„Mutig, stark, beherzt“. Das Mottolied des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentags klingt mir noch in den Ohren, als Hannover längst weit hinter mir liegt. Mittlerweile kann ich es auswendig, so oft wie ich es in den vergangenen Tagen gesungen oder gehört habe. Als musikalische Unterbrechung während der Bibelarbeit oder einem Podiumsgespräch, bei den Gottesdiensten und Andachten, und manchmal einfach auf der Straße, wenn sich Spontan-Chöre gebildet und miteinander gesungen haben.
„Mutig, stark, beherzt“. Auch auf den roten Schals war das Kirchentagsmotto vom 30. April bis zum 4. Mai in Hannover allgegenwärtig. 81.000 Menschen erkundeten in dieser Zeit die Stadt, besuchten Konzerte, Gottesdienste, Diskussionen und Workshops. Mit Politiker:innen, Aktivist:innen, Theolog:innen, Influenzer:innen zusammen ließen sich ein auf die großen Frage der Welt und der Kirche: Wie stoppen wir den Klimawandel? Wie politisch darf/soll Kirche sein? Wie umgehen mit Kirche als Minderheit? Mutig wurde sich mit Herz den starken Themen unserer Zeit gewidmet, es wurden Forderungen gestellt und Resolutionen verabschiedet.
Mitten im Geschehen, am Markt der Möglichkeiten am Gelände der Hannoveraner Messe, war auch „Wir sind Kirche“ zu finden. Wie schon seit vielen Jahren fanden im Stundentakt die „Gespräche am Jakobsbrunnen“ statt, die die Möglichkeit boten, für eine Stunde mit Menschen aus Kirche und Gesellschaft ins Gespräch zu kommen. Die Bandbreite an Themen und Gäst:innen in diesem Jahr war groß. Dr. Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, sprach zum Thema Synodalität, gefolgt von Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm vom Ökumenischen Rat der Kirchen. Journalist:innen und Professor:innen waren ebenso zu Gast wie Jens Ehebrecht-Zumsande von der Initaitive #OutInChurch und der Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil, und viele andere. „Unser Gesprächsformat war wieder ein Erfolgsmodell“, resümiert Christian Weisner, Mitglied des Bundesteams von „Wir sind Kirche Deutschland“, der sich auch über die vielen Besucher:innen freut, die in den drei Tagen zum Stand von „Wir sind Kirche“ gekommen sind, um den Gesprächen und Gäst:innen zu lauschen.
Während mir im Zug noch immer das „Mutig, stark, beherzt“ in den Ohren klingt, überlege ich, was in diesen Tagen wohl mein persönliches Highlight war. Ganz weit oben auf meiner Liste stehen zweifelsfrei das Konzert von Bodo Wartke, das 72-Stunden-Singen in der Christuskirche, die Bibelarbeit von Bischöfin Budde von Washington, eine Podiumsdiskussion zum Thema "Kirche als mutige Minderheit“ und das Abschlusskabarett. Vor allem waren es aber auch die kleinen Begegnungen, die den Kirchentag wieder zu etwas ganz Besonderem gemacht haben: Die Gespräche mit fremden Leuten in der Schlange vor dem Theater, um sich die Zeit zu vertreiben. Die Frau, die bei der Übertragung des Abschlussgottesdienstes an der Stelle der Kommunion Salzstangen verteilt hat. Das spontane Singen auf der Straße.
Christian Weisner betont, dass die Kirchen- und Katholikentage in Deutschland ein wichtiges Forum für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind, und das, so ist er sich sicher „auch Österreich guttun würde.“ Aber da solche Veranstaltungen in Österreich wohl auch in nächster Zeit nicht abzusehen sind, werde ich nächstes Jahr eben wieder mutig, stark und beherzt in den Zug steigen, um dem 104. Deutschen Katholikentag in Würzburg im Mai 2026 einen Besuch abzustatten.