Seltsames Spiel um Erzbischof Róbert Bezák

13.07.2012, Peter Žaloudek

Der Vatikan und seinen übertreuen Anhängern in der Slowakei

Am 1. Juli 2012 verlas Erzbischof Róbert Bezák in seiner Kathedrale des hl. Johannes Täufers in Trnava zwei Briefe des Apostolischen Nuntius für die Slowakei, Mario Giordano, durch welche er vom Amt des Erzbischofs abgerufen wurde. Im ersten Brief hieß es “er, Bezák, solle selber zurücktreten”. Weil er es aber nicht getan hat, bekam er einen zweiten Brief, in dem ihm mitgeteilt wird, dass er am Montag, 2. Juli 2012 seines Amtes enthoben wird.

Nach dieser Mitteilung gab es einen riesigen Applaus, sogar eine Art von standing ovations für den Erzbischof, zugleich aber auch eine Empörung und einige hunderte Menschen starteten sofort eine Unterschriftenaktion für Bezák.

Diese Nachricht explodierte wie eine Bombe. Bezák wurde erst vor drei Jahren zum Bischof von Trnava ernannt und ist wegen seiner unkomplizierten, menschenfreundlichen Art sofort zum “Liebling der Nation” geworden. Er scheute sich nicht, in der populären TV – Sendung Lampa – moderiert durch den bekannten Journalisten Štefan Hríb – aufzutreten, um dort offen und aufrichtig über sogenannte Tabu-Themen zu sprechen. Seine sympathische Art, sich auch zu komplizierten Fragen der slowakischen Vergangenheit zu äußern, nicht auszuweichen oder – wie die meisten anderen Bischöfe - zu diplomatisch zu sein, hat ihm in der breiten Öffentlichkeit große Zustimmung gebracht. Nach den langen Jahren des Kommunismus, wo es an guten, klugen und charaktervollen Persönlichkeiten auf den Bischofstühlen fehlte, aber auch nach der fast 23-jährigen postkommunistischen Periode, in der es zwar genügend Bischöfe im ganzen Land gab, unter ihnen aber keine auffallende Persönlichkeit, bekam die Slowakei nun einen Bischof, wie man ihn sich in jeder Diözese wünschen würde: einen, der zuhören kann, der nicht moralisiert, der es aus eigenen Kraft schafft junge Menschen zu begeistern, der lächelt, und auf einer tief menschlichen Basis fähig ist, Leute über die Wahrheit des Evangeliums zu inspirieren.

Zugleich war er aber auch ein Bischof, der sich nicht scheute, klare Worte zu bestimmten Themen zu sagen. Etwa zu seinem mehr als umstrittenen Vorgänger Jan Sokol. Sokol war der letzte Bischof, der noch zu Zeiten des Kommunismus ernannt wurde. Viele meinten, dass er unter “normalen Umständen” nie Bischof geworden wäre. Er war halt ein Mann des Kompromisses, weil die damalige kommunistische Regierung ihr Einverständnis zu seiner Ernennung gab. Dies musste seine Gründe haben. Später hat man ihm sogar Zusammenarbeit mit der damaligen Geheimpolizei vorgeworfen – und wahrscheinlich nicht ohne Grund. Zudem galt Sokol als Anhänger von Josef Tiso, eines Priesters und Präsidenten zur Zeit Hitlers, als die Slowakei ein Satellitenstaat Deutschlands war. Tausende und Abertausende Juden wurden aus der Slowakei in Konzentrationslager abtransportiert. Tiso wusste es und fiel deswegen bei allen demokratisch denkenden Menschen in Ungnade. Nicht aber bei Sokol! Für ihn war er ein Held und Opfer des II. Weltkrieges. Und noch eine schwere Last hängt auf Sokols Schulter: Veruntreuung von Millionen von Kronen! Verschwunden auf geheimen Konten, ohne Rechnungen, ohne Beweise. Es war keine leichte Aufgabe für Bezák, auf Sokols Stuhl zu steigen. Es wäre für niemanden leicht, der die Grundprinzipien der Anständigkeit vertritt. Daher musste sich Bezák von vielem, was sein Vorgänger getan hatte, distanzieren.

Beides – seine Menschenfreundlichkeit und Begeisterung für das Evangelium sowie seine Distanzierung von seinem Vorgänger wurden ihm offenbar zum Verhängnis. Es gab - und gibt - Menschen in der Slowakei, die besser wissen, was katholisch heißt; daher haben sie unermüdlich Berichte über Bezák nach Rom geschickt, bis sich „der Heilige Vater traurig über die Situation zeigte und nach langem Überlegen und intensiven Gebet entschied – zum Wohle der Kirche – Eure Exzellenz zu bitten, abzutreten” hieß es in der Formulierung des Apostolischen Nuntius.

Bischof Bezák kannte und kennt weder die Argumente für seine Abberufung noch darf er über sie öffentlich reden.

Die Situation eskalierte immer mehr und man dachte, dass auch die kleine, bis jetzt so katholische Slowakei auf die Barrikaden geht und den beliebten, abberufenen Bischof verteidigen würde. Bis 10. Juli 2012 hat es zumindest so ausgeschaut: eine kleine Gruppe des engen Freundeskreises Bezáks organisierte eine Art “Demonstration” (Konzert) für Róbert Bezák in Bratislava am Hauptplatz – Hlavné námestie. Sogar die Konferenz der Bischöfe bekam im letzten Moment panische Angst und reagierte prompt – als Gegenmaßnahme – mit einer schriftlichen Erklärung, die über die Medien verbreitet wurde: “Die Konferenz der Bischöfe der Slowakei akzeptiert die Entscheidung des Heiligen Vaters mit Respekt und mit dem Gehorsam eines Sohnes (Kindesgehorsam – ein slowakischer Ausdruck: synovská oddanosť otcovi – dem Vater gegenüber – in diesem Fall: dem Heiligen Vater gegenüber). Wir, die Bischöfe der katholischen Kirche in der Slowakei, einer Kirche die so verletzt wird, die aber auch in den schwierigen Momenten unserer Geschichte treu dem Heiligen Vater und der Lehre der Kirche diente, wenden uns mit einem akuten Aufruf an alle, damit sie mit Respekt und Vertrauen die Entscheidung des Heiligen Vaters annehmen.”
(KBS, 9. Juli 2012 – Konferenz der slowakischen Bischöfe)

Trotz aller Gegenmaßnahmen seitens der Hierarchie kam es zur Veranstaltung. Auf dem Hauptplatz versammelte sich eine Gruppe von mehr als tausend Menschen. Es kamen einige bekannte Journalisten, Fernsehteams, Sänger und Schauspieler, es moderierte eine sympathische, in der Slowakei populäre Journalistin. “Wir wollen uns bei Bischof Bezák bedanken” - lauteten ihre Worte. Die Veranstaltung gestaltete sich friedlich, hatte aber das Motto: Lob für Bezák, Treue zum Papst. Wer schärfere und klare Worte zu der beispiellosen Art der Abberufung von Bezák erwartete – wurde enttäuscht. In der Vergangenheit wurden tausende Fälle vom sexuellen Missbrauch an jungen Menschen, verursacht durch Priester, vertuscht und unter den Teppich gekehrt. Bischöfe versetzten ganz still die Täter in andere Pfarren oder in Klöster. Kein Priester, kein Bischof wurde jemals verurteilt oder abberufen. Aber jetzt wurde ohne irgendeine Erklärung ein beliebter Bischof mit sofortiger Wirkung abberufen – soll man anlässlich dieser Tat schweigen oder sie “fromm und demütig” einfach akzeptieren?

Bevor ich meinen Kommentar abgebe, zwei Reaktionen von der Veranstaltung: Marcel Kovaľ, ein Priester aus dem Orden der Redemptoristen:

“Róbert Bezák ist ein Mensch, der jetzt ganz “nackt” vor der ganzen Welt steht. Seitdem er mich in den Orden der Redemptoristen aufnahm, kann ich nur eines sagen: Er ist ein Mensch, der den größten Respekt verdient. Ich kenne ihn seit 20 Jahren. Er ist immer noch ein Mensch mit einem freiem Geist und zugleich sehr demütig.”

Der bekannte römisch - katholische Priester und ehemalige politische Gefangene Anton Srholec hat die ganze slowakische Bischofskonferenz aufgerufen: “Es ist die Zeit gekommen, dass auch unter Euch jemand die Stimme erhebt und sagt: Wir haben ja doch gemeinsam am Tisch gesessen und gegessen, wir haben gegenseitig die Hände ausgestreckt, wir kennen uns lange und gut. Wir haben ein Recht zu wissen was passiert ist, warum er nicht mehr Erzbischof sein darf!”

Daniel Pastyrčák, Prediger einer protestantischen Kirche: “Die Kirche hat ein menschliches Gesicht bekommen. Für einen Bischof ist nicht nur wichtig, wie ihn seine eigenen Glaubensbrüder sehen, sondern was er für alle Menschen seines Landes bedeute. Er sollte ein Brückenbauer im ganzen Land sein. Bezák konnte es, weil er authentisch und glaubwürdig war. Vielleicht war er gerade deswegen ein Störfaktor und musste weg...”

Mein Kommentar:

Die Abberufung von Bezák kam unerwartet, blitzschnell: Wie wenn er ein Verbrecher wäre, muss er binnen 30 Tagen das Territorium der Erzdiözese Trnava verlassen. Am 2. Juli haben die slowakischen Medien mit dieser Aberufung von Bezák auch die Ernennung Erzbischofs Zvolensky von Bratislava zum Kardinal angekündigt.

Der erste genannte – Bezák – muss seinen Koffer packen, weil er es sich erlaubte, er selber zu sein. Er packt aber nicht nur den Koffer. Er muss jetzt auch das “Maul” halten, er darf nicht auffallen, er muss sich verstecken, er darf nicht reden. Sonst bestünde Gefahr, dass er etwas sagt, was die “katholische Kirche” nicht erlaubt.

Der zweite genannte – Zvolensky – wird jetzt dafür belohnt, dass er es sich erlaubt hat – nicht er selber zu sein – mit anderen Worten: er macht das “Maul zu”, er fällt nicht auf, er redet nicht viel. Dafür ehrt man ihn jetzt mit dem Kardinalspurpur. Ja, das ist wahrscheinlich das, was man in der Slowakei am meisten braucht: servile Menschen, die keine eigene Meinung haben, die jederzeit, wenn es die Obrigkeit befiehlt, in die eigene Hose machen.

Für mich zählt Bezáks Absetzung zu den traurigsten Erlebnissen der letzten Jahre. Die Slowakei braucht dringend einen Helmut Schüller – einen intelligenten, charaktervollen Priester, dem es nicht um sich selbst geht, sondern der mit dem Beruf, den er gewählt hat, auch den anderen dient. Aber die Slowakei verdient nicht so einen Priester. Wenn ich an Helmut Schüller und viele andere österreichischen Priester denke, dann ist mir klar, wie man aus so einem geschlossenen Kreis der Hierarchie entkommen kann. Diese Machtstruktur gleicht einer “verrosteten Kette”. Man muss sie endlich zerreißen. So lange die Glieder der Kette zusammenhalten, hält auch die Kette. In dem Moment, wo ein Glied bricht, wird auch die Kette funktionsunfähig. Es ist schön zu sehen, wie die Menschen Bezák applaudierten, klatschten, ihn lobten. So lange er aber nicht selber aufsteht und sagt was eigentlich geschah, was ihm vorgeworfen oder von ihm verlangt wurde – so lange hält die verrostete Kette. So lange wir uns durch Angst kontrollieren lassen, sind wir nicht frei und nicht erwachsen.

Ich erwarte eine klare, einfache Erklärung von Bezák. Erst dann kommen wir weiter.

Peter Žaloudek, Wien, 12.7.2012

Medienberichte zur Absetzung von Erzbischof Róbert Bezák. Zusammengestellt von Friedrich Griess:

Spekulationen um Zusammenhang mit Vorwürfen gegen Alterzbischof von Trnava, Jan Sokol.

Papst setzt slowakischen Erzbischof ab, berichtet Der Spiegel am 2. Juli 2012

Es ist eine seltene Machtdemonstration von Papst Benedikt XVI.: Überraschend hat er den Erzbischof von Trnava, Róbert Bezák, abgesetzt. In der Slowakei ist die Empörung groß, Intellektuelle und Politiker protestieren gegen die Entscheidung.

Slowakei: Proteste nach Abberufung von Erzbischof, berichtet DER STANDARD am 3. Juli 2012

Die am Montag durch Papst Benedikt XVI verfügte Absetzung des slowakischen Erzbischofs Róbert Bezák hat zu Unruhe unter Katholiken und politischen Vertretern in dem Karpatenland geführt.

Der Bischof, der sich Feinde machte, titelt DER STANDARD am 5. Juli 2012

Der slowakische Erzbischof Róbert Bezák wurde vom Papst abgesetzt - In der Slowakei regt sich Widerstand - Bislang hat der Vatikan seine Gründe nicht genannt, und Bezák gilt gerade als einer, der Transparenz, auch in der Finanzgebarung, einforderte.

Der Vatikan wird düsterer und autoritärer, stellt Gerfried Sperl am 8. Juli 2012 im STANDARD fest:


Zitat: "Konsequent im Sinne des Trends gegen jede Form der Aufklärung scheint die Entfernung eines slowakischen Bischofs zu sein. Der erst 52-jährige Oberhirte von Trnava, Róbert Bezák, wurde vom Papst ohne Angabe von Gründen abgesetzt. Die einen sagen, er habe die Finanzen seines Vorgängers einer Untersuchung unterziehen wollen, die anderen behaupten, der Redemptoristenpater Bezák sei Erneuerungsbewegungen à la Pfarrerinitiative in Österreich zu nahe gestanden."

Slowakische Bischofskonferenz nahm zur Abberufung Róbert Bezáks als Erzbischof von Trnava Stellung

Slowakei: Vatikan verteidigt Erzbischof-Absetzung, zitiert Die Presse eine APA-Bericht am 11. Juli 2012:

Der abgesetzte Erzbischof von Trnava habe die Schweigepflicht und das "päpstliche Geheimnis" nicht gehalten, sagt der Vertreter des Vatikan in Bratislava.

Real war on religion and a ticking Vatican PR bomb, titelt der National Catholik Reporter

Unter anderem: On July 2, Archbishop Róbert Bezák of Trnava, the traditional cradle of the faith in this overwhelmingly Catholic nation of 5.4 million, was deposed by Pope Benedict XVI. The Vatican offered no explanation for the move, which followed an investigation on the pope's behalf by a Czech

Wolfgang Bergmann schreibt in seinem Blog am 16. Juli 2012:

Recht auf Information als "irrige Ansicht": DER STANDARD