Zur Emeritierung: Brief an Kardinal Schönborn

Kirche in Österreich |
Brief von Kirchenreform.at an Christoph Kardinal Schönborn zur Emeritierung; 19. Jänner 2025

Sehr geehrter Herr Kardinal,

die österreichischen Kirchenreformbewegungen – „Wir sind Kirche“, Pfarrer-Initiative, Laien-Initiative und „Priester ohne Amt“ – gratulieren Ihnen zu Ihrem 80. Geburtstag und wünschen Ihnen für die Zeit nach Ihrer Emeritierung alles Gute und Gottes Segen.

Wir stimmen in diesen Ihren Festtagen freilich nicht in den Chor derer ein, die Ihre Amtszeiten als Weih- und Erzbischof von Wien sowie als Kardinal mit einer nostalgischen und daher in gewisser Weise auch rosaroten Brille betrachten.

Denn es ist nicht vergessen, wie Sie Ihren Amtsvorgänger Groër zunächst reflexartig gegen den erhobenen Missbrauchsvorwurf verteidigt und dadurch der Glaubwürdigkeit des Opfers geschadet haben - es ist aber auch nicht vergessen, dass Sie später eine anfängliche Hilflosigkeit und Naivität im Umgang mit der Groër-Affäre offen eingestanden haben und wie Sie sich dem schmerzhaften Thema des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker in weiterer Folge mit zunehmendem Mut und aus neuer Perspektive zugewandt haben, bis hin zum vielbeachteten ORF-Gespräch mit Doris Reisinger.

Es ist nicht vergessen, dass Sie im Jerusalemer Abendmahlssaal die Mariatroster und die Königsteiner Erklärung schlechtgeredet und vielen Bischöfen des Jahres 1968 (und damit auch Ihrem Vorvorgänger Kardinal König) ebenso in den Rücken gefallen sind wie vielen Katholik:innen, die nach reiflicher Überlegung zur moralischen Gewissheit gelangt sind, dass sie Sexualität und Familienplanung anders leben dürfen und sollen als es „Humane vitae“ verlangt - es ist aber auch nicht vergessen, wie Sie sich später bemüht haben, homosexuellen Menschen einen würdigen Platz in Kirche und Pfarrgemeinde zu ermöglichen.

Es ist nicht vergessen, dass Sie vor lauter Freude über neue Priester manchmal nicht kritisch genug waren, wenn es um die Zulassung von Personen zum Priesteramt ging, deren psychische Reife den Anforderungen dieses Amtes nicht hinreichend zu entsprechen schien, und es ist auch nicht vergessen, dass die manchmal ebenso unkritische Aufnahme sogenannter neuer Bewegungen in die Pastoral vor Ort manchmal auch tiefe und bleibende Wunden geschlagen hat. Es ist aber auch nicht vergessen, wie Sie Ihre Autorität als Erzbischof und Kardinal in die Waagschale geworfen haben, als die vom Vatikan bekannt gegebene Ernennung eines völlig ungeeigneten Weihbischofs eine ganze Diözese und mit ihr große Teile der österreichischen Kirche in eine neuerliche Krise zu stürzen drohte.

So ist unser Blick auf Ihre Amtszeit also von Ambivalenzen geprägt. Wir sehen – wie könnte es auch anders sein – Gelungenes und Nicht-Gelungenes, eine Kirche eben auf dem Weg. Für das viele Gelungene sind wir von Herzen dankbar, und darin vor allem auch für jene Situationen, in denen wir offene Kanäle zu Ihnen gefunden haben wie etwa rund um den Buß- und Klagegottesdienst 2010, zu dem Sie und die Plattform „Wir sind Kirche“ gemeinsam eingeladen haben. Über Ihr Verhältnis zu „Wir sind Kirche“ haben Sie damals gesagt „Wenn es zwischen uns auch viele Kontroversen gibt, so haben wir doch die Liebe zur Kirche gemeinsam.“

Von dieser Liebe getragen sagen wir Ihnen heute Danke und „Vergelt´s Gott!“ für Ihr engagiertes Bemühen um unsere gemeinsame Kirche, wissend, dass manches Bemühen Fragment bleibt und Gott es ist, der vollendet. Seinen guten Segen wünschen wir Ihnen!

Gidi Außerhofer, Wolfgang Payrich und Helmut Schüller (Pfarrerinitiative)

Herbert Bartl und Peter Gardowsky (Priester ohne Amt)

Harald Niederhuber und Thomas Olechowksi (Laieninitiative)

Astrid Krogger, Martha Heizer und Harald Prinz (Wir sind Kirche)