Wann wird das Paulus-Wort „Da ist nicht Mann und Frau“ endlich ernst genommen?

27.06.2008

"Wir sind Kirche" zum Beginn des Paulusjahres und zu den Priesterweihen:

Bei der Verweigerung der Frauenordination kann sich die Kirche nicht auf den Apostel Paulus berufen, erklärt „Wir sind Kirche“ zum Beginn des Paulusjahres am 28. Juni 2008 und zu den Priesterweihen.

Nach Ansicht der katholischen Reformbewegung ist heute kaum mehr nachvollziehbar, welche Sensation es für jene Zeit bedeutete, als der Apostel Paulus den Heidenchristen in Galatien schrieb: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen. Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus“ (Brief an die Galater 3,27-28). Dazu bemerkt der britische Autor Stephen Tomkins: „Geradezu radikal ist sein Vorgehen, wenn Paulus in seinen Gemeinden Frauen erlaubt zu predigen und ihnen apostolischen Status zuerkennt.“

Einzelne Stellen in den (nachpaulinischen) Briefen, wo den Frauen verboten wird, in Gemeindeversammlungen zu reden, und sie ermahnt werden, ihren Ehemännern gehorsam zu sein, haben jedoch das Frauenbild des Apostels bis in unsere Tage als repressiv und negativ bestimmt. Doch Paulus arbeitete regelmäßig mit Frauen zusammen, wenn er Gemeinden aufbaute. Er schätzte ihr Wirken und die Gaben, die darin zum Tragen kamen, hoch ein. Der Brief an die Römer schließt mit den Sätzen: „Grüßt die liebe Persis; sie hat viel geleistet für den Herrn [ein Ausdruck, den Paulus in der Regel für Diakone in der Gemeinde verwendet]. Grüßt Rufus, der sich im Dienst für den Herrn ausgezeichnet hat, und seine Mutter, die auch mir eine Mutter geworden ist“ (Brief an die Römer 16,12-13). Andronikus und Junia, ein Ehepaar, bezeichnet Paulus als „angesehen unter den Aposteln“ (Brief an die Römer 16,7).

Gegenwärtige Not durch Priestermangel, Zölibat und Verweigerung der Frauenordination

Jesus war ein Mann, aber die theologisch entscheidende Botschaft ist die „Menschwerdung“ Gottes. „Vierhundert Jahre lang waren es nach unserem Sprachgebrauch ‘Laien’, die der Eucharistie vorstanden. Dies zeigt, dass ein sakramental geweihter Priester nicht erforderlich ist und weder biblisch noch dogmatisch begründet werden kann“, so der Schweizer Bibelwissenschaftler Prof. Dr. Herbert Haag (1915-2001) in seinem 1997 veröffentlichten Buch „Worauf es ankommt“. – Und weiter: „Priestermangel, Gemeinden ohne Eucharistie, Zölibat, Frauenordination bezeichnen die Probleme, die zwar nicht allein, aber doch weitgehend die gegenwärtige Not der katholischen Kirche bestimmen. Die Krise der Kirche wird so lange andauern, wie sich diese nicht entschließt, sich eine neue Verfassung zu geben.“

Auch wenn Papst Benedikt XVI. die Frauenordination und Aufhebung des Pflichtzölibats strikt ablehnt: er wird sich diesen Fragen allein aufgrund des weltweit dramatisch zunehmenden Priestermangels stellen müssen. Nach Angaben des „Center for Applied Research on the Apostolate at Georgetown University, Washington DC” aus dem Jahr 2005 nahm in dem mehr als 26-jährigen Pontifikat von Papst Johannes Paul II. die Zahl der Katholiken und Katholikinnen weltweit um 40 Prozent zu, dagegen ging die Zahl der Priester im gleichen Zeitraum um 4 Prozent zurück.

Schon jetzt hat fast die Hälfte aller katholischen Gemeinden auf der ganzen Welt keinen eigenen Priester mehr. Laut Vatikanischem Jahrbuch 2005 kommen 2.700 Gläubige auf einen Priester, 1978 waren es durchschnittlich nur 1.800. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Seminaristen zwar vor allem in Afrika und Asien gestiegen, erfahrungsgemäß werden aber nur die Hälfte bis ein Drittel geweiht.

„Wir sind Kirche“ gratuliert den neugeweihten Priestern
„Wir sind Kirche“ gratuliert allen neugeweihten Priestern sehr herzlich zur ihrer Priesterweihe und wünscht ihnen, dass sie bei ihrer künftigen Arbeit in den Gemeinden von Gottes Geistkraft geleitet werden. Den Neupriestern ist vor allem zu wünschen, dass sie bei ihrer zukünftigen Arbeit auch ausreichend Zeit finden, über ihr Wirken im Kreis von Freundinnen und Freunden zu reflektieren. Die Freude, dass unsere Kirche in diesen Tagen neue Priester erhält, wäre noch größer, wenn die mit ihnen wirkenden und auch zum priesterlichen Dienst berufenen Frauen und verheirateten römisch-katholischen Männer mit ihnen zusammen geweiht worden wären.

Paulus hat dem Petrus „ins Angesicht widerstanden“
Bei dem von Papst Benedikt XVI., dem „Nachfolger Petri“, anlässlich der zweitausendjährigen Wiederkehr der Geburt des Völkerapostels Paulus ausgerufenen Paulusjahr (28. Juni 2008 bis 29. Juni 2009) sollte auch bedacht werden: Wenn der Völkerapostel Paulus nicht dem Petrus „ins Angesicht widerstanden“ hätte (zB.: Brief an die Galater 2,11-21), als es um die Stellung der Judenchristen zu den Heidenchristen ging, dann wäre das Christentum vermutlich eine jüdische Sekte geblieben. Dies zeigt, wie notwendig das Ringen um den richtigen Weg der Kirche ist – damals vor 2000 Jahre wie auch heute.

Für den Vorstand der Plattform "Wir sind Kirche" Hans Peter Hurka

Wir sind Kirche-Stellungnahme zum Dekret der Glaubenskongregation zur Frauenordination „Jesus Christus hat weder Frauen noch Männer für das Priesteramt geweiht“ (2. Juni 2008)

Paulus: berufen - nicht bekehrt, ein Beitrag von Dr. Roland Schwarz, Bibelwissenschafter und katholischer Pfarrer in Wien zum Paulusjahr in der Wochenzeitschrift „DIE FURCHE“ Nr. 25 vom 19. Juni 2008.

Wer war Paulus? und Das Paulusjahr in der Erzdiözese Wien:

Verbieten Bibeltexte die Frauenordination? von Dr. Roland Schwarz

Weitere Hinweise auf der Homepage des Linzer Bibelwerkes „glaubenswert“: Paulus begegnen
http://www.dioezese-linz.at/redsys/index.php?action_new=read&Article_ID…

Dr. Martha Heizer zum Sonntagsevangelium am 29. Juni 2008: "Petrus und Paulus"

Ruth Schäfer: Paulus bis zum Apostelkonzil. Ein Beitrag zur Einleitung in den Galaterbrief, zur Geschichte der Jesusbewegung und zur Pauluschronologie.
WUNT II/179. Mohr Siebeck, Tübingen 2004 ISBN 3-16-148309-X