Jetzt ist die Zeit!

von Marlies Prinz

70.000 Menschen, 2000 Veranstaltungen, 5 Tage, 2 Städte, 1 Thema. „Jetzt ist die Zeit!“

Die Straßen und Plätze der beiden Städte Nürnberg und Fürth glichen in den Tagen vom 7. bis zum 11. Juni oft einem grün-gelben Meer. Tausende Menschen aus nah und fern versammelten sich zu Gottesdiensten, Gebeten, Diskussionsrunden, Bibelarbeiten, Konzerten, und vielem mehr, die meisten von ihnen bekleidet mit grünen Schals, auf denen durch die großen gelben Buchstaben unschwer das Motto des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentages zu erkennbar war. „Jetzt ist die Zeit“ (Mk 1,15)


Nach einer coronabedingten Zwangspause des Evangelischen Kirchentages, konnte er heuer mit viel Motivation wieder analog stattfinden. Doch nicht nur Protestanten diskutierten, beteten und feierten in Nürnberg und Fürth – wer welcher Konfession angehörte wurde oft zur Nebensache. „Ich freue mich, dass katholisch evangelisch überhaupt keine Rolle spielt, bei diesem Kirchentag“, meinte der evangelische Landesbischof Bedford-Strom schon bei der Eröffnungspressekonferenz.


Ökumene wurde also hochgehalten und das war auch beim sogenannten „Markt der Möglichkeiten“ auf dem Gelände der Nürnberger Messe zu erkennen. Stände von Altkatholik*innen neben Anglikaner*innen, Katholik*innen und Freikirchen. Gespräche miteinander, statt übereinander; zuhören, diskutieren, dazulernen, gelebte Ökumene erleben.
So führte auch Wir Sind Kirche eine nunmehr seit 1996 bestehende Tradition fort und veranstaltete erneut die „Gespräche am Jakobsbrunnen“. Am Donnerstag, Freitag und Samstag fanden im Stundentakt spannende Gespräche mit Gästen aus den verschiedensten Bereichen von Kirche und Theologie statt. So kamen die ehemaligen deutschen Politiker Günther Beckstein und Wolfgang Thierse vorbei, Lisa Baumeister und Monika Empelmann stellten jeweils ihre Initiativen #meinGottdiskriminiertnicht und Maria 2.0 vor, P. Jörg Alt holte das Klimathema ins Zentrum, Gregor Podschun vom BDKJ die Jugend und Burkhard Hose erzählte über OutInChurch und Menschenrechte in der Kirche; Prof. Johanna Rahner von der Universität Tübingen sprach über die Bedeutung der Theologie für die Synodalität und eben dieses Thema der Synodalität wurde auch beim Gespräch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, aufgegriffen, der überhaupt als erster Bischof jemals beim Jakobsbrunnen von Wir sind Kirche zu Gast war.


Doch auch jenseits der Gespräche am Jakobsbrunnen gab es spannendes Programm. Egal ob Bildungsveranstaltungen (z.B. über die Charta Oeconmenica), Bibelarbeiten, Nacht- und Taizégebeten, Podiumsdiskussionen mit Politiker*innen, Influenzer*innen und anderen bekannten Persönlichkeiten – die Säle und Plätze waren voll mit Menschen, die bereit waren, zuzuhören und auch dazuzulernen und außerdem noch gute Laune hatten.


Dass es sich aber eben doch um einen evangelischen, und keinen katholischen Kirchentag handelte, zeigten vor allem die Gottesdienste. Für Katholik*innen ein ungewohntes Bild, wenn ganz selbstverständlich bei einem solchen offiziellen Kirchengroßereignis eine Frau gleichberechtigt neben einem Mann am Altar steht. Und so erhielt der Text eines Liedes vom Eröffnungsgottesdienst für etliche Katholik*innen in Hinblick auf ihre eigene Kirche und die dringend notwendigen Reformen noch eine ganz eigene Bedeutung. „Die Ewigkeit ist jetzt und hier. Spiel nicht auf Zeit, das rat ich dir. Die Zeit ist Jetzt!“ Ja, jetzt ist die Zeit für Reformen in der katholischen Kirche, das ist klar!

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Ein Bericht über den Besuch von Bischof Georg Bätzing beim Jakobsbrunnen von Wir sind Kirche wurde in der Fernsehsendung "Kirche in Bayern. Das ökumenische Fernsehmagazin" ausgestrahlt. Sie finden ihn hier (ab Minute 11).