Brot und Wein teilen – das Reich Gottes erahnen

Herrenmahlfeiern in Hauskreisen und kleinen Gemeinschaften

Die liturgische Feier des Herren- oder Abendmahles (evangelisch-katholische Bezeichnung) oder der Eucharistie (römisch-katholische und orthodoxe Bezeichnung) ist die symbolische Vergegenwärtigung des Todes und der Auferweckung Jesu und der von ihm verkündeten und gelebten Botschaft vom Reich Gottes.

Wie bedeutsam schon in den frühchristlichen Gemeinden die Erinnerungsfeier als Mahl mit dem Teilen des Brotes und des Bechers war, bezeugen alle Evangelien mit ihrer nachdrücklichen Wiedergabe der Einladung zum Teilen (Mt 14, 13-21; 15, 32-39; Par.).

Nicht neu, aber gegenwärtig beschleunigt, werden selbst lebensfähige Pfarrgemeinden zu anonymen Großpfarreien mit der Begründung personeller und finanzieller Zwänge umstrukturiert. Beobachtbar leidet darunter die Beziehung zwischen Seelsorger und Gemeinde und der Gemeindemitglieder untereinander als notwendiges Element für gemeinschaftliches Glaubensleben. Von diesem Beziehungsverlust ist in besonderem Maß die Eucharistiefeier als Erinnerungsmahl betroffen. Sie ist Zentrum christlicher Gemeinde und bedarf personaler Nähe, um im Teilen von Brot und Wein sich als Gemeinde in der Gegenwart Jesu Christi zu erfahren, die das Leben in all seinen Facetten miteinander teilt. Eine verordnete Zusammenkunft zum Empfang von Sakramenten wird dies nicht bieten.

Wie kann angesichts dieser Entwicklung in Hauskreisen, in Gruppen und kleinen Gemeinschaften, in denen man sich kennt und aus denen man christlich glaubend lebt, in Wort und Handlung die vergegenwärtigende Erinnerung an Jesu Leben, Tod und Auferstehung gefeiert werden? Bei der für die Pastoral vor Ort sich abzeichnenden negativen Folgen der Umstrukturierung bestehender Gemeinden hat der Freckenhorster Kreis (FK) im Bistum Münster (www.freckenhorster-kreis.de) in seinen „Informationen“ vom Dezember 2008 / Nr.132 unter der Überschrift „Wo zwei oder drei...“ angeregt, in Gruppen und Hauskreisen erste Schritte auf dem Weg zu einer lebendigen Mahlfeier und Erinnerungspraxis zu erproben1.

Warum wir das Mahl so feiern

Einige Jahre zuvor schon hatte eine Regionalgruppe des FK bei ihren regelmäßigen Treffen die Verlebendigung der Eucharistiefeier als Erinnerung an Jesu Leben, Tod und Auferstehung zu ihrem theologischen und praktischen Schwerpunktthema gemacht. Die Gruppe hat sich bei ihren Diskussionen und Erprobungen an dem frühchristlichen Hauskirchenmodell orientiert, das nach der sogenannten Konstantinischen Wende im 4. Jahrhundert verschwand, als die christliche Religion unter Theodosius I. 381 Staats- und Volksreligion wurde. Dieser Aufstieg war politisch gewollt und wohl auch nützlich. Leider jedoch war dieser Aufstieg mit einer Bevorzugung der bis dahin Gemeinde bezogenen Dienstämter „Presbyter“ (Gemeinde-Ältester, lat.: Senator), „Episkopos“ (Aufseher, lat.: Inspektor) und „Diakon“ (Gemeinde-Helfer) verbunden mit einer sozialen Entfremdung der Amtsträger von den Gemeindemitgliedern, nicht zuletzt auch durch eine Sakralisierung der Ämter. Zur Entstehung und Entfaltung der Ämter und der damit verbundenen Spaltung des Gottesvolkes in Klerus und Laien sei auf das umfangreiche Werk von A. Angenendt „Offertorium“2 verwiesen.(Auf eine differenzierende Unterscheidung zwischen Weihe und Ordination soll hier verzichtet werden.)

Bei ihren theologischen Diskussionen und praktischen Erprobungen ist der FK-Gruppe neben der vom Vatikanum II erneuerten Volk-Gottes-Ekklesiologie (Kirche als Gemeinschaft der Heiligen) im Gegensatz zur Communio-Hierarchica-Ekklesiologie auch folgende These wichtig: Wenn in der Vergangenheit gegolten hat, dass unter sich ändernden politisch-sozialen Bedingungen sich die sozialen und institutionellen Strukturen der christlichen Gemeinden ohne Inhaltsverlust an den und in den öffentlichen Raum anpassten, dann ist auch heute die Suche nach und Erprobung von Gemeindestrukturen legitim, in denen Glaube und Hoffnung in geschwisterlicher Gemeinschaft in Gleichzeitigkeit gelebt werden können. P. Neuner schreibt in den Stimmen der Zeit, hier zitiert aus „Christ in der Gegenwart“ Nr. 9 / 2014, S. 90 : „Die Ordnung der Ämter in der Kirche sei jedoch ‚nicht neutestamentlich festgeschrieben, sondern wurde von der frühen Kirche in Reaktion auf konkrete Herausforderungen getroffen.’ Es sei keineswegs ausgeschlossen, ‚dass es auch andere Entwicklungslinien hätte geben können und tatsächlich gegeben hat. ..... Doch der Rückzug auf das Argument, die Ämter seien eine göttliche Stiftung, die man nicht ändern oder erweitern dürfe, sei nicht redlich. ‚Die konkrete Anerkennung und Gestaltung der Ämter ist nicht Sache des Theologen, des Dogmatikers, sondern Sache der Kirche’“.

Mittelpunkt des Gemeindelebens ist das Herrenmahl als Erinnerungsfeier. Die Gemeinde ist Trägerin der Feier. Sie bestimmt, wer sie leitet und wer die Liturgie der Feier leitet. Nirgendwo verlangt das Neue Testament den Kultpriester. Im Gegenteil: Das NT sagt ausdrücklich, dass Jesus der einzige Priester des neuen Gottesvolkes ist. Obwohl der historische Jesus nach vorherrschendem exegetischen Befund sich nicht priesterlich verstanden hat, übertrug ihm schon die frühe Kirche diese Würde der priesterlichen Vermittlung zwischen Gott und den Menschen. Für die frühen christlichen Gemeinden gab es darum keine Kultpriester nach jüdischen oder heidnischem Vorbild. Statt dessen haben nach dem 1. Petrusbrief alle Getauften ohne Unterschied des Geschlechtes Anteil am Priestertum Christi (1 Petr. 2,9f). Weil die Gemeinden ein Recht auf einen Leiter oder eine Leiterin haben, von der Gemeinde gewählt und vom Bischof beauftragt, muss deren Zahl der Zahl der Gemeinden angepasst werden und nicht die Zahl der Gemeinden der Zahl der Kultpriester.

Im Bedenken dieser Thesen sei die Erinnerung an die altkirchliche Liturgie mit ihrer jüdisch-christlichen und hellenistischen Mahltradition, so der Münsteraner Liturgiewissenschaftler C. Richter in einem Beitrag in der Zeitschrift „Frau + Mutter „ ((09.2007) von solch überzeugender Logik, dass auch heute jeder christliche Gottesdienst als Mahlfeier, wollte man ihn völlig neu entwerfen, bei dem bekannten Grundmuster ankäme, vergleichbar mit dem liturgischen Verlauf der Eucharistiefeier nach dem Lima Papier von 1982:

  • Einladung
  • Wortgottesdienst aus Lesung, Gebet, Gesang, Predigt,
  • Abendmahlsgottesdienst mit dem Gedächtnis des Lebens, des Todes und der Auferstehung Christi, eingefügt in Erinnerungshandlung,
  • Entlassung in den Alltag

Wie wir das Mahl feiern

Weil also „die christliche Liturgie bei aller Rückgebundenheit in gewissem Maße zeitoffen“3 ist (A. Angenendt), feiert die FK-Gruppe diesem Grundmuster folgend das Erinnerungsmahl. In regelmäßigen Abständen werden auf Anregung der Teilnehmer die Verständlichkeit der Rituale und die theologische Korrektheit der Texte und Lieder reflektiert.

Geleitet wird die liturgische Feier vom jeweilig Einladenden (Mann oder Frau). Selbst gebackenes und leicht brechbares Brot und ein größerer Becher mit Wein sind auf einem Tisch bereitet, an dem alle Teilnehmer Platz genommen haben.

Die Feier beginnt mit dem Wortgottesdienst. Es folgt statt einer Predigt ein Schriftgespräch zu einem Text aus dem 1. oder 2. Testament, den ein Mitglied der Gruppe auswählt und einleitend seine Wahl begründet. Der Friedensgruß markiert den Übergang zum Abendmahlsgottesdienst.

Präfation und Hochgebet, z.T. in der Gruppe zu einem Thema erarbeitet, z.T. Vorlagen folgend, wird reihum gesprochen. Die Einsetzungsworte / Deuteworte sprechen alle gemeinsam.

Nach dem Brotwort bricht – beginnend beim Leiter / Leiterin der Liturgie – jeder seinem Nachbarn das Brot und reicht es mit einem Segenswort weiter, z.B. „Brot des Lebens für dich“. Ebenso reicht nach dem Becherwort jeder seinem Nachbarn den Becher mit einem Segenswort weiter, z.B. „Becher des Heiles für dich“.

(Zur Zeit diskutiert die Gruppe eine anlässlich einer Tagung des Freckenhorster Kreises (2013) angemahnte Alternative: Die feiernde Gemeinde spricht gemeinsam das Brot- und das Kelchwort. Danach brechen die Feiernden , wie beschrieben, einander das Brot und reichen den Becher mit Wein.)

Statt der anschließenden Akklamation „Geheimnis des Glaubens...“ wird oft gemeinsam die Bitte gesprochen: „Gott des Lebens, lass uns vom Leben und Tod Jesu und von seiner Auferweckung durch dich erzählen, solange es Menschen gibt.“ Gerade das „Erzählen vom Leben Jesu“ an dieser Stelle ist der Gruppe im Kontext des Erinnerungsmahles besonders wichtig.

Danach folgt der zweite Teil des Hochgebetes, das mit dem Gebet des Herrn, einem zweiten Friedensgruß und der Entlassung in den Alltag endet.

Die FK-Gruppe feiert in regelmäßigen Abständen diese Liturgie, an der auch evangelische Christen wiederholt teilgenommen haben und teilnehmen. . Sie eignet sich für Hauskreise, Kleingruppen und kleine Gemeinden. Rückmeldungen sprechen oft von einer intensiven und nachhaltig aufbauenden Glaubens- und Gemeinschaftserfahrung, die durch den Alltag trägt.

Weil die Liturgie des Herrenmahles als Erinnerungsfeier Lebensmitte christlicher Gemeinden ist und bleiben muss, kann sich die von der FK-Gruppe geübte Form auf ein Mut machendes Wort von Walter Kasper, Mitbegründer des Freckenhorster Kreises, heute emeritierter Kurienkardinal, berufen, das er als Professor für Dogmatik in Münster 1970 in der Zeitschrift Publik veröffentlich hat. Er fragt in einem dieser Thematik verwandten Kontext („Offene Kommunion“): „Sollte man amtlicherseits, statt Pionierarbeit wacher Gruppen von Christen ....... zu verdächtigen und zu behindern, diesen nicht vielmehr Erfolge wünschen, sie ermuntern und unterstützen, damit mit Hilfe ihrer Experimente Erfahrungen gesammelt werden, die in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit den Kirchen allgemein zugute kommen?“4 Der Frager ist zwar später, aus welchen Gründen auch immer, von diesem Text abgerückt. Gleichwohl macht die nicht ungeschrieben zu machende Frage Mut, neue Wege der Verlebendigung christlichen Lebens in sich verändernden Gemeinden zu wagen.

Heinz Bernd Terbille

Freckenhorster Kreis

Regionalgruppe Recklinghausen

1 Diese Anregung wurde im „Hirschberg“, Ausgabe 03. 2009. S. 169, abgedruckt.

2 Arnold Angenendt, Offertorium – Das mittelalterliche Messopfer, Aschendorf, Münster 2013, S. 471ff

3 Arnold Angenendt, a.a.O. S 485

4 Walter Kasper, Skandal einer Trennung. Offene Kommunion als Zeichen der Hoffnung,.

in: Publik vom 06.11.1970, S. 23