Elisabeth Schüssler Fiorenza: Kongress der Frauen

Buchtipp von Martha Heizer; 9.8.2024
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Eine der Ikonen der Feministischen Theologie, Elisabeth Schüssler Fiorenza hat wieder ein wichtiges Buch geschrieben. Darin kritisiert sie, dass viele Vertreterinnen einer feministischen Theorie Religion ausklammern. Aber Religion greift natürlich ein in das tägliche Leben von Männern und Frauen, greift über auf soziale Strukturen und Machtverhältnisse.

Ich zitiere hier ein paar Stellen, die mir besonders aufgefallen sind: „Ich wurde Feministin, weil ich angetan war von dem politischen Rahmen des Feminismus und seinem Machtanspruch auf Veränderung des religiösen Rahmens, ich dem ich zuhause war, dem Katholizismus, der eine explizite hierarchische, monarchistische und kyriarchale Struktur hat“ (S 8).In aller Kürze bedeutet „Kyriarchat“: der „Herr“ (Herr, Sklav*innenhalter, Vater, Ehemann, dem alle Mitglieder eines Haushalts untergeordnet sind) regiert, beherrscht, kontrolliert. Schüssler Fiorenza verwendet den Begriff als Ersatz für „Patriarchat“.

„Im besten Fall kultivieren Religion und The*logie den Traum einer Welt ohne Herrschaft, Armut und Unterdrückung – einen Traum von Wohlergehen und Liebe, einen Traum, der alle Religionen inspiriert. Dieser in religiöse Schriften eingeschriebene Traum wird immer wieder durch die Kämpfe gesellschaftspolitischer religiöser Befreiungsbewegungen zur hier und jetzt beginnenden Wirklichkeit. Der Feminismus ist eine solche gesellschaftspolitische Bewegung“ (S 14).

„…,kritische feministische The*logien und feministische Studien in Religion müssen meiner Meinung nach eher mit einer radikal demokratischen als mit einer anthropologischen oder normativen Kulturtheorie der Gesellschaft und Religion arbeiten“ (S21).

„In vielen Religionen werden Männer und Männlichkeit mit dem G*ttlichen und dem Transzendenten assoziiert, Frauen und Weiblichkeit dagegen als immanent, unrein, profan, böse, sündig gesehen. Viele religiöse Traditionen – Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Taoismus, Buddhismus – gebrauchen binäre Genderoppositionen zur Konstruktion ihrer kyriarchalen symbolischen Welten…“ (S 60).

„Heute ist der Vatikan aktiv daran beteiligt, die Betonung der Geschlechtergleichheit und Geschlechtergerechtigkeit durch die Vereinten Nationen im Sinne seiner auf dem Unterschied und der Komplementarität zwischen Mann und Frau beharrenden Ideologie von der „Würde der Frau“ umzuändern“ (S 61)

„Wie in Nazi-Deutschland, so werden auch im heutigen amtskirchlichen Katholizismus rechtsgerichtete Frauen und Frauenbewegungen von der The*logie der Ewigen Frau dazu inspiriert, ihre idealistische, aber unterdrückende Botschaft unter Frauen zu verbreiten“ (S 111).

„Rechtsgerichtete christliche Religion predigt eine essentiell weibliche, am kulturellen Ideal der „weißen Dame“ ausgerichtete Identitätsbildung als Untergeordnete und verheißt als „frohe Botschaft“ für Frauen eine Welt der Unterordnung. Dieses Evangelium ist kyriarchal, da es den Status von Frauen als Bürgerinnen zweiter Klasse religiös verteidigt“(S133).

„Soziale Emanzipationsbewegungen, einschließlich der Frauenbefreiungsbewegungen in Religion, kämpfen nicht deshalb für die Gleichberechtigung, um männlich und den Elite- Männern gleichartig zu werden. Sie kämpfen, um die Rechte, Vorteile und Privilegien gleichgestellter Autorität und VollbürgerInnenschaft zu erlangen, die uns rechtmäßig zustehen, aber von den kyriarchalen Regimen der meisten Gesellschaften und der großen Weltreligionen verweigert werden“ (S 156).

In einem vierten Kapitel gibt es schließlich „Resonanzen aus der feministisch- befreiungstheologischen Praxis in Deutschland und der Schweiz“. Da beschreiben Frauen, die zur Arbeitsgemeinschaft Feminismus und Kirchen gehören, ihre eigene Situation und die Erfahrungen, die sie mit feministischer Theologie in ihrem Umfeld machen.

Cordula Müller-Heinrich, Köln, erzählt über ihr Leben als Realschullehrerin im Bergischen Land und wie wichtig ihr die AG Feminismus und Kirchengeworden ist, sozusagen als „Lebensmittel“.

Maria Öllinger lebt im Bayrischen Wald nahe der tschechischen Grenze. Auch dort erzielt sie als Pastoralreferentin Erfolge bezüglich Stärkung der Frauen und dafür, dass ihnen der gebührende Platz als Ebenbild Gottes zugebilligt wird.

Regula Grünenfelder aus Zug in der Schweiz, die 2014 bis 2020 die Fachstelle Feministische Theologie in Luzern leitete, schreibt am Schluss: „Ich erlebe zurzeit, dass es viele Frauen* gibt, die hermetische Herrschaftssysteme knacken wollen – religiöse, ökonomische, politische. Das stimmt mich hoffnungsvoll. Es ist spannend,quer zur herrschaftlichen Ordnung Allianzen zu bilden. In der Praxis erfahre ich, dass sich dadurch, einfach durch das gemeinsame Kämpfen, immer wieder der runde Tisch der Weisheit einstellt, zu dem wir unterwegs sind. Das stärkt uns und macht uns unabhängig von unserer intersektionalen, vielfältig verzahnten Position in der kyriarchalen Pyramide, denn wir wissen: Sie ist kein Naturphänomen, sondern veränderbar! Danke, Elisabeth!“ (S 206). Dem kann ich mich nur anschließen.

Was ich unter anderem mitnehme nach der Lektüre dieses Buches, ist ein Bedauern, dass wir uns in der deutschen Sprache so schwer tun mit dem „Gendern“. Im Englischen kann
man wo/men leicht so schreiben und vermutlich auch so sagen. Darauf hat mich Elisabeth Schüssler Fiorenza – neben so vielem anderen – wieder erinnert.

Die Sprache des Buches ist anspruchsvoll, immerhin stammen die beteiligten Frauen (auch die Übersetzerin Christine Schaumberger) aus dem universitären Umfeld. Trotzdem ist es gut lesbar und spannend, erhellend und bestätigend und motivierend und….

Wir brauchen einen „Kongress der Frauen“ – vermutlich brauchen wir auch ein „Konzil der
Frauen“!

Informationen zum Buch: www.lit-verlag.de