Unfehlbar?

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von Harald Prinz

Im Rahmen einer Audienz am Petersplatz sprach Papst Leo am 27. September 2025 davon, dass für die Kirche viel Hoffnung entstehe, „wenn neue Intuitionen im Volk Gottes aufkommen.“ Der Papst sprach den einfachen Gläubigen den „sensus fidei“ zu und umschrieb diesen mit einer Art „sechsten Sinn“ für die Dinge, die Gott betreffen. Daraus folgerte er, dass es eine „Unfehlbarkeit des Gottesvolkes in Glaubensdingen“ gebe und fügte kryptisch an, dass „deren Ausdruck und Dienst die Unfehlbarkeit des Papstes“ sei.

Es überrascht, dass der römische Pontifex von einer „Unfehlbarkeit des Gottesvolkes“ spricht: Der Vatikan hört die Menschen an der Basis der Kirche schon seit langem nur dann, wenn es ihm gefällt; die jahrzehntelange Ignoranz gegenüber den Millionen Followern der Kirchenvolksbegehren in den 1990er-Jahren ist dafür ein beredtes Zeichen; selbst die Amazonas-Synode 2019 – immerhin von Papst Franziskus selbst einberufen – wurde vom päpstlichen Lehramt nur ungenügend rezipiert, wie die nach wie vor ungelöste Frage der „viri probati“ zeigt. Da mutet es seltsam an, wenn Papst Leo nun mutig von einer „Unfehlbarkeit des Gottesvolkes“ spricht. Warum nur folgt dann die Kirchenleitung den Wünschen des Gottesvolkes gar so wenig??

Noch mehr aber ist zu fragen, was es bedeuten will, wenn Leo XIV. nun so weit geht, die „Unfehlbarkeit des Papstes“ an diese „Unfehlbarkeit des Gottesvolkes“ zu binden, indem er die „Unfehlbarkeit des Papstes“ als Ausdruck der „Unfehlbarkeit des Gottesvolkes“ bezeichnet. Ist das als Versuch zu werten, die Bedeutung der Synodalität für die Kirche zu unterstreichen und aufzuzeigen, dass ein gutes Papstamt nur dort möglich ist, wo Synodalität ernst genommen wird und der Papst gut auf die ganze Kirche hört? – Dann aber wird es noch unverständlicher, dass sich Papst und Bischöfe Gesprächen mit Reformgruppen oftmals verweigern und so tun, als ob es diese gar nicht gäbe. Für manch elfenbeinernen Turm in Rom oder anderen Bischofsstädten mag solche Dialogverweigerung taugen, der Kirche als Ganzes aber fügt sie großen Schaden zu. Und wie Papst Leo nun selbst andeutet, leidet darunter sogar die Unfehlbarkeit des Papstes.