Wir sind weder dumm noch unwissend ...

 

03.07.2013, Angelika Fromm

Frühjahrsbischofskonferenz und Diakonat der Frau, von M. Angelika Fromm im Juni 2013

Zum zweiten Mal hat sich die deutsche Bischofskonferenz im diesjährigen Februar dem Thema „Frau“ zugewandt. Zur Erinnerung, damals - 1981 - wollten die Bischöfe in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Mann und Frau für die Gesellschaft ein Vorbild sein. Und nun, 30 Jahre später, zeichnet sich die röm-kath. Kirche noch immer durch Geschlechterapartheit aus, während unsere Gesellschaft über Quoten und Aufstiegschancen von Frauen diskutiert.

In einer aktuellen Mitteilung der DBK heißt es: „Hinsichtlich der Ausbildung jener Personen, die Stellen auf oberer und mittlerer Leitungsebene der Generalvikariate/Ordinariate besetzen, kann gesagt werden, dass auf beiden Ebenen ... die Frauen mit theologischer Expertise den kleinsten Anteil unter den Personen [ausmachen]“. Wen wundert ́s? Und bei dieser Auswertung geht es zunächst nicht mal ums Weiheamt, an dem sowieso die entscheidenden Positionen hängen.

Kardinal Lehmann sagte in seiner Predigt am Mittwochmorgen als Einleitung zu diesem Studientag: „... sondern sie [die Frau] ist von Gott her in ebenbürtiger Weise Person wie der Mann. Nicht jede Zeit hat sorgfältig auf diesen Sinn der Schöpfungserzählung gehört und sie auch im Blick auf die gesellschaftliche Stellung der Frau befolgt. Auch wir können hier immer noch viel lernen...“. Ähnliche Worte haben wir schon viele gehört, doch wann endlich setzt dieser Lernprozess denn konkret ein?

Hat nicht schon die Würzburger Synode vor über 40 Jahren in Rom ein Votum abgegeben, das Diakonat der Frau einzuführen? Und jetzt sprechen die Bischöfe wieder davon. Erzbischof Zollitsch, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, beschreibt nach der Tagung ein „spezifisches“ Diakoninnenamt. Aber was er unter „spezifisch“ versteht, sagt er nicht. Der Verdacht drängt sich auf, dass man(n) nicht müde wird, spezielle Formulierungen zu finden, um es beim „status quo“ der Unterordnung zu belassen. Leider hat die Presse sich auch verwirren lassen und oft ungenau berichtet; auch die Allgemeinheit glaubte danach zunächst, es handle sich wirklich ums Weihediakonat und nicht um ein Sonderamt. Warum?

Auf dieser Frühjahrskonferenz der Bischöfe in Trier hat Kardinal Walter Kasper - als Vertreter der Kurie - von der Idee gesprochen, ein neues Amt mit eigenem Profil zu schaffen. Eine solche „Gemeindediakonin“ soll aber ausdrücklich „keine Funktion am Altar“ haben; damit bleibt die Trennlinie zur „sakramentalen Struktur“ der Männerkirche unangetastet. Frauen wird allenfalls eine Segnung zugestanden; und man(n) könne überlegen, diese “Benediktion mit der Jungfrauenweihe zu verbinden“.

Hat Kardinal Kasper nicht gemerkt, welche theologischen Fragen damit aufgeworfen werden? Um nur einige zu nennen: Müssen Diakoninnen dann zölibatär leben? Wenn die Frauen als Diakoninnen für die Gemeinde zuständig sind, wofür sind dann die männlichen Diakone da? Nur für die Liturgie? Kann man Liturgie vom Gemeindebezug trennen? Welchen Unterschied gibt es zu den Laien? Ist die Einheit des Weihesakramentes noch gewahrt, wenn die Diakone seit dem Lehrschreiben von 2009 nur noch Teilseelsorge ausüben können, weil sie nicht mehr „Christus in Persona“ repräsentieren dürfen?

Diese theologischen Fragen zeigen, wie groß das Bemühen der Hierarchie ist, keine strukturellen Änderungen vornehmen zu müssen, und dass die Kleriker doch glauben, uns Frauen mit theologischen Spitzfindigkeiten für dumm verkaufen zu können.

Außerdem wird diese Argumentation weder der biblischen noch der historischen Sichtweise gerecht, noch bezieht sie sich auf die pastoralen Anforderungen unserer Zeit und auf die Tatsache, dass Frauen 80% der karitativen Arbeit in den Gemeinden erledigen.

In dem ganzen Verwirrspiel muss noch gesagt werden, dass es für die Männer zwei Arten von Diakonat gibt, einmal als Vorstufe zum Priesteramt und zum anderen als Ständiger Diakonat, der auch für verheiratete Männer geöffnet ist; dieses Amt gibt es erst seit dem II. Vatikanischen Konzil und wird gegenwärtig oft als Hilfspriestertum missbraucht. Dieses relativ neue Amt auch für Frauen im Sinn einer neuen geschlechtergerechten Amtstheologie zu öffnen, ist unser Anliegen. In den vielen Auseinandersetzungen zeichnen sich inzwischen auch Impulse ab, die die Diakonatsfrage vielleicht voranbringen können.

Ansätze einer positiven Veränderung

• Der neue Papst Franziskus hat in seiner Rede aus dem Vorkonklave den diakonischen Auftrag der Kirche stark hervorgehoben: „Nur wenn sich die Kirche an jene wendet, die am Rand der Gesellschaft stehen, erfüllt sie den Auftrag Jesu“. Bei der Generalaudienz am 3.4.13 hat er die Frauen als Zeuginnen der Auferstehung benannt und ihre besondere Rolle bei der Verkündigung des christlichen Glaubens damals und heute hervorgehoben, Tatsachen, die sonst gern verschwiegen werden. Wir werden sehen, wie er zukünftig die Frauenfrage behandelt.

• Wie inzwischen allgemein bekannt, hat die feministische Theologie die Thesen gegen die Frauenordination längst widerlegt; kirchenrechtlich müsste im Kanon 1024 nur „Mann“ durch „Mensch“ ersetzt werden.

• Auch die Kirchengeschichte entdeckt immer mehr eine „versteckte Geschichte der Frauenordination“, wobei nach dem Historiker Gary Macy die Kirche bislang Interesse daran hatte, diese Fakten verschwinden zu lassen, die heute in oft mühsamer Weise wieder ans Licht gehoben werden. (siehe Wiederentdeckte Fakten zur Frauenodination)

Wiederentdeckte Fakten zur Frauenordination

Das ursprüngliche Verständnis von Ordination bedeutete eine spezielle Beauftragung für eine spezielle Gemeinschaft; das klingt ganz modern. Der Ordo war nicht zwingend ein klerikaler Status, bis zur Neudefinition in den Dekreten des II. Laterankonzils 1215.

Diakoninnen hatten meistens dieselben Aufgaben wie die Diakone; zusätzlich kam ihnen noch die Aufgabe der Erziehung und Bildung junger Frauen zu. Im Gegensatz zu der Aussage von Kardinal Kasper (und Erzb. Ludwig Müller), das weibl. Diakonat sei „bald“ verschwunden, hat es weibliche Diakonninen unbestreitbar bis ins 13. Jahrhundert gegeben.

Besonders die Äbtissinnen spielten in der Frauenamtsfrage eine wichtige Rolle, sie konnten auch Beichte hören, nicht nur im Konvent, Absolution erteilen, Diözesen leiten und verwalten und Kommuniongottesdienste halten, sie trugen das Evangelium vor und predigten. Sie wurden von der Gemeinschaft gewählt. Erst als im 13. Jhd. die Lehre aufkam, nur ein gültig geweihter Priester könne die eucharistischen Gaben konsekrieren, blieben die meisten der genannten Aufgaben ab da Priestern vorbehalten; doch nicht alle Orden hielten sich daran.

Die sind nur einige Argumente. Genaueres ist nachzulesen in: Themenheft 4, 2012 der Theologischen Quartalschrift Tübingen, 192. Jahrg.

• Auf heute bezogen, argumentiert Prof. Hünermann, wenn der Ordo nach dem Vat. II Dienst „am und für das Volk Gottes“ ist, dann kann das Mysterium Jesu Christi „nur unter den 3 gegebenen zeitgeschichtlichen Umständen“ gelebt und bezeugt werden als Dienst für Menschen; dann muss dieser entsprechend gestaltet werden und damit ist die Forderung nach dem Diakonat der Frau keine Position “durch die man das Fundament des Glaubens verlassen hätte“. (siehe Quartalschrift, op.cit.)

• In der Presseerklärung vom Netzwerk Diakonat der Frau vom 28.2.13 bestätigt Hünermann, dass der Ausschluss der Frauen von der Weihe „theologisch nicht haltbar ist“ und lehnt ebenso wie das Netzwerk ein diakonales Sonderamt mit Benediktion ab.

• Dieser Interpretation mit der Forderung nach dem sakramentalen Diakonat haben sich nicht nur das Netzwerk angeschlossen, sondern auch KDFB, kfd und ZdK und dadurch votieren auch viele im ZdK angeschlossene Verbände in dieselbe Richtung. Das wurde besonders deutlich am erstmals zusammen gefeierten Tag der Diakonin am 29.4.2013 in Koblenz. Im breiten Presseecho zeigte sich auch die große Zustimmung weiterer katholischer Gruppen.
Das Weihediakonat für Frauen ist endlich an der Basis angekommen.

• Nach der Kirchenrechtlerin Sabine Demel, die auch einen kritischen Vortrag in Koblenz hielt, müssen lehramtliche Entscheidungen respektiert werden, aber „es sprechen keine zwingenden dogmatischen Gründe gegen eine spätere Korrektur“. Sie hält die Frauenamtsfrage für einen „Brennpunkt“ und fordert: „Nicht die Zulassung der Frauen zum Weiheamt bedarf der Begründung, sondern der Ausschluss“. Weiterhin wäre eine faire Auseinandersetzung des kirchlichen Lehramtes mit dem Glaubenssinn aller Gläubigen (bes. der Frauen) und mit den neuen Erkenntnissen der Theologie (bes. der feministischen) notwendig, um nach der Wahrheit und dem verbindlichen Willen Gottes zu suchen. (S. Demel in Unser Pfarrer ist eine Frau, Hrsg. Ackermann/Unger, Freiburg 2012, S.235ff)

• Von Anfang an wurde die Forderung nach dem Diakonat der Frau weltweit erhoben. Momentan läuft wieder eine Internet - Aktion der englischen Housetop Gruppe (internationale Online-Initiative für das Frauenamt in der römisch-katholischen Kirche) mit einer Petition an Papst Franziskus Diakoninnen zuzulassen, die unterstützt werden kann unter www.womenpriests.org/deacons. Der Brief von 2008 an Papst Benedikt XVI. mit derselben Bitte blieb bislang unbeantwortet.

• Die Medien sind an Kirchenthemen noch immer interessiert, dazu gehört auch das Frauenthema.

Zusammenfassung

Noch nie hat das Thema Diakonat der Frau in Deutschland und weltweit so viele UnterstützerInnen gehabt. Die historischen und theologischen Argumente sind aufgearbeitet, es kommen immer noch neue Erkenntnisse dazu. Die richtigen theologischen Fragen sind gestellt, Antworten können nur gemeinsam mit dem ganzen Volk Gottes zukunftsgewandt gefunden werden. Wir stehen erst am Anfang einer neuen Ämter- und Sakramententheologie, zu der auch die Entwicklung eines eigenen Profils für Ständige Diakone und Diakoninnen gehört. Es ist viel zu tun und unsere Kraft sollte nicht mehr in theologischen Scheingefechten verausgabt werden.

Der Kirchenhistoriker Macy beurteilt die Lage so: „Alles hat sich geändert, bis auf die Erkenntnis [der Hierarchie], dass sich alles geändert hat“. Da hat die göttliche Geistkraft noch ein weites Aufgabenfeld vor sich ...

Dieser Artikel wurde für Maria von Magdala, Initiative Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche (www.mariavonmagdala.de) verfasst.