"Offene Kirche" in Oberschützen

Bericht |
von Ludwig Leitner
Kirche in Oberschützen; © privat

Franz Grillparzer beschrieb schon 1852 nach einem Besuch während eines Kuraufenthaltes im südlichen Burgenland Oberschützen als einen „merkwürdigen Punkt auf der himmlischen Erde“. Und ich denke, so ist es bis heute geblieben. Aus der von dem evangelischen Pfarrer Gottlieb August Wimmer im Jahr 1845 gegründeten Schulanstalt wurden in dem heute von etwa 1000 Einwohnern bewohnten Ort zwei Gymnasien: das Bundesgymnasium und das evangelische Wimmergymnasium mit mehr als 1000 Schülern. Oberschützen ist zudem der einzige Ort des Burgenlandes mit der Möglichkeit einer universitären Ausbildung. Vor kurzem feierten wir das 60jährige Bestandsjubiläum des Instituts Oberschützen der Grazer Musikuniversität mit zur Zeit 170 Studierenden.

Das älteste Gebäude befindet sich aber am Südrand – erhaben oberhalb des Ortes mitten im Friedhof gelegen: die katholische Bartholomäuskirche, die auf eine mehr als 1000jährige Geschichte zurückblicken kann, stammen ihre Fundamente doch schon aus karolingischer Zeit! Die Kirche war eine vorreformatorische Pfarrkirche, wovon heute noch Taufbecken, Sakramentsnische und das ehemaliges Pfarrhaus eindeutige Beweise darstellen. Außerdem hat sie durch die Freilegung und Restaurierung mittelalterlicher Fresken besondere kunsthistorische Bedeutung erlangt.

Doch: „offene Kirche“? Sie war eigentlich immer versperrt. Aber vor etwa 10 Jahren hat sich eine Initiative von einigen Personen gebildet, die dies ändern wollten. Und so gibt es heute einige fixe Zeiten im Jahr, wo die Kirche „offen“ ist – in mehrfacher Bedeutung: für liturgische, spirituelle, künstlerische, … Möglichkeiten sowie für Besichtigungen mit Führungen (auf Anfrage). „Offen“ aber auch hinsichtlich der Beteiligung, wer bei der Gestaltung mitwirkt oder als BesucherIn kommt.

Dies sei am folgenden Beispiel „illustriert“: vor genau 10 Jahren gestalteten wir erstmals – initiiert von einer ambitionierten Geigerin – am Patroziniumstag zu Bartholomäus am 24. August ein „Morgenlob“ mit Beginn um 6 Uhr früh in der noch dunklen Kirche. Am Ende der Feier erlebten wir dann einen wunderbaren Sonnenaufgang, als plötzlich die Sonnenstrahlen durch das romanische Schlitzfenster der Apsis genau durch die Hauptachse der Kirche schienen und von einem Moment auf den anderen der Kirchenraum und die Anwesenden in hellem Licht erstrahlten.

Die Kirche ist nämlich „geostet“ – genau nach dem Fest des Kirchenpatrons Bartholomäus (die Hauptachse weicht daher 7° in nördlicher Richtung von Osten ab). Die Gottesdienstbesucher können also schon über ein Jahrtausend emotional – symbolisiert durch die aufgehende Sonne – den vom Tode auferstandenen Christus erleben und dabei mitten im Friedhof sehr nahegehend Hoffnung schöpfen auf die Auferstehung der Toten.

Für die Gestaltung dieses Morgenlobs brauchen wir keinen Priester (obwohl auch schon welche anwesend waren). Im Sinne von „Wir sind Kirche“ ist jede und jeder Interessierte eingeladen – in welcher Form auch immer – dabei zu sein.

Nähere Hinweise auf die Geschichte der Kirche und unserer Initiative sowie auf alle Aktivitäten siehe: www.contemplom.at