15.04.2012, Monika Wölflingseder
Im Rahmen des Donnerstagsgebts am 3. Mai 2012 in Salzburg legte Monika Wölflingseder ihre Gedanken vor:
Das Lukas- Evangelium (Lk 1, 26 – 38) erzählt, dass der Engel Gabriel Maria erscheint und ihr sagt, sie werde den Sohn Gottes zur Welt bringen. Und Maria glaubt ihm – vom Stand weg – ohne sich die Identität des Engels von irgendjemandem beglaubigen zu lassen. Sie fragt niemanden, was sie von dieser Erscheinung halten soll – nicht ihren Verlobten, keinen Priester, keinen Gesetzeslehrer…
Sie fragt zwar den Engel, wie es möglich ist, dass sie schwanger wird, ohne mit einem Mann zusammen gewesen zu sein, aber als dieser ihr antwortet: „Für Gott ist nichts unmöglich“, genügt ihr das und sie vertraut darauf, voll und ganz.
Auch Josef träumt von einem Engel (Mt 1, 18-24) und er handelt danach, was dieser ihm sagt: Er schickt Maria nicht weg, wie er es eigentlich vorgehabt hatte.
Was wäre wohl gewesen, wenn er jemanden gefragt hätte, was er von seinem Traum zu halten hat? Was wäre aus Maria und ihrem ledigen Kind geworden, wenn sich Josef an die damaligen Gesetze und Sitten gehalten hätte, statt an die Stimme des Engels in seinem Traum?
Es war für Maria und für Josef eine einsame Entscheidung, ob sie dem Engel vertrauen oder ob sie seine Worte als Hirngespinst abtun. Sie haben sich diese Entscheidung von niemandem abnehmen lassen.
Sich diese Haltung zum Vorbild zu nehmen, ist eine große Herausforderung.
Die Herausforderung, in Eigenverantwortung zu unterscheiden, was die Stimme der Engel ist und was die Stimme meiner Bequemlichkeit oder Ängstlichkeit, oder meines Strebens nach Anerkennung oder Macht … Wir sollten bei dieser Unterscheidung sehr selbstkritisch sein, aber auch kritisch den vielfältigen Erwartungen gegenüber, mit denen wir konfrontiert sind.
Wir sollten einander ermutigen, unsere Entscheidungen immer wieder zu hinterfragen und nicht immer automatisch den naheliegendsten Weg zu gehen; den Weg, den die andern von uns erwarten, den Weg, wo wir am wenigsten anecken.
Gott mutet uns auch Wege zu, nicht konform gehen mit dem, was üblich ist, nicht konform mit Traditionen oder Vorschriften. Die Entscheidung für einen bestimmten Weg ist letztlich immer eine einsame Entscheidung und die ganz persönliche Verantwortung jedes einzelnen Menschen. Das sollten wir auch gegenseitig respektieren.
Natürlich brauchen wir Menschen Gesetze und Vereinbarungen, damit wir wissen, woran wir miteinander sind.
Aber ich glaube, bei Gott können wir nie so genau wissen, woran wir sind. Gott ist immer gut für Überraschungen. Überraschungen, die uns dazu bringen sollten, unsere eingefahrenen Denkmuster und Gewohnheiten neu zu überdenken und auch zu verändern.
Einfacher ist es freilich, sich immer nach den von uns Menschen gemachten Regeln zu halten und die Stimme der Engel - entsprechend der geltenden Gesetze und Sitten - zu zensurieren.
Die Gesetzgeber der katholischen Kirche haben, so scheint es mir, diese Zensur der Engel zum Prinzip erhoben:
Es sei ein für alle Mal unmöglich, dass Gott eine Frau zur Priesterin beruft, behauptete Papst Johannes Paul II und Papst Benedikt bestätigt das.
Jahrhundertelang ist den katholischen Gläubigen gelehrt worden, dass sie daran glauben sollen, ja müssen, dass Maria tatsächlich als Jungfrau – biologisch verstanden – ein Kind zur Welt gebracht hat – denn: „Für Gott ist nichts unmöglich.“
Aber es sollte endgültig unmöglich sein, dass Gott Frauen zu Priesterinnen beruft?!
- Ist es für Gott unmöglich, verheiratete Menschen, Väter oder Mütter zum Priestertum zu berufen?
- Ist es für Gott unmöglich, einen homosexuellen Menschen zum Dienst in der Kirche zu rufen?
- Ist es für Christus unmöglich, bei einer Eucharistiefeier in Brot und Wein gegenwärtig zu werden, auch wenn kein geweihter Priester anwesend ist?
- Ist es unmöglich, dass die katholische Kirche sich vom patriachalen Machtapparat verabschiedet und zu einer durch und durch geschwisterlichen Kirche wird?
„Für Gott ist nichts unmöglich“, hat der Engel Gabriel zu Maria gesagt. Und ich glaube daran.
Ich glaube auch, dass kein Mensch die Vollmacht hat, die Stimme der Engel zu zensurieren, weil es für uns Menschen unmöglich ist, dem Willen Gottes Grenzen zu setzen.
Ich sehne mich nach einer Kirche, die mich in meinem Versuch, auf Gott zu hören, nicht mit dem Verweis auf Vorschriften und Traditionen abspeist.
Ich sehne mich nach einer Gemeinschaft, die mir dabei hilft, die Stimme Gottes aus all den anderen Stimmen herauszuhören, und die mich dazu ermutigt, dieser Stimme auch zu folgen.
Ich denke, einander dabei zu unterstützen, ist vor allem auch die Aufgabe von uns sogenannten Laien in der Kirche. Wir Laien werden, zumindest solange wir kein offizielles Amt und keinen bezahlten Arbeitsplatz in der Kirche haben, von dieser „Amtskirche“ nicht besonders ernst genommen. Diese Tatsache bedeutet eine große Freiheit.
Denn dadurch sind wir frei, der Stimme der Engel zu folgen, ohne von der Kirche etwas befürchten zu müssen: Wir haben weder Amt noch Würden zu verlieren, und sind, was unseren Beruf und Lebensunterhalt angeht, nicht von der Institution Kirche abhängig.
Diese Freiheit können wir als Auftrag verstehen. Als Auftrag, ohne Angst unseren Beitrag zur Erneuerung der Kirche zu leisten.
Wir müssen nicht untätig darauf warten, bis die Amtsträger die Probleme in der Kirche lösen. Auch wir „einfachen“ Christinnen und Christen können und sollen gemeinsam neue Wege finden, damit unsere Kirche hier und jetzt lebendig ist und für die Zukunft lebendig bleibt.
Ich habe in meiner Pfarre und bei den regelmäßigen „Donnerstagsgebeten für die Erneuerung der Kirche“ eine Gemeinschaft gefunden, mit der ich diese neuen Wege suchen und gehen kann und dafür bin ich sehr dankbar.
Monika Wölflingseder, „einfache“ katholische Christin