09.12.2012, Martha Heizer
8. Dezember
Wenn wir heute das "Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria" feiern, so ist für viele von uns nicht klar, worum es eigentlich geht; das wissen wir aus zahlreichen Befragungen. Weder unser Hirn noch unser Herz weiß so recht was anzufangen mit diesem Tag.
Das hat einen naheliegenden Grund. Wir feiern etwas, wofür es in der Bibel keine Stelle gibt. Das heißt, für Lesung und Evangelium müssen Texte verwendet werden, die "irgendwie" mit dem Fest in Zusammenhang stehen, und da hat man sich für die Verkündigung entschieden, also für die Empfängnis Jesu. Das mag ein Grund für die Verwirrung sein. Es geht aber, um das klar und deutlich zu sagen, um die Empfängnis Marias, darum, dass Maria schon ab ihrer Zeugung durch Joachim und Anna von allem Bösen, von jedem Schaden, von der Erbsünde also befreit war durch eine einzigartige Gnadenzuwendung Gottes.
Das ist ein Dogma. Ein Dogma ist ein Satz, von dem die Kirche ausdrücklich verkündet, dass er von Gott geoffenbart worden ist, und dass darum fest und beständig daran zu glauben ist. Wer dies nicht tut, ist häretisch. Ausdrücklich verkündet hat dieses Dogma Papst Pius IX im Jahr 1854.
Dieses Dogma hat eine recht abenteuerliche Geschichte. Von frühesten Zeiten der Kirche an hatte der Glaube des Volkes eine außerordentliche Bedeutung für die Entwicklung dessen, was später das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis werden sollte. Schon aus dem 2. Jht. gibt es eine Erzählung (im apokryphen Jakobusevangelium) über die Empfängnis Mariens, und vom 8. Jht. an hielt man es weitgehend für angemessen, dass die Frau, die den Messias zur Welt bringen sollte, sündenlos gewesen sein müsse - nicht durch eigenes Verdienst, sondern durch die Gnade Gottes. Die Theologen haben sich Gedanken darüber gemacht, wann diese besondere Heiligung stattgefunden habe - bei ihrer eigenen Entstehung oder im Augenblick der Empfängnis Jesu. Immer mehr ist es schließlich den Menschen wichtig geworden, dass Gott sie im voraus bewahrt habe vor allem Bösen, damit sie eine "unbefleckte Heimat" für den Messias sein könne.
Die Theologie hatte sich lange diesem Wunsch des Volkes verschlossen gezeigt. Das tiefe Glaubensgespür des Volkes und seine Frömmigkeit und Lebenspraxis brachte aber nach langem Hin und Her das Lehramt schließlich dazu, sich in aller Klarheit zu äußern und das Dogma zu formulieren. Erst ab da fühlten sich die Gelehrten der Kirche verpflichtet, diesen Lehrsatz mit aller Kraft ihrer geistigen und geistlichen Kapazität zu durchdringen und die Festigkeit seiner Wurzeln zu überprüfen.
Es ist interessant, dass die Situation heute weitgehend umgekehrt ist. Viele Gläubige stehen diesem Dogma unwissend, gleichgültig oder skeptisch oder überhaupt ablehnend gegenüber, während das Lehramt immer hartnäckiger darauf besteht.
Nun, Glaube lässt sich nicht verordnen. Aber Wissen kann helfen, den Glauben anzubahnen. Deshalb möchte ich die Inhalte zu erklären versuchen, die hinter diesem Lehrsatz von der Unbefleckten Empfängnis, der IMMACULATA CONCEPTIO stehen.
1. Maria ist das Symbol für das ganze Volk Gottes. Das ist zunächst einmal das Volk Israel, aus dem sie stammt und dem sie eng verbunden ist. Mit ihr erreicht dieses Volk einen Endpunkt seines Weges zum Messias, der die Fülle der Zeiten ist. Mit Maria beginnt ein Reinigungsprozess des ganzen Volkes für ein vollkommeneres Leben mit Gott. In Maria zeigt sich, wozu das ganze Volk gerufen ist, nämlich "erwählt vor Erschaffung der Welt" "heilig und untadelig vor Gott zu leben" (Eph 1,4).
Maria als Symbol für das ganze Volk Gottes ist somit Beispiel für die ganze Kirche und für jede/n von uns. Die Heiligkeit, die uns Gott durch seine Schöpfung und Erwählung verliehen hat, ist uns immer wieder durch Untreue und Unvermögen verloren gegangen. Maria zeigt uns, dass dennoch der neue Himmel und die neue Erde und wir selber als immer wieder neue schon Wirklichkeit sind. Vorbei ist die Zeit, in der die heilige Gegenwart Gottes auf den Steintempel Jerusalems beschränkt war. Jetzt wird der menschliche Körper zum Tempel Gottes.
2. Das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Marias will uns darüber hinaus sagen, dass nicht nur die Seele Marias bewahrt blieb von Sünde und dem Verstoß gegen den Plan Gottes. Ihre ganze Person war durchdrungen und geprägt von Gnade, vom Leben Gottes. Ihr ganzer Körper war Wohnung des heiligen Gottes. Die Körperlichkeit der Frau, die das Buch Genesis zur Ursache für die Erbsünde macht - womit sie dem weiblichen Geschlecht einen nur schwer zu ertragenden Makel und eine erdrückende Last aufbürdet - , ist endgültig rehabilitiert. Dieser Körper wird selig gepriesen. In diesem Körper vollbringt Gott die Fülle seiner Wundertaten. Im Körper und in der Person einer Frau kann die Menschheit ihre Berufung und ihre Bestimmung erkennen, die zu einem guten Ende führen.
3. Und schließlich darf man nicht vergessen, dass die U. E., die auf den Altären verehrt wird, eben jene arme Maria aus Nazareth ist, eine Frau aus dem Volk, völlig unbedeutend ihrer Stellung in der Gesellschaft ihrer Zeit nach. Sie trägt die Zusage der Vorliebe Gottes für die Erniedrigten, die Kleinen und Unterdrückten in sich. Das "marianische Privileg" ist in Wirklichkeit das "Privileg der Armen". "Maria voll der Gnade" - diese Gnade ist ein Erbrecht des ganzen Volkes.
4. Und zuletzt: was kann dieses Dogma für uns persönlich bedeuten?
Es kann heißen, dass wir in Erinnerung an unsere eigene Taufe, die uns von der Erbsünde befreit hat, endlich wagen dürfen / sollen, an das Beschenktsein durch Gottes Gnade zu glauben, an das Wirken des Heiligen Geistes in uns; dass wir schleunigst aufhören sollen, ständig auf die Sünde zu starren und endlich unser Heil, unsere Heiligkeit, das ganz besondere Gnadengeschenk Gottes an uns, annehmen lernen.
Martha Heizer