Betroffenenrat und Anerkennungszahlungen nötig – Orden in Aufarbeitung einbeziehen
Konsequente Umsetzung der Empfehlungen des Münchner Gutachtens erforderlich
Das Gutachten zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker in der Diözese, stellt einen notwendigen und wertvollen Schritt dar. Bischof Ivo Muser hat damit ein wichtiges Zeichen gesetzt. Eine konsequente Umsetzung der darin vorgelegten Empfehlungen ist meiner Meinung nach dringend erforderlich.
Die erste Empfehlung der Rechtsanwaltskanzlei Westfahl, Spilker und Wastl zur Verbesserung des Umgangs mit Fällen sexuellen Missbrauch (Gutachten Seite 593 ff) ist die Errichtung eines unabhängigen Betroffenenrates. Dies wird ausführlich begründet. Auf diese „Stärkung der Belange der Betroffenen“ geht die Presseaussendung der Diözese vom 24.1.2025 ebenso wie Bischof Muser bedauerlicherweise mit keinem Wort ein. Nur Gottfried Ugolini erwähnt in seiner Stellungnahme die Möglichkeit der Bildung eines Betroffenenrates. Ich ersuche, dass diese Empfehlung umgesetzt und ehestens ein unabhängiger Betroffenenrat gebildet wird. Ansonsten sind die Bemühungen zur Aufarbeitung nicht glaubwürdig.
Ein solcher Rat trage dazu bei, dass sich Betroffene nicht erneut als fremdbestimmt erfahren, ihre Interessen gebündelt werden und dass ihr Erfahrungswissen im Aufarbeitungsprozess einbezogen werde. Es sollten allerdings nicht nur kirchenfreundliche Personen im Betroffenenrat sitzen, stellt die Anwaltskanzlei fest. In vielen Diözesen Deutschlands gibt es bereits Betroffenen(bei)räte.
Die zweite Empfehlung des Gutachtens betrifft Anerkennungsleistungen (Seite 595 ff). Das Gutachten führt aus, dass sexueller Missbrauch sich neben persönlichem physischem und psychischem Leiden auch auf die Erwerbsbiografie in vielen Fällen negativ auswirkt. Dies kann zu prekären Lebensverhältnissen führen. Die Missbrauchstaten seien nicht nur Einzelfälle „schwarzer Schafe“, es gäbe auch systemische, im Verantwortungsbereich der Institution Kirche liegende Ursachen, die die Taten ermöglicht und / oder erleichtert haben. Ich zitiere (Seite 595): „Grundlegende Gerechtigkeitserfordernisse legen es nahe, dass eine dergestalt involvierte Institution neben den in den Richtlinien der Ombudsstelle bereits vorgesehenen Therapieleistungen auch einen substanziellen Beitrag zur Linderung individuellen finanziellen Leids und damit einhergehender Not und entsprechende „Anerkennungszahlungen“ leistet“, auch wenn „Anerkennung“ nicht nur eine Frage des Geldes sei. Ein unabhängiges Gremium solle die Höhe der finanziellen Anerkennungsleistungen festlegen. Auch wenn die Übergriffe unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegen, sollten nicht rechtliche Maßstäbe wie bei einem Schadensersatz im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gelten, noch sollten psychologische Gutachten angefordert werden, wird festgestellt. Damit empfiehlt das Gutachten sehr deutlich, dass die Diözesanleitung Anerkennungszahlungen leisten sollte.
Es reicht meiner Meinung nach nicht aus, wenn Bischof Ivo Muser die Betroffenen und Mitbetroffenen um Vergebung bittet. Anerkennungsleistungen sind erforderlich, um Gerechtigkeit für die Betroffenen und Glaubwürdigkeit für die Kirchenleitung herzustellen. In Österreich durch die Klanic-Kommission sowie in Deutschen Diözesen hat es Anerkennungsleistungen gegeben.
Erinnern möchte ich daran, dass im Rahmen einer Beichte nach der Bitte um Vergebung Reue gezeigt werden und wenn möglich eine Wiedergutmachung erfolgen muss. Das sollte auch für die Kirche als Institution gelten, wobei Wiedergutmachung sowieso nicht möglich ist, wohl aber eine Anerkennung des Leidens durch finanzielle Zahlungen.
Bischof Ivo Muser hat bei der Pressekonferenz am 24.1.2025 erklärt, dass er die Verantwortung für die Fehler, die während seiner Amtszeit oder von ihm gemacht wurden, übernimmt. Diese Aussage ist erfreulich. Zugleich genügt sie nicht. Er ist der Rechtsnachfolger der vorherigen Bischöfe und somit verpflichtet, für deren begangenes Unrecht einzustehen und die Konsequenzen zu tragen, z.B. durch finanzielle Anerkennungsleistungen.
Eine umfassende Aufarbeitung der kirchlichen Missbrauchsfälle erfordert zudem, dass die Orden in der Diözese einbezogen werden und ebenso ein Gutachten über sexuelle Vergehen an Minderjährigen in ihren Bereichen in Auftrag geben. Bisher ist eine konsequente und unabhängige Aufarbeitung in den Orden nur sehr zögerlich und bruchstückhaft geschehen. Die Orden sind angehalten, ihren Beitrag zu einer konsequenten Aufarbeitung zu leisten.
Zum Abschluss möchte ich deutlich unterstreichen, dass ich alle Bemühungen der Ombuds-, Interventions- und Präventionsstelle sowie entsprechende Konzepte als wertvoll und positiv ansehe. So können Kindern und Jugendliche die Kirche als sicheren und guten Ort erfahren, was ja dem Auftrag der Kirche entspricht. Zugleich möchte ich darauf hinweisen, dass ohne die umfassende und ernsthafte Aufarbeitung der Vergehen in der Vergangenheit die Gegenwart und Zukunft stark belastet bleibt.
Lehrperson für Religion i.P. und ehemaliger Vorsitzender der Initiativgruppe für eine lebendigere Kirche / Kirchenvolksbegehren 1995
Tschötsch, 26. Jänner 2025