Lieber Papst Johannes Paul

von Marlies Prinz; 22.5.2024

Lieber Papst Johannes Paul,

am 22. Mai 1994 haben Sie mit Ihrem Schreiben Ordinatio sacerdotalis versucht, die Diskussion um das Frauenpriestertum in der katholischen Kirche ein für allemal zu beenden.

Das war vor genau dreißig Jahren und so lassen Sie mich heute ein Fazit ziehen: Ihr Versuch ist gescheitert.

Sie wollten die Diskussion um das Priesteramt für Frauen beenden. Aber stärker als je zuvor wird heute auf der ganzen Welt über die Zulassung von Frauen zu allen Weiheämtern diskutiert.
Sie sagten, dass die Kirche nicht die Vollmacht habe, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Doch etliche Theolog*innen aus der ganzen Welt sehen das heute anders und fordern diese Weihe sogar ganz explizit.
Sie meinten, dass die Grundlage für Ihre Entscheidung schon in der Bibel gelegt sei, da Jesus eben zwölf Männer zu seinen Aposteln ernannt hat und keine Frauen. Aber warum ausgerechnet das Mannsein hier als entscheidend angesehen wird, während andere Dinge wie etwa das Judesein als zeit- oder kulturbedingt betrachtet werden, erschließt sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr und Ihre Argumentation wird von vielen schlicht als unzureichend betrachtet.

Bücher und Zeugnisse in den vergangenen Jahren haben gezeigt, wie viele Frauen es gibt, die eine Berufung zum Priesteramt verspüren. Und dass es viele Männer gibt, die deren Anliegen, geweiht zu werden, aus ganzem Herzen unterstützen.

Ob die Frauenordination kommt, ist eigentlich nicht mehr eine Frage nach dem Ob, sondern eine Frage nach dem Wann – darin sind sich viele Menschen heute einig. Auch Theolog*innen, die sich nicht an Ihr Diskussionsverbot halten. Denn sie haben erkannt, dass es auch und vor allem die Frage nach der Gleichberechtigung ist, an der sich die Zukunft unserer Kirche entscheiden wird.

Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen: Sie wollten theologisch gegen die Weihe der Frau argumentieren, doch Ihre Herangehensweise an das Thema weist Lücken auf, die heute schonungslos aufgedeckt sind. Sie wollten die Diskussion über die Frauenordination ein für allemal beenden, dennoch wurde sogar auf der vergangenen Bischofssynode im Oktober darüber diskutiert.
Mission failed, befürchte ich. Dreißig Jahre, nachdem Sie Ordinatio Sacerdotalis in Auftrag gegeben haben, wissen wir, dass Sie das Thema damit lediglich auf die etwas längere Bank geschoben haben. Aber vom Tisch ist es nicht.

Wenn Sie mit Ihrem Schreiben vielleicht eines erreicht haben, dann, dass sich die Themenschwerpunkte dadurch verschoben haben. Denn für viele lautet die Frage heute nicht mehr: Weihen wir Frauen? Sondern aufgrund des entstandenen Priestermangels und der damit verbundenen Erfahrungen viel weitergehender: (Wozu) brauchen wir überhaupt Priester?! Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht das war, was Sie mit Ordinatio Sacerdotalis bezwecken wollten...

Etwas nachdenklich,
Ihre Marlies Prinz