Eine Osterzeichnung der anderen Art

Predigt von Harald Prinz, Ostersonntag 2023 in Enns St. Laurenz

Liebe Mitchristinnen und liebe Mitchristen!

Vor einiger Zeit ließ ich im Religionsunterricht der 1. Klasse Volksschule die Kinder ein Kreuz zeichnen. Ich hatte ihnen von Jesus erzählt und von den Ereignissen in Jerusalem und davon, dass das Kreuz für uns Christinnen und Christen ein Erinnerungszeichen an Jesus und ein Symbol unseres Glaubens ist.

Die Kinder haben sich gleich brav ans Zeichnen gemacht; sie malen so gern in diesem Alter und haben Freude, wenn sie auf dem Papier ihre Welt gestalten können. Ganz frei nach ihrer Phantasie.

Und da kam danach dann ein Kind und brachte mir seine Zeichnung. Und sagte „Die ist für dich!“ Und diese Zeichnung aus dem Religionsunterricht hat mich sehr zum Nachdenken gebracht:

Das Kind hat – wie es seine Aufgabe war – das Kreuz gezeichnet. Und auf das Kreuz hinauf hat es Jesus gemalt. Ganz einfach, mit Kreisen und Strichen und einem Bündel Haaren über dem Kopf. Zwei Augen und einem Mund. Und jetzt kommt es: Dieser Mund lacht. Und nicht bloß ein bisschen. Sondern voll und ganz. Von einem Ende bis zum anderen … Dieser Jesus am Kreuz lacht! Und rund um diesen Jesus hat das Kind noch Herzen gemalt, rote und blaue, große und kleine.

Wie schon gesagt, diese Zeichnung des Kindes hat mich einigermaßen zum Nachdenken gebracht. Natürlich hat Jesus am Kreuz gelitten und ganz sicher hat er eher geweint als gelacht. Aber wenn ich Jesus am Kreuz nicht nur historisch anschaue, wenn ich in ihm nicht nur einen Menschen sehe, der damals das Kreuz erleiden musste, sondern wenn ich in diesem Jesus bereits den Christus sehe, den, den Gott dann zur Auferstehung gerufen hat, für den der Karfreitag keine Endstation war, sondern nur der Durchgang zu einem neuen Leben in der Gnade Gottes, dann kann ich mit diesem lachenden Jesus am Kreuz viel anfangen. Im Grunde genommen ist dieser lachende Jesus am Kreuz DIE Osterbotschaft par excellence.

Das Lachen dieses Jesus sagt uns: Der Karfreitag ist nicht das letzte Kapitel. Im Buch des Lebens wird eine neue Seite aufgeschlagen, auf den Karfreitag folgt Ostern. Auf den Tod die Auferstehung! Daher kann Jesus lachen. Richtig fröhlich lachen. Das Kind hat dieses Lachen fast keck gezeichnet, es wirkt herausfordernd, ansteckend, als möchte dieser Jesus sagen: „Komm, lach mit!“ Als wollte sich dieses Lachen von Jesus auf uns übertragen.

Und neben dem Kreuz hat das Kind viele bunten Herzen gemalt. Herzen sind Zeichen für die Liebe, das weiß auch schon ein Kind im ersten Schuljahr. So strahlt dieser lachende Jesus am Kreuz also auch Liebe aus. Und auch das ist wohl eine Osterbotschaft. Denn das, was damals passiert ist auf Golgotha und in Jerusalem, betraf ja nicht nur Jesus. Es betraf sehr bald auch Maria von Magdala und Petrus, die Zeugen des Auferstandenen wurden und zu verstehen begannen, dass die Auferstehung Jesu auch in ihr Leben hineinwirkt und dass die Botschaft dieses Lebens und dieser Liebe Kreise ziehen will, ausgehend von Jerusalem, hineingehend in die ganze Welt. Zuerst Emmaus, dann Galiläa, bald Damaskus, Korinth, Rom, irgendwann dann Lauriacum, Enns.

Jesus ist nicht für sich gestorben und auferstanden, sondern für die Welt. Für dich und mich. Auch das zeigt mir dieser lachende Jesus meines Volksschulkindes. Eine Osterzeichnung der anderen Art, aber mit viel Botschaft und Esprit.