ökumenische Forschung der Universität Tübingen tätig war. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Durch ihre Interdisziplinarität decken sie nicht nur den fundamental-theologischen, sondern auch den dogmatischen Teil der Theologie (letzteren in historischer und systematischer Behandlung) ab und sind auch für das Verständnis der drei großen minitheistischen Religionen – des Judentums, des Christentums und des Islams – und ihres Verhältnisses untereinander grundlegend. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass auch in anderen Regionen wichtige Beiträge zu einer Kirchenreform geleistet wurden, die nicht ohne praktische Auswirkungen geblieben sind. – In diesem Zusammenhang sind vor allem die Vertreter der sog. Befreiungstheologie in Lateinamerika zu nennen, insbesondere Gustavo Gutiérrez, Leonardo Boff und Jon Sobrino. Ihre Ansätze wurden auf der Ebene der sog. Basisgemeinden umgesetzt. Die Maßregelung der Befreiungstheologen unter Johannes Paul II., der aufgrund seiner Vergangenheit als Bischof im kommunistischen Polen hinter jeder sozialreformerischen Bewegung marxistisches Gedankengut und eine Förderung des Kommunismus vermutete, bedeutete auch das praktische Aus für die Basisgemeinden und kostete die Katholische Kirche, die sich auf der zweiten allgemeinen lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Medellín 1968 noch als den Armen verpflichtet erklärt hatte, viel von ihrer Glaubwürdigkeit.

57) Nach HERBERT KALB/RICHARD POTZ/BRIGITTE SCHINKELE, Religionsrecht, Wien 2003, 226 ff., genießen Geistliche strafrechtlich, zivilrechtlich und wehrrechtlich eine rechtliche Sonderstellung,

58) So bestimmt Art. 5 des Reichskonkordats von 1933, dass Geistliche den gleichen Schutz des Staates wie Staatsbeamte erhalten, Art. 8, dass keine Zwangsvollstreckung in das Amtseinkommen der Geistlichen stattfindet, und Art. 9, dass geistliche Kleidung nur von Geistlichen getragen werden darf und auf unbefugtes Tragen Strafen wie beim Missbrauch militärischer Uniformen zu verhängen sind. – Entsprechende Bestimmungen finden sich in Österreich im Konkordat mit dem Heiligen Stuhl von 1933. Nach Art I § 3 steht den Geistlichen in der Erfüllung ihrer geistlichen Amtspflicht der Schutz des Staates zu. Nach Art. XXI ist der unbefugte Gebrauch des kirchlichen oder Ordensgewandes unter den gleichen Sanktionen und Strafen verboten, mit welchen der Missbrauch der militärischen Uniform verboten und bestraft wird. In entsprechender Weise bestimmt das Bundesgesetz vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche in § 10 über den Schutz geistlicher Amtskleider und Insignien, dass der unbefugte Gebrauch sowie die öffentliche Herabwürdigung von Amtskleidern und Insignien der Evangelischen Kirche, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, nach denselben Rechtsvorschriften strafbar wie der Missbrauch sowie die öffentliche Herabwürdigung der militärischen Uniformen.

59) Die Pflicht zur Loyalität trifft die Mitgliedstaaten und die Union gleichermaßen. Vgl. Art. 4 Abs. 3, Unterabsatz 1 EUV: „Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit achten und unterstützen sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben.“ Unterabsatz 2: „Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben.“ Unterabsatz 3: „Die Mitgliedstaaten unterstützen die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.“

60) So bestimmt Art. 14 Punkt 2 des (heute noch weitergeltenden) Konkordats mit dem Deutschen Reich von 1933, dass „[d]ie Bulle für die Ernennung von Erzbischöfen, Bischöfen, eines Koadjutors cum jure successionis oder eines Praelatus nullius […] erst ausgestellt [wird], nachdem der Name des dazu Ausersehenen dem Reichsstatthalter in dem zuständigen Lande mitgeteilt und festgestellt ist, dass gegen ihn Bedenken allgemein politischer Natur nicht bestehen.“ Ähnlich heißt es in Art. IV § 2 der Konkordats mit der Republik Österreich von 1933: „Bevor an die Ernennung eines residierenden Erzbischofs, eines residierenden Bischofs oder eines Koadjutors mit dem Rechte der Nachfolge wie auch dem Prälaten nullius geschritten wird, wird der Heilige Stuhl den Namen des in Aussicht Genommenen oder des Erwählten der österreichischen Bundesregierung mitteilen, um zu erfahren, ob sie Gründe allgemein politischer Natur gegen die Ernennung geltend zu machen hat.“ Vgl. auch Art. VIII § 1 des österreichischen Konkordats.

61) Vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere Johannes‘ XXIII. Enzykliken Mater et Magistra (1961) und Pacem in terris (1963). Über erstere urteilt PETER LANGHORST, Mater et Magistra, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 6, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1997, 1464 f., so: „Mit der Sozialenzyklika Mater et Magistra […] leitete Johannes XXIII. die Öffnung der Kirche zur Welt der Nachkriegsperiode ein (Aggiornamento) und vollzog einen Wandel der Sozialverkündigung vom philosophischabstrakten, am Naturrecht orientierten Argument zu konkreter soziologischer, praxisorientierter Analyse.“ Zu letzterer schreibt HANS TREMMEL, Pacem in terris, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 7, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1998, 1252 f.: „Insbesondere wegen ihrer unpolemischen, allgemeinverständlichen und optimistischen Sprache erfährt sie große Zustimmung aus unterschiedlichen Lagern.“

62) Neben dem konziliaren „Klima“ waren dafür besonders maßgeblich die Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae (vgl. oben, Anm. 6) und die Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes (1965). „In Europa wirkte Gaudium et spes vor allem befruchtend durch die Anerkennung der Autonomie der Welt und die Konzeption einer gegenseitigen Durchdringung von Kirche und Welt. In Lateiamerika wurde Gaudium et spes durch den Gedanken der Solidarität mit den Armen zum Wegbereiter der Befreiungstheologie.“ WILHELM CHRISTE, Gaudium et spes, in: WALTER KASPER (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 4, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1994, 304 f., auf 304. – In starkem Kontrast hierzu steht die Forderung Benedikts XVI. nach einer „Entweltlichung“ der Kirche, die von Kritikern teils als Strategie für das nackte Überleben der (derzeitigen Form der Papst-) Kirche, teils als Rückzug in ein konservatives Ghetto gedeutet wird. Vgl. Stefan Ruppert/Martin Valchanov, Entweltlichung als Überlebensstrategie, in: JÜRGEN ERBACHER (Hrsg.), Entweltlichung der Kirche? Die Freiburger Rede des Papstes, Freiburg-Basel-Wien 2012, 183 ff.; MICHAEL N. EBERTZ, Päpstlicher Kirchenkurs. Die Option der elitären Minorisierung, ibid., 125 ff.

63) So konnte beispielsweise Spanien dazu veranlasst werden, auf das noch von Franco in Anspruch genommene Nominationsrecht für Bischöfe zu verzichten.

64) BGBl I Nr. 66/2002.

65) § 12 Abs. 1 VerG.

66) § 5 Abs. 1 VerG. – Die Bestellung aller Vereinsorgane muss sich auf die Mitgliederversammlung zurückführen lassen, welche auch ein etwaiges Aufsichtsorgan (§4 Abs. 4) und die Rechnungsprüfer (§4 Abs. 5) bestellt.

67) § 20 Satz 1 VerG.

68) Vgl. § 21 Abs. 5 VerG.

69) Vgl. § 8 VerG.

70) Vgl. dazu die §§ 577 ff der österreichischen Zivilprozessordnung.

71) Vgl. dazu oben

72) Vgl. nochmals Art. 2 Satz 2 EUV: „Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

73) Vgl. oben, bei Anm. 65.

74) Art. 3 Abs. 1 EUV.

75) Art. 3 Abs. 2 Teil 1 EUV.

76) „[…] und wie wir‘s dann so herrlich weit gebracht“. Tatsächlich hat sich aber immer wieder gezeigt, dass Einrichtungen, die lange Zeit als selbstverständlich, ja naturgegeben hingenommen wurden (wie die Folter im Strafprozess, die Sklaverei als sozial-ökonomisches Phänomen), später als mit der Würde des Menschen unvereinbar erkannt wurden, dass Forderungen wie jene nach einem freiheitlich-demokratischen Verfassungsstaat erst gegen große Widerstände seitens des Staates (aber auch der Kirche!) durchgesetzt werden konnten. Das Gleiche gilt heute für innerkirchliche Reformbestrebungen und für Bemühungen um eine Reform des Verhältnisses von Staat und Kirche.

77) Vgl. HERIBERT FRANZ KOECK, The European Union as a Community of Values. How to find the via media between a maximalist and a minimalist approach? in: Universitatea “1 Decembrie 1918” ALBA IULIA, FACULTATEA DE DREPT ŞI ŞTIINŢE SOCIALE (Hrsg.), Doctor Honoris Causa Heribert Franz Koeck, Alba Iulia 2012, 15 ff., auf 25 ff.

78) Vgl. auch Art. 17 Abs. 2 AEUV: „Die Union achtet in gleicher Weise den Status, den weltanschauliche Gemeinschaften nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genießen.“