Innerkirchliche Reformansätze (Frauen, Zölibat, wiederverheiratet Geschiedene, Moral …)

Die an der Jesuitenuniversität in Lima lehrende Theologin und Ordensfrau Birgit Weiler rät zu mehr Sensibilität. Im Interview des Portals katholisch.de warnte sie davor, zu schnell zu Bewertungen zu kommen, die Menschen verletzten - etwa, weil sie als angeblich rückständig wären. „Es braucht Sensibilität für die oft sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Realitäten“. Die Weltsynode sei „ein wichtiger Lernprozess für alle. […] Eine Dezentralisierung und somit größere Verantwortung und Entscheidungskompetenz für die Bischofskonferenzen würde eine größere Vielfalt ermöglichen." Denkbar sei, dass einzelne Ortskirchen zum Schluss kommen könnten, „Rom um die Erlaubnis zur Einführung eines sakramentalen Diakonats für Frauen zu bitten". Schon jetzt leiten und begleiten Frauen im Amazonasgebiet Gemeinden und koordinierten die Pastoral, betonte Weiler. (kna u. vn v. 8. 1.)

Der Erzbischof von Malta und enge Vertraute von Papst Franziskus, Charles Scicluna, hat eine „ernsthafte Diskussion" über den Zölibat gefordert. Der Rechtsexperte ist Vorsitzender der Bischofskonferenz auf Malta und Sekretär im Amt für Glaubenslehre. Die römisch-katholische Kirche sollte eine Überarbeitung ihrer Regeln in Betracht ziehen, um Priestern die Möglichkeit zu geben zu heiraten, sagte er der Zeitung „Times of Malta": „Warum sollten wir einen jungen Mann verlieren, der ein guter Priester geworden wäre, nur weil er heiraten will?". Der Zölibat sei im ersten Jahrtausend freiwillig gewesen – „und er sollte wieder freiwillig werden". Er wies darauf hin, dass manche Priester sich aufgrund des Zölibats auf heimliche Beziehungen einließen, aus denen in manchmal auch Kinder hervorgingen. Dies sei eine „globale Realität". Den Pflichtzölibat halte auch Papst Franziskus für „eine zeitlich begrenzte Vorschrift". (kna u. vn v. 8. 1.)

Lange hat es in der römisch-katholischen Kirche verheiratete Priester gegeben, meint die Franziskanerin Katharina Kluitmann. Dass jetzt ein Berater des Papstes [Erzbischof Charles Scicluna P. W] eine Aufhebung des Zölibats fordert, überrascht sie nicht. Vieles spräche dafür, sagt sie im Interview: „Ich habe überhaupt nichts gegen Ehelosigkeit. Ich lebe sie selber und ich lebe sie gerne. Ich habe dafür, dass ich ehelos leben will, Jobs, Dienste, Berufe in Kauf genommen. Beim Priester ist es aber genau umgekehrt. […] Es steckt immer so ein bisschen der Verdacht dahinter, dass man das nur in Kauf genommen hat. Und das ist nicht gut. […] Wir haben eben ganz lange in der Kirche verheiratete Priester gehabt und wir haben auch heute auf der Welt verheiratete Priester, auch in den orthodoxen Kirchen. Und wir haben ja sogar in den katholischen Ostkirchen und sogar in der römisch-katholischen Kirche verheiratete Priester. […] Und irgendwann kommts ja vielleicht. […] Es täte dem Priesteramt gut, wenn es von unterschiedlichen Menschen, also Verheirateten und nicht Verheirateten, gerne auch Frauen ausgeübt würde. […] Der Synodale Weg spricht sich nicht für die Aufhebung des Pflichtzölibats aus, um den Mitgliederschwund aufzuheben, sondern um des Zeugnisses Willen …“ (domradio.de v. 10. 1.)

Die Linzer Pastoraltheologin Klara-Antonia Csiszar tritt für eine Re-Lektüre der Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils ein. Sie schreibt im Internetportal feinschwarz.net: „Es mag im deutschen Sprachraum langweilig sein, dass die Konzilstheologie und ihre Konsequenzen nicht überall so selbstverständlich sind wie bei uns, doch es wird eine Wiederholung notwendig sein, ganz explizit bei den großen Themen des Konzils“. Dazu zählt sie unter anderem das synodale Prinzip, die Hierarchie der Glaubenswahrheiten oder das allgemeine Priestertum aller Getauften. Wir brauchen „einen starken Zusammenschluss und ein gutes Miteinander von allen, die nicht ständig gegen den Papst agieren. Vielleicht braucht es einen neuen Katakombenpakt. […] Was jedoch [bei der Weltbischofssynode P. W.] offensichtlich wurde, dass synodal Kirche zu sein verdammt schwer, jedoch möglich ist.“ (kath.ch u. vn v. 14. 1.)

Nur wo die Dienste der Kirche als „Aufgabe für alle“ und nicht als „Macht über alle“ verstanden und gelebt werde, sei sie glaubwürdig. Der St. Galler Bischof Markus Büchel in einem Hirtenbrief: In Zeiten einer politischen Zeitenwende und vielfältiger globaler Krisen seien „Institutionen wie Religion und Kirche gefragt, die auch in schwierigen Zeiten Halt und Sinn schenken“. Aber „diese Kirche ist auch eine sündige Kirche. Das Ausmaß an krimineller und krankhafter Energie, das ans Licht kam, bleibt unentschuldbar. […] Zur Kirche, wie das Zweite Vatikanische Konzil sie gedacht hat, sind wir aber immer noch unterwegs – zu einer Kirche also, in der die Gleichstellung von Mann und Frau, die echte Teilhabe der Glaubenden, die Menschenrechte und der Dialog selbstverständliche Inhalte und Praxis sind.“ (vn v. 15. 1.)

Der Regensburger Dogmatiker Wolfgang Beinert sieht keinen hinreichenden theologischen Grund gegen eine Priesterweihe für Frauen. Auch das Papstschreiben „Ordinatio sacerdotalis " Johannes Pauls II. von 1994 habe nur die Geltungskraft einer Mitteilung, sagte er der „Rheinischen Post". Alle Argumente darin seien, „schwach und stehen auf sehr tönernen Füßen". Der einzige Grund für die Verweigerung einer Priesterinnenweihe sei die Tradition. Diese sei aber nicht gottgegeben, sondern von Menschen in etlichen Jahrhunderten so geschaffen worden. Beinert (emeritiert 1998) fordert eine dringende Reform des Priesteramtes: „Es wäre doch überhaupt nichts gewonnen, wenn heute auch Frauen einfach nur geweiht werden dürfen, und alles andere bliebe beim Alten." Der einstige Ratzinger-Schüler sieht die Kirche an einem Scheideweg: „Entweder sie bleibt dort, wo sie jetzt ist, dann wird sie zumindest auf der nördlichen Halbkugel zu einer großen Sekte verkümmern. Oder sie geht den Weg der Reformen; dann kann ihre wunderbare Botschaft wieder aufblühen." Der Kirche schreibt der 90-jährige Dogmatiker ins Stammbuch: „Wir müssen immer wieder neu lernen. Veränderungen sind ein Zeichen von Vitalität. Den Status, an dem sich nichts ändert, nennen wir Tod…." (kap v. 23. 1.)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, plädiert für eine stärkere Umsetzung von demokratischen Strukturen in der Kirche. Entscheidungen sollten auf möglichst breiter Basis diskutiert und getroffen werden, schrieb er in der „Herder Korrespondenz": „Berührungspunkte und Parallelen mit demokratischen Leitungsstrukturen" sollten niemandem in der Kirche Angst machen, schreibt der Limburger Bischof. Er sprach sich für entsprechende Handlungsspielräume in unterschiedlichen Regionen der Erde im Dialog mit der Universalkirche aus. Es sei für die Zukunft entscheidend, „die gemeinsame Lehre der Kirche so zu konkretisieren, dass sie auch unter den lokalen Lebensumständen angenommen und mit Leben gefüllt werden kann". Kirchliche Tradition sei niemals unveränderlich, sondern müsse „dynamisch gedacht werden". (domradio.de v. 29. 1.)

Für Thomas Söding, den Neutestamentler an der Universität Bochum, sei die Frage noch offen, wie die Kirche „ihre bischöfliche mit einer synodalen Struktur verbinden" soll. Dies betonte er bei einem Vortrag an der Wiener „Akademie am Dom": „Wir wollen nicht im Dissens mit Rom sein, sondern Synodalität auf Dauer stellen - und dafür benötigen wir auch das römische Gütesiegel". Unter dem Titel „Bewegt sich die Kirche?" führte der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken aus: Insgesamt würden die laufenden synodalen Reformprozesse wie in Deutschland, aber auch auf weltkirchlicher Ebene, in Lateinamerika und in Australien zeigen, dass sich die Kirche bewegt - wenngleich mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Offen sei jedoch die Frage, wie die Kirche „ihre bischöfliche mit einer synodalen Struktur verbinden" soll. Weitere Themen waren Klerikalismus und Bischofsamt, Stärkung der Frauenrechte und der kirchliche Umgang mit Menschen in „irregulären" Beziehungen. In vielen Teilen der Kirche fehle leider noch eine fundierte theologische Debatte und Begleitung, konstatierte Söding: Gemeint sei damit eine Reflexion der Debatten vor dem Hintergrund von Schrift, Tradition, dem Glaubenssinn des Gottesvolkes, dem Lehramt, den anderen Wissenschaften - und schließlich einer „kommunikativen Verschaltung" dieser theologischen Quellen. Eine solche theologische Begleitung der Synodalen könnte „die Qualität der Beratungen heben und die Kompetenz aller fördern". Insgesamt zeigte sich Söding zuversichtlich, dass der deutsche „Synodale Weg“ ein Erfolg wird, der sich derzeit in der Phase der Gründung des „Synodalen Ausschusses“ in Vorbereitung eines „Synodalen Rates“ (bis 2026) befindet. Es gebe gewiss „Kommunikationsprobleme". So gebe es u.a. aus Wien [gemeint sind Kardinal Schönborn und der Dogmatiker Jan-Heiner Tück. P. W.] die Befürchtung, dass ein Synodaler Rat das Bischofsamt „beschädigen" könnte - eine Befürchtung, die ihn „verwundert". (kap v. 30. 1.)