Versuchung Fundamentalismus: Glaube und Vernunft in einer säkularen Gesellschaft

25.03.2013

Für Hermann Häring ist die christliche Botschaft wichtiger denn je. Deshalb analysiert der in den Niederlanden emeritierte deutsche Dogmatiker die in den Amtsstuben der Kirchenleitung vorherrschende Theologie. Er zählt zu einem der schärfsten und hervorragenden Kritiker. Seine Kritik ist stets sachbezogen, mit einer Fülle von Argumenten unterlegt und nicht die Person vernichtend. Für Häring wächst der Fundamentalismus aus der Angst vor der Moderne. Dieser zeige sich deutlich in der Dialogverweigerung der Kirchenleitung. Im Androhen von Höllenstrafen oder im Absprechen des Kirche seins für die Christinnen und Christen der Reformation sieht Häring das Ideologie getriebene Kirchensystem des Antimodernismus. Seine heutige Leitfigur ist Joseph Ratzinger.

Benedikt XVI. stellte eine "Hermeneutik des Misstrauens" gegen Demokratie und Menschenrechte. Gewissensfreiheit führe für Ratzinger in eine "Diktatur des Relativismus". Deshalb habe dieser innerkirchliche Kritiker wie etwa Hans Küng, Hubertus Halbfas oder Eugen Drewermann zu verdrängen versucht. Benedikt habe aber nur "Stammtisch-Atheisten" wie Richard Dawkins und Christopher Hitchens aufgewertet. Häring sieht das als einen Kampf gegen "die brüchigen Windmühlen eines Gottes- und Menschenbildes aus dem 17. Jahrhundert".

Der Tübinger Theologe meint in der Kontinuität, mit der ein vormoderner Konservativismus des Mittelalters in der römisch-katholischen Kirche gepflegt werde, die Ursache zu erkennen, warum der vom „Antimodernismus getragene Fundamentalismus so gefährlich ist“. Der Wahn führe dazu, dass nur mehr jeder sich selbst vertraue. Die Dauerpolarisierung führe zu Angstattacken, die ungeahnte Potentiale von Aggressionen und geistiger Gewalt freigelegt haben.

Hans Peter Hurka

Häring, Hermann: Versuchung Fundamentalismus; Glaube und Vernunft in einer säkularen Gesellschaft, Gütersloher Verlagshaus (25. März 2013), 176 Seiten, 18,50 € , ISBN 978-3-579-06637-0