20.03.2010, Josef Jedelsky
Predigt für den 9. Mai 2010 zu den Stellen: Les. Apg 15,1-2,22-29 Ev. Joh 14,23-29
Kaplan Edward Mwale aus Sambia feiert dankenswerter Weise heute mit uns die Messe und unsere fürsorgliche Pfarrhierarchie hat sich auf seinen Wunsch hin entschieden ihn wenigstens von dem Stress einer deutsch zu haltenden Predigt zu entlasten und den Stress auf mich zu verlagern. Na ja, - wenn aber dann ein Sturm der Entrüstung losbricht bin ich bereit sofort aufzuhören.
Wir haben ja zu Pauls Zeiten einen Predigtkreis gehabt und eine ganze Reihe von Laien haben unbekümmert und erfolgreich drauflos gepredigt. Ich habe das Narrenfreiheit genannt und so hieß die Sammlung meiner Predigten aus den Jahren 1976 bis 1998 „Laienpredigt Bindestrich Narrenfreiheit Fragezeichen“. Sie wurde dann als Überraschung für mich aufgelegt, und dabei blieb als Titel nur die „Narrenfreiheit“, die Laienpredigt blieb auf der Strecke.
Selbstverständlich ist dieses Buch vergriffen und dadurch zur bibliophilen Kostbarkeit geworden. Ich habe, wie darin ersichtlich ist fast genau an demselben Maisonntag des Jahres des Heils 1988 eine Predigt zum Muttertag gehalten, in der ich erzählte und bekannte, daß meine Mutter mich, der ich nach Rückkehr aus Krieg und Gefangenschaft der Religion völlig entfremdet war wieder zum Glauben zurückführte.
Leider sind in späteren Krisen die Mütter oft nicht mehr da um ihre mit Liebe gepaarte Überzeugungskraft einzusetzen. Manchmal hat man das Glück, daß die Partnerin oder der Partner diese Rolle übernehmen.
Auch die Kirche könnte ja solche Mütter als Feuerwehr brauchen, wenn einzelne, aber maßgebliche Repräsentanten, durch Sturheit oder falsch verstandene Prinzipientreue die Kirche diskreditieren und in bedrohliche Situationen bringen.
Aber ich will mich ja nicht gerade am Muttertag an „Mutter Kirche“ reiben, Narrenfreiheit heißt aber auch etwas Unbequemes ungestraft aussprechen zu dürfen. Ich will vielmehr herausfinden warum wir noch immer Sonntag für Sonntag und bei noch vielen zusätzlichen Terminen teils von weither zusammenströmen und oft trotz Kälte oder Hitze hier sitzen.
Dabei macht es uns Mühe weil die „Muttersprache“ dieser Mutter Kirche weitgehend daherkommt, als wären wir in der Romantik oder im Biedermeier oder im Feudalismus steckengeblieben. Wenn zum Beispiel Menschen wie du und ich als „Heiliger Vater“, Eminenz oder Hochwürden angesprochen werden und Bilder und Gesetze aus der Zeitenwende vor 2000 Jahren als gültige, ewige Norm verkündet werden.
Es müßte ja nicht gerade das Lokalkolorit von Wolfgang Teuschls legendärem „Jesus und seine Hawara“ sein, die Texte ins Wienerische transponiert, würden ja dann in Norddeutschland nicht verstanden. Sie müßen aber auch nicht unbedingt „urcool“ oder „affengeil“ aufgelockert werden, damit wir sie „schnallen“.
In der Apostelgeschichte, die wir heute als Lesung hörten wird ja darüber berichtet, daß die Leute in Antiochien mit ihren Reden die Gemeinde beunruhigten, weil Uneinigkeit darüber herrschte welche Lasten man den Bekehrten aufbürden dürfte.
Auch uns werden unnötige Lasten aufgebürdet, zum Beispiel Priestern die Ehelosigkeit. Den Frauen der Verzicht auf ihre Berufung, oder auf die öffentlichen Partnerschaft mit einem geliebten Priester. Die von Paulus im Römerbrief beschworene „Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“, gilt ja anscheinend nicht uneingeschränkt für Priester und von der Kirche Abhängige.
Narrenfreiheit heißt auch: Lassen wir es uns nicht gefallen, daß die Kirche durch vermeintliche Hüter des Glaubens langsam aber sicher zu Grunde gerichtet wird. Denn es scheint doch etwas zu geben, das diese Kirche hier vor Ort trotz allem attraktiv macht. Und ich kann es für mich mit der Gemeinschaft erklären welche sie erleben läßt. Einesteils schwer zu begreifen, weil diese Gemeinschaft ja aus Frauen und Männern zusammengesetzt ist, die jede/jeder Eigenheiten haben, Eigenheiten die gerade bei größerer Nähe Reibungsflächen hervortreten lassen. Und doch mühen wir uns teils seit über 40 Jahren immer wieder damit ab. Es scheint, daß doch der Hintergrund, das unbewußt Tiefere, das Verbindende stärker ist.
Ganz praktisch ist auch die Einsicht, daß ohne die „Gschaftlhuber“ der drei Gemeinden die Pfarre kaum funktionieren würde. Andererseits sind diese aktiven und aktivistischen Leute eine Barriere für Engagement Willige mit Angst vor zu engen Bindungen.
Aber, und das ist jetzt ein Apell an diejenigen die sich trauen würden: versuchen sie es mit der zögernden Übernahme der einen oder anderen Tätigkeit. Im Meßdienst, im Handwerklichen, in der Jugendarbeit. Sie werden Freundschaften knüpfen, Zugehörigkeit erleben, nicht mehr nur Konsumenten sein.
Zurück zum Muttertag. Er ist ausnahmsweise nicht von Jesus gestiftet. Er dient uneingestanden dem Abbau von Schuldbewußtsein und natürlich verschämt dem Konsum. Schuldbewußtsein steht uns ja allen zu, wenn man die Leistungen einer Mutter, die meist als selbstverständlich hingenommen werden, mit unserm Echo darauf vergleicht. Aber auch Jesus behandelt seine Mutter laut Evangelien dreimal ziemlich ruppig, und Warnungen schlägt er in den Wind. Wir befinden uns also in bester Gesellschaft.
Liebe Zuhörer die ihr noch eine Mutter habt. Es ist nicht nur ihre Besserwisserei und Herrschsucht, weshalb sie zu Anweisungen und Ratschlägen neigt, sondern es ist Sorge um euch und Liebe die sie dazu treiben. Väter halten sich ja oft aus Bequemlichkeit aus der Erziehung heraus und so bleibt es den Müttern Unangenehmes auszusprechen.
Natürlich empfindet man es als lästig, wenn immer wieder penetrant darauf hingewiesen wird, daß zum Beispiel Bekleidung (die sündteuren Designer Fetzen) im Kasten besser aufgehoben ist als am Fußboden. Ich könnte einen ganzen Katalog von lästigen spitzen Bemerkungen herunterbeten, erforschen wir selbst unser Gewissen.
Deshalb liebe Mütter, bezähmt euren Überwachungsdrang und beschränkt ihn auf wirklich essentielle Bereiche.
Ich bezähme meinen Drang zur Moralpredigt und möchte uns ins Bewußtsein rufen, daß die Möglichkeit den Muttertag, aber auch jeden anderen Tag, für unerzwungene Liebesbezeigungen zu nutzen, zeitlich begrenzt ist.
Im heutigen Evangelium läßt der fast lyrische Dichter Johannes, in der ihm eigenen Weise von Wortkaskaden, Jesus sagen, daß letztlich alles auf Liebe und Frieden ankommt.
Machen wir heute live oder posthum Frieden mit unsern Müttern in Liebe und Dankbarkeit.