Seit Jahrzehnten wissen viele Menschen an der Basis der katholischen Kirche, dass unsere Kirche dringend reformbedürftig ist.
Als 1995 in Österreich Kardinal Groer des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurde, unterzeichneten mehr als eine halbe Million Österreicher 5 wichtige Ziele - in einem so kleinen Land wie Österreich (damals 8 Millionen Einwohner). Das Kirchenvolks-Begehren wurde landesweit ohne Unterstützung der offiziellen Kirche organisiert - im Gegenteil, sie verleumdete uns - mit wenig Geld, ohne PC, ohne Handy.
Dies war der Beginn der Protestbewegung Wir sind Kirche, und viele andere Länder folgten diesem Beispiel. Deutschland war mit 1,8 Millionen Unterschriften das nächste. Heute unterstützen Millionen von Menschen in aller Welt diese Ziele.
Hätte die Kirchenleitung damals auf diesen Aufschrei reagiert, wäre uns - und ihnen - viel erspart geblieben.
Trotzdem wiederholen wir seitdem regelmäßig und vehement unsere Ziele und kämpfen für sie.
Werden sie uns nun wahrnehmen und endlich reagieren - und unsere Kirche endlich zu einem besseren Zuhause, menschlicher machen – und damit treuer zu Jesus und seiner Botschaft werden?
Seit damals bilden 5 Forderungen den Kern unserer Arbeit im Engagement für eine Kirche, die die Zeichen der Zeit beachtet. Anlässlich der Weltsynode wurden sie leicht angepasst und in Rom als Video aufgenommen.
1. Aufbau einer geschwisterlichen Kirche
Alle Gläubigen sind gleichwertig und gleichwürdig. Daher muss die Kluft zwischen Menschen mit und ohne Priesterweihe überwunden werden. Menschen mit Taufe, aber ohne Priesterweihe müssen auf allen Ebenen und in allen kirchlichen Gremien gleichberechtigt vertreten sein und durch entsprechende synodale und demokratische Strukturen mitbestimmen können. Nur so kann die Vielfalt der Begabungen und Charismen voll zur Wirkung kommen.
Es braucht schriftlich verfasste Rechte für alle Gläubigen (Kirchenverfassung), Gewaltentrennung, dezentrale Entscheidungsfindung und faire Verfahren. Die Kirchenleitung muss ihre Entscheidungen rechtfertigen und dazu argumentationsfähig sein.
Transparenz und Nachvollziehbarkeit in den Entscheidungen der Kirchenleitung wird das Wir-Gefühl und die gesamte Kirche stärken. Bei Bischofsernennungen müssen die Ortskirchen mitreden und mitentscheiden können. Bischof oder Bischöfin soll werden, wer das Vertrauen des Volkes genießt.
2. Volle Gleichberechtigung für alle Geschlechter
Wir fordern den Zugang aller Geschlechter zu allen kirchlichen Ämtern inklusive dem Priester- und Bischofsamt.
Der jesuanisch nicht im Geringsten begründbare Ausschluss aller nicht-männlichen Personen von kirchlichen Ämtern muss ein Ende haben. Die Kirche kann auf die Fähigkeiten und Lebenserfahrungen von Frauen, Transpersonen und nichtbinären Menschen nicht länger verzichten. Das gilt gerade auch für Leitungsämter und alle sakramentalen Dienste.
3. Freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform
Die heutige Bindung des Priesteramtes in der röm.-kath. Kirche an die ehelose Lebensform ist nicht biblisch und theologisch begründet, sondern geschichtlich gewachsen und daher selbstverständlich veränderbar. Das Recht der Gemeinden auf Eucharistiefeier und Leitung ist wichtiger als ein überalterter Paragraph des Kirchenrechts.
Darüber hinaus hält das überkommene Verständnis der Priesterweihe einem aufgeklärten theologischen Diskurs nicht stand und erzeugt in der Realität eine sakrale Überhöhung des Priesteramtes sowie Klerikalismus. Die Kirche muss daher in einer Rückbesinnung auf die biblischen Quellen neue Formen der Beauftragung entwickeln.
4. Positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen
Die verantwortete Gewissensentscheidung der Menschen in Fragen der Sexualmoral (z.B. ihre geschlechtliche Identität und Orientierung sowie die Empfängnisregelung) ist voll und ganz anzuerkennen. Die Kirche darf nicht länger einfach einem vermeintlichen „Naturrecht“ folgen, sondern muss in der Thematisierung von Sexualität auch die Erkenntnisse der modernen Wissenschaften berücksichtigen.
Pauschale Verurteilungen (z.B. bezüglich vorehelicher Beziehungen oder in Fragen queerer Identitäten) dürfen in einer Gemeinschaft, die sich der Nächstenliebe verpflichtet weiß, keinen Platz haben.
5. Frohbotschaft statt Drohbotschaft
Unsere christliche Botschaft stellt helfende und ermutigende Begleitung und Solidarität vor angstmachende und einengende Normen.
Das soll nicht nur an der Kirchenbasis so sein, sondern muss sich auch in den offiziellen kirchlichen Statements und Verlautbarungen von Papst und Bischöfen widerspiegeln: Verständnis, Anerkennung und Versöhnungsbereitschaft im Umgang mit Menschen in herausfordernden Situationen (z.B. wiederverheiratete Geschiedene, verheiratete Priester ohne Amt, queere Personen etc.), anstelle von unbarmherziger Härte und Strenge!