Linzer Verhältnisse

 

01.10.2009, Dr. Otto Friedrich

Die österreichische Diözese kommt nicht zur Ruhe

Quelle: Herder-Korrespondenz 63 (2009) 510-515 - Oktober 2009

Das bisherige Jahr 2009 war - innerkirchlich gesehen - zweifelsohne mehr als turbulent. Während in Deutschland die Auseinandersetzung um die Pius-Brüder die kirchliche Agenda bestimmte, beschäftigt sich Österreich mit seinem Spezialfall der Kirchenkrise.

Die Entwicklungen rund um die Rücknahme der Exkommunikation der vier Lefebvrianer-Bischöfe sind bei weitem nicht abgeschlossen. Hierbei erscheint - auch aus einem österreichischen kirchlichen Blickwinkel- insbesondere der Umgang Roms mit den Deutschen besonders delikat: Selten wie anderswo schien die kritische, aber letztlich romtreue Ortskirche brüskiert. Die aus der Sicht Roms unerlaubten Priesterweihen der Traditionalisten, die Ende Juni auch in Deutschland stattfanden, stellten einen folgenlosen Akt der Insubordination dar. Der kirchliche Mainstream macht in dieser Auseinandersetzung die Erfahrung seiner Ohnmacht, weil man es einerseits bei den Traditionalisten mit einer Gruppierung zu tun hat, die sich der Wahrheit sicher ist, also keinerlei Kompromisse eingehen muss. Und anderseits reagierte Rom mit keinerlei Maßnahmen gegen die "ungehorsamen" Pius-Brüder.

Die hier angerissene Perspektive dürfte sich in Österreich kaum von der in Deutschland unterscheiden. Unterschiedlich sind hier bloß die Intensität und der Fokus der Auseinandersetzung. Denn wiewohl die Pius-Bruderschaft natürlich auch in Österreich aktiv ist, war, anders als in Deutschland, die unmittelbare kirchenpolitische Auseinandersetzung hierzulande nur kurz das beherrschende Thema. Weder exponierten sich Bischöfe explizit gegen Aktivitäten der Lefebvrianer in Österreich, noch griff die Pius-Bruderschaft ihrerseits die katholischen Repräsentanten des Landes an.

Dafür mag es verschiedene Gründe geben. Klar ist aber, dass die inneren Wirren der katholischen Kirche in Österreich in den letzten 25 Jahren inhaltlich und atmosphärisch durchaus den Auseinandersetzungen um die Pius-Brüder in Deutschland gleichen. Im Ton und in ihrer Impertinenz wie in der Argumentation klingt vieles, was sich etwa deutsche Hirten zurzeit von den Pius-Brüdern anhören müssen, österreichischen Ohren altbekannt. Der Unterschied: In Österreich agierten die extremen Katholiken nicht außerhalb der Kirche - wie bislang die Pius-Brüder - sondern gerierten sich als "wahre" Gläubige innerhalb des katholischen Spektrums.

So mag es vielleicht zeitlich ein Zufall sein, inhaltlich fügt sich die diesjährige Causa Prima der österreichischen Kirche nahtlos ins Szenario, das rund um die Exkommunikation der Pius-Brüder in Deutschland so augenfällig wurde: Der "Fall Wagner", also der Aufstieg und Abstieg des verhinderten Weihbischofs von Linz, der unter anderem eine doch außergewöhnliche Rom-Schelte durch die österreichischen Bischöfe beinhaltete, ist ohne diese innere Verbindung zur Causa der Pius-Brüder nicht zu verstehen.

Eine Frucht langjähriger Entwicklungen

Gleichzeitig wurzeln die Vorgänge in der Diözese Linz in Entwicklungen, die bis in die unmittelbare Nachkriegsgeschichte des österreichischen Katholizismus reichen: Österreichs katholische Kirche emanzipierte sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg von ihrer allzu großen Nähe zu einer politischen Partei. Nach dem Krieg setzten die Bischöfe nicht - wie in Deutschland - auf das traditionelle katholische Verbandswesen, sondern optierten für das Modell der Katholischen Aktion: Für jedes Lebensalter und jeden Stand sollten in den Pfarren Gruppen der Katholischen Aktion gebildet werden, die dann auch diözesan und bundesweit organisiert wurden - und zwar "unter der Oberleitung der Bischöfe". Dieses Konzept gemahnte an einen Rückgriff auf eine (berufs- )ständische Verfasstheit, Kritiker sahen darin gar eine Fortsetzung des faschistischen Gesellschaftsmodells. In der Praxis erwies sich das flächendeckende Modell der Katholischen Aktion aber bestenfalls als Versuch der Bischöfe, das kirchliche sowie das daraus resultierende gesellschaftspolitische Engagement der Laien unter ihre Fittiche zu nehmen.

Durch die handelnden Personen bedingt geriet dieses Konzept aber zum Träger des kirchlichen Aufbruchs rund um das Zweite Vatikanum. Dieser konziliare Aufbruch wurde in Österreich in wesentlichen Teilen durch die Katholische Aktion getragen und geprägt und führte in Folge zu deren Emanzipation zu einer selbstbewussten Laienbewegung. In den letzten 25 Jahren, in denen der weltoffene Kirchenkurs in Österreich nicht zuletzt durch konservative Bischofsernennungen beendet wurde, kam auch die Katholische Aktion in die Krise, in einigen Diözesen ist sie heute bloß noch rudimentär vorhanden, auch als gesamtösterreichische Stimme ist sie selten zu hören, obwohl ihre Teile, etwa die Katholische Frauenbewegung oder die Kinderorganisation Katholische Jungschar, nach wie vor zu den größten katholischen Laienorganisationen im Land zählen.

Lautstarke Minderheit vom äußeren Rand des konservativen Spektrums

In der Diözese Linz, deren Gebiet das gesamte Bundesland Oberösterreich umfasst, ist dem gegen-über die Katholische Aktion nach wie vor ein bestimmender Faktor im kirchlichen Leben. Nachdem unter Bischof Franz Zauner (1955 bis 1980) die Strukturen der Katholischen Aktion in der Diözese aufgebaut worden waren, blieb die Katholische Aktion dort bis zum heutigen Tag eines der strukturellen Standbeine der katholischen Kirche - insbesondere in den Jahren nach dem Konzil, in denen die Diözese als besonders engagiert in der Umsetzung der Aufbrüche anzusehen war.

Gleichzeitig artikulierte sich gerade in Linz eine kleine, aber lautstarke Minderheit vom äußeren Rand des konservativen Spektrums, die sich als effektive Lobby in Rom entpuppte. Auch der Name eines oberösterreichischen Priesters, der in Süddeutschland als Philosophieprofessor lehrte, tauchte in diesem Zusammenhang wiederholt auf: Kurt Krenn.

Angesichts der haarsträubenden Zustände in Österreichs katholischer Kirche sei eine Kurskorrektur dringend nötig - so der Duktus der eben auch nach Rom übermittelten konservativen Einschätzungen. Als 1980 in Linz Bischof Zauners Emeritierung anstand, galt es, das Avancement seines Weihbischofs Alois Wagner zum Linzer Bischof zu verhindern. Wagner hatte unter anderem die Implementierung des Zweiten Vatikanischen Konzils bei der Linzer Diözesansynode von 1970 bis 1972 vorangetrieben und galt den Konservativen als unverbesserlicher Liberaler (wie so oft stimmte diese Charakteristik nicht).

Die Verhinderung gelang: Alois Wagner wurde Ende 1981 auf einen Kurienposten in Rom weggelobt. Es soll Kardinal Franz Königs persönlichem Eingreifen zu verdanken sein, dass nicht schon 1981 Krenn, die spätere konservative Speerspitze in Österreichs Episkopat, in Linz zum Zug kam. Stattdessen wurde der Benediktinerabt Maximilian Aichern neuer Bischof von Oberösterreich.

Sollte diese Bestellung der erste Versuch der Kirchenkurskorrektur von oben gewesen sein, so ging dieser gründlich daneben: Aichern - kein konservativer Hardliner - wurde schnell ein äußerst populärer Hirte, der sich insbesondere dem fruchtbaren Miteinander von Laien und Priestern verschrieben hatte. Er lernte die Arbeitsweise der Katholischen Aktion in seiner Diözese schätzen und förderte sie nach Kräften - auch in der Bischofskonferenz war er für die Belange des Laienapostolats und der Katholischen Aktion zuständig. Außerdem nutzte er das Kirchenrecht, um in Zeiten des Priestermangels in seiner Diözese eine qualitativ gute Seelsorge zu gewährleisten: So ermöglichte er etwa, eine kirchenrechtliche Sonderbestimmung nützend, dass Pastoralassistenten in Ausnahmefäl-len die Taufe spenden durften.

Linz eine der aktivsten Diözesen in Österreich

Doch unabhängig davon, dass Linz eine der aktivsten Diözesen in Österreich war (und immer noch ist), brach die Polarisierung zwischen der breiten Mehrheit der Diözesanen und einer Minderheit von "Extremkatholiken" immer wieder auf. Die gar nicht heimlichen Denunziationen in Rom und oft wortgewaltigen Angriffe entsprechen in Duktus und Stil dem, was auch zum Repertoire der Pius-Brüder gehört, wenn es darum geht, das "wahre Christentum" vor den durchs Konzil Verblendeten hochzuhalten.

Die konservativen Kritiker sammelten sich unter anderem rund um die Zeitschrift "Der 13.", nach dem Aufkommen des Internet begann die Webseite "kath.net" die Anwürfe fortzusetzen und zu agitieren - auch mehr oder weniger unverblümt für eine Abberufung von Bischof Aichern.

Zum wichtigen Player der konservativen Lobby im gesamten süddeutschen Raum wurde der Linzer Priesterkreis. Diesem vom oberösterreichischen Pfarrer Franz Breid in den achtziger Jahren gegründeten Zusammenschluss gelang es auch, ein entsprechendes Standing im Vatikan zu erreichen. Bei den jährlichen Sommerakademien des Linzer Priesterkreises waren - bis zu seinem Tod 2005 unter den Fittichen des Theologen und späteren Kardinals Leo Scheffczyk - prominente konservative Theologen, aber auch Kurienkardinäle gern gesehene Referenten. 2005 sollte Joseph Ratzinger als Referent zur Sommerakademie kommen; er kam dann doch nicht - weil er Papst geworden war. Auch Gerhard Maria Wagner, Pfarrer von Windischgarsten im Süden der Diözese Linz, ist ein Mitglied des Linzer Priesterkreises.

Im österreichischen Episkopat, in dem seit den einschlägigen Bischofsernennungen in den achtziger und neunziger Jahren die Konservativen den Ton angaben - von "moderat" agierenden wie dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn bis zum rabiaten Katholizismus des langjährigen Bischofs von St. Pölten (1991 bis 2004), Kurt Krenn, wurden die Vorgänge in Linz mit Missmut betrachtet.

Es machte das Wort von den "Linzer Verhältnissen" die Runde, gemeint war damit, dass die Diözesanleitung viel zuviel habe gewähren lassen. Die Laien seien zu selbständig und kümmerten sich zu wenig um gesamtkirchliche oder römische Vorgaben. Auch die Vorgänge um die Weihe von "Pries-terinnen" im Jahr 2004 galten den konservativen Kritikern als weiterer Beweis für die "Linzer Zustände", obwohl sie bestenfalls mittelbar mit der Lage der Diözese zu tun hatte.

Die Oberösterreicherin Christine Mayr-Lumetzberger, eine ehemalige Ordensfrau, hatte Ende der neunziger Jahre mit einigen Mitstreiterinnen einen Vorbereitungskurs zum Diakonat entwickelt, um "bereit" zu sein, wenn Frauen die Diakonatsweihe erlaubt werden würde. Als auch Mayr-Lumetz-berger zur Kenntnis nehmen musste, dass in der katholischen Kirche in absehbarer Zeit Frauen nicht zum Diakonat zugelassen werden würden, ließ sie sich im Sommer 2002 mit einigen anderen Frauen und unter einigem Medienecho auf einem Donauschiff, das von Passau nach Linz fuhr, zur Priesterin weihen. Als Weihespender fungierte ein lateinamerikanischer, angeblich in der apostolischen Sukzession stehender Vagantenbischof. Die Exkommunikation der Priesterinnen folgte auf dem Fuß. Ein Jahr später ließ sich Mayr-Lumetzberger - diesmal weitgehend ohne mediale Beachtung gar zur "Bischöfin" weihen.

Aichern reichte zwei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze den Rücktritt ein

Auch diese Vorgänge wurden Bischof Maximilian Aichern angekreidet. Von den vielen Anwürfen der Konservativen, aber auch von der mangelnden Unterstützung seiner Mitbrüder im Episkopat zermürbt, reichte Aichern 2005, zwei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze, den Rücktritt ein. So folgte die erste Bischofsernennung des neuen Papstes im deutschen Sprachraum: Benedikt XVI. machte den damaligen Wiener Weihbischof Ludwig Schwarz zum neuen Linzer Hirten. Die Ernennung stieß auf keinen Widerstand; Schwarz galt als unauffälliger Konservativer, der bis dahin weder als Kirchenpolitiker noch als Intellektueller in Erscheinung getreten war. Die ersten Entscheidungen des neuen Bischofs ließen denn auf eine nuancierte Fortführung des offenen Kirchenkurses hoffen. Die Ernennung des um Ausgleich bemühten Kirchenrechtlers Severin Lederhilger zum Generalvikar passte in diese Linie.

Aber die Amtszeit von Bischof Ludwig Schwarz stand und steht unter keinem guten Stern. Denn die dem Bischof gestellte Aufgabe war es offensichtlich doch, die "Linzer Verhältnisse" zu bereinigen - und in den Medien der konservativen Minderheit, nicht zuletzt auf der Webseite "kath.net" stand tagtäglich nachzulesen, wie arg es um die Diözese nach wie vor bestellt sei. Schwarz versuchte, die Predigt von Laien in Gottesdiensten zu unterbinden und stellte die oben erwähnte Praxis von Taufspendungen durch Pastoralassistenten ein.

Das löste bei vielen an der pastoralen Basis Widerstand aus. Ganze Pfarrgemeinderäte protestierten und sprachen sich im gleichen Atemzug für die Abschaffung des Pflichtzölibats aus. Auch andere Vorkommnisse machten Schwarz zu schaffen: So ließ im Frühling 2006 der einzige Linzer Priesterkandidat in einer Wiener Tageszeitung mit romkritischen Äußerungen aufhorchen. Bischof Schwarz sagte daraufhin die Priesterweihe ab - und holte sie aber im Herbst 2006 nach. Ersteres erboste die Liberalen, die doch erfolgte Weihe erregte die Konservativen, die den Jungpriester zu einem Papstfeind hochstilisierten. Der Ton der Auseinadersetzung wurde heftiger, eine Linzer "Gebetsinitiative Kirchentreu" - eifrig unterstützt von "kath.net" - rief etwa zu einem Kirchensteuer- Boykott auf.

Fatale Bitte um einen Weihbischof

Die skizzierten Schwierigkeiten ließen Bischof Ludwig Schwarz in Rom um einen Weihbischof bitten. Das Verfahren dauerte unüblich lange, bis am 31. Januar 2009 dann Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof ernannt wurde. Ein Aufschrei ging durch die Diözese, war Wagner doch als ein Exponent des Linzer Priesterkreises als Speerspitze des konservativen Widerstandes gegen die Linzer Kirchenlinie längst notorisch. So war Wagner auch 2001 dadurch aufgefallen, dass er die Harry Potter-Romane in die Nähe des Satanismus gerückt hatte. Und die Verwüstungen der Stadt New Orleans durch den Hurrikan Katrina im Jahr 2005 hatte er als Strafe Gottes qualifiziert, die über eine Stadt mit vielen Bordellen und Abtreibungskliniken gekommen sei.

In den Tagen nach der Bischofsernennung bekräftigte Wagner in Interviews seine dualistische und vormoderne Welt- und Kirchensicht. Die kirchlichen Proteste in der Diözese spannten sich von den Dechanten und der - siehe oben - in Linz nach wie vor stark präsenten Katholischen Aktion bis zu den Kirchenvolks- Begehren, sogar der oberösterreichische Landeshauptmann (und ehemalige Religionslehrer) Josef Pühringer reihte sich in die Kritikerschar ein.

Die Ernennung war offensichtlich am österreichischen Episkopat vorbeigegangen. Beobachter führen die Vorgänge unter anderem darauf zurück, dass in der Wiener Nuntiatur ein Interregnum herrschte; der scheidende Nuntius Edmond Farhat bereitete um den Jahreswechsel sein Weggehen vor, sein Nachfolger war noch nicht ernannt.

Während in Deutschland die Begnadigung der Pius-Brüder hohe Wellen schlug, schäumte das katholische Österreich über die Linzer Weihbischofsernennung. Dem Ernannten wurde nach einigen Tagen von den anderen Bischöfen nahegelegt, sich öffentlicher Äußerungen zu enthalten, gleichwohl kam es in der ersten Februarhälfte zu einem rasanten Anstieg der Kirchenaustritte. Man fühlte sich an die Zeiten der Affären rund um den Wiener Kardinal Hans Hermann Groër in den Jahren von 1995 bis 1998 erinnert. Auch damals kam es zu Austrittswellen aus der katholischen Kirche. Diese brachte 1998 die Bischöfe zu einem Paukenschlag: Vier Bischöfe bestätigten, dass sie die Vorwürfe sexueller Verfehlungen und des Missbrauchs gegen Groër für zutreffend hielten. Nun stand 2009 stand ein vergleichbarer Paukenschlag an: Für den 16. Februar wurde eine außerordentliche Sitzung der Bischofskonferenz anberaumt.

Der Rücktritt des designierten Weihbischofs Gerhard Maria Wagner

Doch tags zuvor sorgte der designierte Weihbischof seinerseits für einen Paukenschlag, indem er erklärte, er habe den Papst um die Rücknahme der Ernennung gebeten. Dieser Vorgang rückte die Bischöfe einen Moment lang aus dem Rampenlicht.

Bei ihrer Zusammenkunft beschlossen diese einen Hirtenbrief, in dem zum einem zum Fall der Pius-Brüder und der Shoa-Leugnung durch den Lefebvrianer-Bischof Richard Williamson Stellung genommen wird. In Bezug auf die Causa Wagner aber stellt das Dokument eine bislang ungekannte Rom-Schelte durch den österreichischen Episkopat dar: Das übliche Verfahren sei bei dieser Bischofsbestellung nicht eingehalten worden. Und Bischöfe sollten nicht "gegen", sondern "für" eine Ortskirche ernannt werden. So die beredte Klage der Bischöfe. Rom selber nahm erst am 2. März Wagners Rücktritt an.

Für die Bischöfe schien die Causa nun beendet. Bei der Frühjahrsession der Bischofskonferenz wenige Wochen später gab es keine Stellungnahmen zu Linz mehr. Die Diözese Linz kam derweil dennoch nicht zur Ruhe. Der als Flüchtlingshelfer populäre oberösterreichische Pfarrer Josef Friedl hatte sich während einer Podiumsdiskussion zur Beziehung zu einer Frau bekannt. Bischof Ludwig Schwarz enthob Friedl daraufhin als Dechant, beließ ihn aber an seiner Pfarrerstelle. Auch diese Vorgangsweise befriedigte weder die Konservativen, die eine Suspendierung forderten, noch die Liberalen.

Mitte Juni fuhren dann Bischof Ludwig Schwarz, Kardinal Schönborn sowie zwei weitere Bischöfe nach Rom, um über die Linzer Vorgänge zu beraten - mehrmals trafen sie mit Benedikt XVI. zusammen. Die Öffentlichkeit wurde darüber lediglich in einem Kommunique informiert: Es sei über "Fragen bezüglich der Situation des Klerus der Laien der Priesterseminare und der Theologischen Fakultäten in Linz und in den anderen Diözesen Österreichs" beraten worden. Unter anderem legte Bischof Schwarz ein Schreiben von Pfarrer Friedl vor, in dem dieser bekräftigte, wieder zur zölibatären Lebensweise zurückgekehrt zu sein. Solches erklärte Schwarz in einer Pressekonferenz nach seiner Rückkehr aus Rom. Pfarrer Friedl bestritt hingegen, eine derartige Erklärung unterzeichnet zu haben.

Nur halbe Versöhnung

Bischof Schwarz hatte schließlich für den 21. Juni zu einem Versöhnungsgottesdienst in den Linzer Dom geladen, um gemeinsam mit allen Konfliktparteien zu beten. Auch dieses Unterfangen blieb mäßig erfolgreich: Weder der verhinderte Weihbischof Wagner noch Pfarrer Friedl nahmen am Gottesdienst teil. Die Konservativen hatten inzwischen den nächsten "Liturgieskandal" ausgemacht: Bei einer Fronleichnamsprozession in Linz war speziell gebackenes Fladenbrot verwendet und in einer dafür eigens gestalteten Monstranz herumgetragen worden ...

Schwarz kündigte an, im Herbst wieder um einen Weihbischof zu bitten. Im Juli löste er mit einer Personalentscheidung Empörung aus: Er entließ seinen Pressesprecher Ferdinand Kaineder, der zu einer der liebsten Zielscheiben der konservativen Kritiker geworden war. Von vielen wurde diese bischöfliche Maßnahme als Bauernopfer empfunden.

So kommt die Diözese Linz weiter nicht zur Ruhe. Ein Exempel für die österreichische Kirchenlage, das insofern aufhorchen lässt, als "in Oberösterreich die Zahl der Praktizierenden erstaunlich hoch im Vergleich zum Rest von Österreich" ist, wie selbst Kardinal Schönborn am Rand des Rombesuchs im Juni verlauten ließ.

Otto Friedrich

Dr. Otto Friedrich (geb. 1959) ist seit 1997 Leiter der Ressorts "Religion", "Medien" und "Film" bei der österreichischen Wochenzeitung "Die Furche".