Wir sind Kirche zum 90. Geburtstag des Schweizer Theologen Hans Küng (19. März 2018)

Foto: https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_K%C3%BCng

„Seine Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche ermutigt uns“

Pressemitteilung München / Tübingen, 12. März 2018

Mit herzlicher Dankbarkeit gratuliert die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche dem großen Theologen und Ökumeniker Prof. Dr. Hans Küng zur Vollendung seines 90. Lebensjahres. „Seine lebenslange Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche sowie sein Einsatz für die Ökumene und den Dialog der Weltreligionen bleiben uns Ermutigung, Inspiration und Ansporn zugleich“, erklärt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, denn Küng ist auch einer der geistigen Väter des KirchenVolksBegehrens 1995.

Der von Papst Johannes XXIII. zum offiziellen Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ernannte Schweizer Theologe von Weltrang hat ungeachtet der späteren kirchlichen Ausgrenzung entscheidende Beiträge zum katholischen Glaubensverständnis, zu einer ökumenischen Theologie und zum interreligiösen Dialog geleistet. Seine 1957 veröffentlichte Doktorarbeit „Rechtfertigung“ über den evangelischen Theologen Karl Barth und eine katholische Antwort wurde auch von Joseph Ratzinger gelobt, der von 1966 bis 1969 neben Küng in Tübingen Dogmatische Theologie lehrte. Mit grundlegenden Werken („Die Kirche“ 1967, „Christ sein“ 1974 und „Existiert Gott?“ 1978) hat Küng schon früh nicht nur punktuelle Reformgedanken in die Öffentlichkeit gebracht, sondern diese intensiv in grundlegenden Werken biblisch und systematisch intensiv begründet.

Mit seinem ökumenischen Engagement hat Küng maßgeblich dazu beigetragen, dass 1999 eine katholisch-lutherische Einigung in der Rechtfertigungslehre zustande kam. Die Eucharistische Gastfreundschaft, für die sich auch das von ihm 1963 gegründete Institut für Ökumenische Forschung in Tübingen vor dem Berliner Ökumenischen Kirchentag 2003 ausgesprochen hat, war für Küng ein Schritt in die richtige Richtung.

Küng und das Dauerproblem Kirchenreform

Hans Küng hat wie kein anderer in unserer Zeit die Frage nach der Wahrheit und Glaubwürdigkeit im Christentum zur Sprache gebracht und wachgehalten. Nach dem Konzil und durch die Enzyklika „Humanae Vitae“ zur Geburtenregelung (1968) veranlasst, stellte Küng in seinem 1970 erschienenen Buch „Unfehlbar? Eine Anfrage“ die Frage nach der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes.

Dafür wurde ihm am 18. Dezember 1979 unter Papst Johannes Paul II. die kirchliche Lehrerlaubnis („missio canonica“) entzogen. Doch Küng nahm seine theologisch fundierten Aussagen über das umstrittene Unfehlbarkeitsdogma von 1870 nicht zurück und zeigte so, dass nicht Gehorsam, sondern Widerstand – eine eher seltene katholische „Tugend“ – gefordert ist, wenn es gilt, sich römischen Anmaßungen zu widersetzen.

1968 initiierte und entwarf er die Erklärung „Für die Freiheit der Theologie“, die von Yves Congar, Karl Rahner und Edward Schillebeeckx überarbeitet und schließlich von 1.360 katholischen Theologinnen und Theologen aus aller Welt – darunter auch Joseph Ratzinger – unterzeichnet wurde. 1989 war Küng Mitunterzeichner der „Kölner Erklärung“, die sich für eine offene Katholizität und gegen die Überdehnung päpstlicher Autorität aussprach.

Der zweite Band seiner Erinnerungen „Umstrittene Wahrheit“ gibt eine historische wie systematische Begründung der Anliegen von Wir sind Kirche, die sich schon seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil klar abzeichneten und für die Küng schon in den 1960er und 1970er Jahren mit hoher Intensität kämpfte. In Band 6 seiner Sämtlichen Werke beschreibt er in der Einleitung das „Dauerproblem Kirchenreform“: www.wir-sind-kirche.de/files/002618_KUENG_Bd6_Kirchenreform_Einleitung.pdf

Dass Küngs Anfragen an das Papsttum keineswegs erledigt sind, zeigen erneut die zunehmenden Konflikte zwischen Rom und den Ortskirchen sowie die Konflikte zwischen Papst Franziskus und Teilen der Kurie. Pflichtzölibat, Frauenordination und Abendmahlsfrage bleiben trotz aller Verbote aus Rom in der Diskussion, ja sind und bleiben dringende Reformpunkte.

Seit dem Entzug der Missio canonica (1980) widmete sich Küng mit großer Intensität dem interreligiösen Dialog. Dazu hat er selbst drei große Werke zum Judentum (1991), zum Christentum (1995) und zum Islam (2004) veröffentlicht. Seit 1990 entwickelte er das Projekt Weltethos, das er seit 1995 in der „Stiftung Weltethos“ vorantreibt. Ein Meilenstein bedeutet die „Erklärung zum Weltethos“, die vom Kongress der Weltreligionen 1993 in Chicago verabschiedet wurde und zu einem weltweiten Netzwerk interreligiöser Beziehungen geführt hat.

Küng und die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche

Hans Küng ist einer der geistigen Väter der 1980 gegründeten Initiative Kirche von unten (IKvu) und des 1995 durchgeführten KirchenVolksBegehrens, aus dem die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche hervorgegangen ist. Bei der Eröffnung der von Wir sind Kirche mitgetragenen Konziliaren Versammlung „Zeichen der Zeit – Hoffnung und Widerstand“ in der Frankfurter Paulskirche, seinem letzten großen Auftritt in Deutschland, sagte Hans Küng: „Wir dürfen nicht aufgeben ... Gerade in der gegenwärtigen Phase der innerkirchlichen Restauration kommt es darauf an, ... den langen Atem zu bewahren“, ein Wort, das besonders an dem jetzigen Wendepunkt der Kirchengeschichte gilt. www.wir-sind-kirche.de/files/wsk/K%C3%9CNG_Paulskirche_20121018.pdf

Nach der Wahl von Papst Franziskus ein halbes Jahr später schrieb er über die KirchenVolksBewegung: „In ihren Forderungen hat sie [die KirchenVolksBewegung] die Botschaft Jesu Christi hinter sich und sie entspricht zugleich den Erfordernissen der heutigen demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. In der Zeit der beiden Restaurationspäpste Wojtyla und Ratzinger bestand wenig Hoffnung, dass ihre Anliegen in der Hierarchie Gehör finden. Mit Papst Franziskus aber scheint eine Wende eingetreten zu sein, die eine Erfüllung mancher ihrer Forderungen leichter macht. In der winterlichen Kirche hat die KirchenVolksBewegung die Glut unter der Asche am Glimmen gehalten. Möge das Feuer der Reform nun endlich die ganze Kirche und auch den Vatikan ergreifen. Also weiterhin, liebe Freundinnen und Freunde, Mut, Kreativität und Ausdauer!“

Für die Plattform „Wir sind Kirche“-Österreich:

Dr. Martha Heizer, Absam, martha.heizer@inode.at, 0650 4168500

Mag. Petra Schäffer, Wien, petra.schaeffer@aon.at, 0664/5610273