Wir sind Kirche: Für Dialog statt Kadavergehorsam

09.07.2011, Hans Peter Hurka

„Wir sind Kirche“ rät zu mehr Dialog statt unverständlichem und unangebrachtem Gehorsam. Kardinal Christoph Schönborn wäre besser beraten, würde er mehr hören und schauen als mit „Zorn und Trauer“ der Pfarrer-Initiative scharf zu antworten. Das Drängen des Erzbischofs auf den Gehorsam zeigt, wie wenig er in der Sache zu argumentieren hat. Hilft die Lehre der Kirche noch dem Leben der Menschen?

„Wir sind Kirche“ meint, der Dialog ist ohne Alternative. Das gilt für die Kirche wie auch für die Gesellschaft. Überall dort, wo Erfahrungen oder Sichtweisen auseinander klaffen hilft nur der Dialog gewaltfrei zu Lösungen zu kommen. Genau diesen Dialog aber verweigert die Kirchenleitung seit einem Vierteljahrhundert. Die Bischöfe blocken - dem Vatikan gehorsam - alle Wünsche nach Erneuerungen ab. Päpste setzen nur erzkonservative Vollstrecker in entscheidenden Positionen ein. Jede zeitgemäße Weiterentwicklung wird dadurch blockiert.

Gleichzeitig werden Frauen und Männer in der Kirche gekränkt, gedemütigt und diskriminiert, ohne dass die Kirchenleitung darauf eingeht. Das sind zum Teil klare Abweichungen von der Botschaft Jesu.

Wer sich auf das Gewissen beruft, beruft sich auf die Stimme Gottes in seinem Herzen. Die Antwort des Kardinals, wer mit seinem Gewissen nicht mit dem Papst gehen kann, muss eben aus der Kirche gehen, entspricht nicht der Botschaft Jesu. Hier stehen das Leid und die Würde von Menschen einer zweifelhaften Disziplinarordnung gegenüber. Das Leid der Menschen hat für Jesus immer Vorrang gehabt, nicht die Disziplinarordnung seiner Kirche.

Schönborn schreibt in seiner Entgegnung zum Aufruf der Pfarrer-Initiative: „Wie würden in unserem Land die Familien aussehen, wenn Ungehorsam zur Tugend erhoben würde?“ Dem ist die Frage anzuschließen, wie würden die Familien und Betriebe erst aussehen, würden sie nur auf Gehorsam pochen? Oder, wie sieht denn die Kirche aus, weil die Kirchenleitung einen blinden Gehorsam einfordert?

In jeder Familie ist Ungehorsam auf der Tagesordnung. Nur durch einfühlsame Auseinandersetzung können Konflikte gemildert und erträglich gelöst werden. Die Devise: Entweder nach meiner Pfeife tanzen oder gehen, hilft nicht weiter. Firmen die auf das kreative Potential ihrer Mitarbeiter verzichten oder jede Erneuerung ablehnen, treibt der Markt in den Konkurs.

Auch bei den Beispielen von Franz Jägerstätter und John Henry Newman scheint Schönborn auf einem Auge blind zu sein. Der Oberösterreichische Kriegsdienstverweigerer wurde von der Kirchenleitung im Stich gelassen und nachträglich rehabilitiert. Diese Vorgangsweise der Kirchenleitung hält „Wir sind Kirche“ nicht für vorbildlich. Und der englische Kardinal stellte klar: Das Gewissen steht über dem Papst.

Wenn Schönborn wirklich seinen Dienst der Einheit endlich leisten möchte, was ihm in seiner Funktion zukommt, dann bleibt als einziger Ausweg nur der Dialog. Er gehört zum Kern jeder menschlichen Kommunikation und zum Kern unseres Glaubens. Unsere Kirche, und damit auch unsere Kirchenleitung, sollte eine hörende sein. Aus dem Hören sollte die Antwort kommen. Die Pastoralkonstitution des letzten Konzils beginnt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Jesu Christi.“(Gaudium et spes 1)

Das ist eines der Leitbilder von „Wir sind Kirche“. Mission, wie sie Schönborn immer wieder namentlich einfordert bedeutet, mit den Menschen unterwegs zu sein. Auf dem Weg können wir Angebote machen, die den Menschen in der Situation hilfreich erscheinen und hoffentlich auch hilfreich sind. Wer nur die alte Lehre wiederholt, merkt schnell wie die Menschen das Angebot als veraltete Leere empfinden. „Wir sind Kirche“ meint, es braucht einen zeitgemäßen, biblisch orientierten und verständlichen Ausdruck unseres Glaubens. Der ist nicht durch Gehorsam herstellbar sondern kann nur gemeinsam im Dialog gefunden werden.

Für den Vorstand der Plattform „Wir sind Kirche“: Hans Peter Hurka und Dr. Martha Heizer

Medienreaktionen:

9. JUli 2011: Die Presse ;

11. Juli 2011: ORF ;

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