Die Exkommunikation von Martha und Gert Heizer ein pastorales Desaster

27.05.2014 Stefan Herbst

Am 21. Mai wurde den Eheleuten Martha und Gert Heizer in Anwesenheit zweier Diözesanrichter vom Bischof der Diözese Innsbruck das „verfahrensabschließende Dekret“ bekanntgegeben, das Martha und Gert Heizer exkommuniziert, d.h. vom Sakramentenempfang der Kirche und von kirchlichen Ämtern ausschließt.

Die Exkommunikation in Form eines Interdiktes ist ein Verlust der Kirchengemeinschaft, nicht aber ein Ausschluß aus der Kirche. Sie untersagt den Betroffenen die sakramentale Gemeinschaft, d.h. sie verbietet, dass ihnen die Sakramente erteilt werden. Es handelt sich dabei um eine eingeschränkte Form der Exkommunikation, um eine nach alter kirchenrechtlicher Unterscheidung sogenannte „excommunicatio minor“. Sie ist eine „Beugestrafe“ mit der die Kirche versucht, die Betroffenen zum Einlenken und zur Umkehr zu bewegen. Sie gilt so lange bis der Betroffene sich reuig zeigt und sein falsches Verhalten aufgibt. Sie ist jedoch auch eine der härtesten Strafe, die die Kirche für ihre Mitglieder vorsieht, zumal damit den Betroffenen die („für das Seelenheil notwendigen“) Sakramente vorenthalten werden. Gleichzeitig wird darauf abgezielt, den Betroffenen zu ächten und ihm die Gemeinschaft, in der er lebt, vorzuenthalten.

Der Sinn der Maßnahme also ist durch „Strafe“ eine Verhaltensänderung zu erzwingen. Die Frage stellt sich jedoch, ob dieses Mittel dazu geeignet ist, diesen Zweck zu erreichen d.h. also ob die kirchlichen Behörden mit ihren Maßnahmen noch das bezweckte Ziel erreichen können bzw. ob nicht dadurch andere Folgen und Kollateralschäden auftreten, die das eigentliche Ziel konterkarieren und in Frage stellen.

Anfragen an die Eignung des Interdikts bzw. der Exkommunikation als Strafmittel der Kirche

Zunächst einmal gilt grundsätzlich zu fragen, ob im 21. Jahrhundert und angesichts völlig veränderter gesellschaftlicher und kirchlicher Verhältnisse, das Mittel der „Exkommunikation“ bzw. des Interdikts ein geeignet Mittel darstellt und ob und wenn ja wie man es nutzen kann, um dadurch auch die entsprechende angezielte „Kommunikationswirkung“ zu erzielen. Jedenfalls ist die Verweigerung der Sakramente ein Mittel, das zum einen auf eine Sakramententheologie abstellt, die die Sakramente als (notwendiges) Mittel zum Erlangen des Seelenheils betrachtete, also die „Furcht vor der Hölle“ bzw. Verdammnis nutzt, zum anderen gerade durch die damit einhergehende Ächtung, die Kommunikation eher hindert, als verstärkt. Hinzukommt die Frage, ob eine „Strafe“ wirklich ein geeignetes Mittel ist, um Veränderungen zu erzielen, oder nicht viel mehr das Beharren in der eigenen Sicht der Dinge sogar eher bestärkt. Weiterhin zieht das Interdikt auch die Frage nach der Durchsetzung nach sich. Wird ein mit dem Ehepaar befreundeter bzw. seiner Auffassung nahestehender Priester diesen wirklich die Sakramente verweigern können – ohne selbst damit in große Gewissenskonflikte (hier das Gebot der Institution, dort die pastorale Sorge um Not und Trauer der Menschen vgl. Gaudium et Spes) zu geraten? Auch theologisch ist diese Maßnahme fragwürdig, zumal sie die Sakramente als Strafmaßnahme gebraucht und damit die Frage nach dem inneren Charakter von Sakramenten aufwirft, die ja wirksame Heilszeichen sind und sich deshalb schwerlich, möglicherweise überhaupt nicht, als „Strafmittel“ eignen. Jedenfalls ist ja schon biblisch überliefert, dass Jesus „den Verräter“ Judas bzw. Sünder durchaus beim letzten Abendmahl anwesend wusste und teilnehmen ließ (Mk 14,17) bzw. auch Petrus, der ihn später verraten würde. Die Kirche sollte überprüfen, ob dieser Umgang mit Sakramenten nicht die sakramentale Ordnung selbst schädigt und ihr Bild einer Institution, die für die Menschen und ihr ganzheitliches Heil da ist, entstellt bzw. verdunkelt.

Dass im 21. Jahrhundert die „kirchlichen Behörden“ (ich nenne Ordinariat und Bischof so, zumal sie in Deutschland im Gegensatz zu Ländern der dritten Welt (Argentinien) zumindest weitgehend als gut geölte bürokratische Behörden auftreten) auf das Mittel der „Exkommunikation“ zugreifen, um Probleme und auseinander driftende Einstellungen und Verhalten zu lösen, macht nämlich zunächst einmal zuallererst Folgendes deutlich: „Exkommunikation“ ist die äußerste Maßnahme einer Einrichtung, die die Kommunikation mit den Betroffenen beendet und statt auf Kommunikation und Einsicht zu setzen, nun versucht mit dem Mittel von Strafe, also durch „Kommunikationsverbot“ und „Ausschluss“ versucht, ein Verhalten zu verändern und ein ihr angemessenes Verhalten zu erreichen. Die ganze Problematik dieser Maßnahme wird noch umso mehr dadurch verschärft, dass, wenn man den Aussagen der beiden Betroffenen Glauben schenken darf, es im Vorfeld der Verhängung dieses Interdiktes kein echtes pastorales Bemühen (im Sinne von eingehenden Gesprächen) um die beiden Betroffenen von Seiten der Kirchenleitung gegeben hat. Hier handelt eine Institution „ohne Gesicht“, die statt der persönlichen Kontakte und Bemühungen (der Papst spricht von Konfrontation, Dialog und gemeinsamem Gebet) auf ein quasi automatisches Verfahren abhebt. Nach Kirchenrecht handelt es sich hier um eine Tatstrafe, die sozusagen automatisch mit dem begangenen Übertritt eintritt. Es ist zu fragen, ob hier anstelle echter Bemühungen, der beide Seiten in die Kommunikation und ins Überdenken der jeweiligen Standpunkte bringen würde, nicht ein bürokratischer Akt gesetzt wird. Man mag dem Bischof zugute halten, dass er selbst von dem betroffenen Ehepaar provoziert wurde und von dessen Handlung (ohne entsprechende Vorwarnung?) herausgefordert wurde. Andererseits wäre es jedoch trotz dieser schwierigen Situation an dem Bischof gewesen vor der Einleitung eines rechtlichen Verfahrens alle anderen Mittel (intensive persönliche Gespräche, Einschaltung befreundeter Priester, evtl. Vermittlung durch Bischof Erwin Kräutler[1], usw.) auszuschöpfen, um die Provokation bzw. das „Fehlverhalten“ aus dem Weg zu schaffen.

Unverständnis und Basta-Politik statt pastoraler Bemühung

Die Exkommunikation von Martha und Gert Heizer ist also eine Maßnahme, die als allererstes offenbart, dass da versucht wird eine „Basta-Politik“ durchzusetzen, die in der Kommunikationsverweigerung besteht. Sie kommt zu einer „Unzeit“, zumal sie mitten in das vom Papst eröffnete „Tauwetter“ erneut das Kirchenrecht bemüht, anstatt auf eine pastorale Lösung zu setzen. Es macht deutlich, dass die kirchlichen Behörden in Innsbruck Sinn und Inhalt des Verhaltens von Martha und Gert Heizer nicht verstehen wollen, bzw. verstehen können. Denn dieses Verhalten ist ja ein Verhalten von Menschen, die auf einen Notstand in der Kirche versuchen hinzuweisen. Es ist – von ihnen her gesehen – ein Akt des zivilen Ungehorsams, das aus „guten Gründen“ geschieht. Es ist die Kommunikationsweise von Menschen, die grundsätzlich – wie vielleicht wenig andere Menschen noch – mit der Kirche verbunden sind und sich um Erscheinungsbild und Zukunft von Kirche größte Sorgen machen und die Eucharistie als Mittelpunkt kirchlichen Seins hochhalten.[2] Hier werden im Grunde, zumindest aus der Sicht der Betroffenen, hochwertige ethische und kirchlich lautere Anliegen disqualifiziert und kriminalisiert. Die Exkommunikation stellt damit in ihrer kommunikativen Tiefenstruktur einen Akt der „Nonkommunikation“ dar, einen Akt völliger Unfähigkeit zu angemessener Kommunikation. Sie bescheinigt, wie die Rückweisung der Exkommunikation durch die Betroffenen auch aufzeigt, den entsprechenden Behörden und kirchlichen Zuständigkeiten, also Bischof wie römischen Behörden eine im höchsten Grade vorhandene Unfähigkeit zur Kommunikation. Sie ist, kommunikationstheoretisch gesehen, ein Kommunikationsdesaster erster Ordnung.

Sie wird sich auch deshalb nicht auf die Dauer durchhalten lassen können. Es ist in etwa mit der Kriminalisierung von Sitzblockaden vergleichbar. Diese, massenhaft von Bürgern mit hohen ethischen Zielen angewendete Praxis, wurde von den bundesdeutschen Verfassungsrichtern reichlich spät entkriminalisiert, als diese sich zu einer anderen, angemesseneren Beurteilung von Sitzblockaden durchrangen dass Sitzblockaden nicht als „Gewalt“ zu bewerten seien. Ähnlich dürfte sich die Frage nach der „privaten Feier von Eucharistie“ entwickeln. Denn sie hat auch, was die Ökumene betrifft, keine Zukunft, zumal sie damit auch sämtliche evangelischen Abendmahlsfeiern, und Katholiken die daran teilnehmen, jeden Tag aufs Neue exkommuniziert.[3]

Doppelte Standards bei der „Strafzubemessung“

In diesem Zusammenhang machen die beiden Betroffenen in ihrer Ablehnung der Exkommunikation neben Verfahrensgründen auch noch den Vorwurf von „double standards“, von doppelten Standards. Dieser Vorwurf macht das kommunikationstheoretische Desaster noch größer, zumal er kaum von der Hand zu weisen ist. Es dürfte nicht einmal dem unkritischsten Anhänger der Institution vermittelbar sein, warum ein Ehepaar, das mit Freunden ohne die Anwesenheit eines Priesters Eucharistie feiert, und damit keinerlei physischen oder psychischen Schaden Außenstehenden zufügt, mit einer derart drakonischen Strafe überzogen wird, während beispielsweise Priester und Bischöfe, die in Mißbrauchsskandal verwickelt waren und sind, oder die den Holocaust leugnen und damit der Kirche in der Öffentlichkeit schlimmsten internationalen Schaden zufügen, zwar in der ein oder anderen Art und Weise gerügt und mit Maßnahmen, wie der Entfernung von gewissen Ämtern belegt werden, nicht aber mit der Maßnahme der Exkommunikation bzw. des Verweigerns der Sakramente. Weder im Verhalten noch im objektiven Schaden, der der Kirche von diesen unterschiedlichen Akteuren zugefügt wurde, kann das eine mit dem anderen auch nur ansatzweise verglichen werden. Hier macht die Kirche den Anschein, als ob Sie aus der Not geborene Taschendiebe mit der Todesstrafe belegt, während sie Schwerstkriminelle auf Bewährungsstrafe laufen lässt. Sie macht damit deutlich, dass es innerhalb der Kirche in den letzten Jahrzehnten einen immensen Wirklichkeitsverlust gegeben hat, der ein angemessenes Verhältnis von Ordnung und Übertretung, von Aktion und Sanktion nicht mehr wahrnehmen, geschweige denn ihre inhaltlichen Dimensionen angemessen aufeinander beziehen kann.

Mögliche Folgen der Exkommunikation

Welche Folgen wird die Exkommunikation haben? Schon die Reaktion aus dem Umkreis der Betroffenen, d.h. der Anhänger des Kirchenvolksbegehrens aber auch beispielsweise aus der Pfarrerinitiative in Österreich macht deutlich, dass die Exkommunikation statt Isolation Solidarität, statt Einsicht Empörung hervorruft. Eine Verhaltensänderung wird so nicht erreicht werden. Vielmehr wird wohl das Gegenteil des angezielten Ergebnisses die Folge sein. Die beiden mit der Exkommunikation belegten engagierten Laien werden zu Propheten, zu Vorbildern gemacht. Durch die Exkommunikation werden nicht die Exkommunizierten an den Pranger gesellt, sondern die, die exkommunizieren.
Dies ist auch dringend notwendig, weil dieser Akt einmal mehr den Reformstau aufzeigt, der sich an verzerrten Maßstäben und unfähiger Kommunikation – d.h. kirchlich gesprochen pastoraler Unfähigkeit und pastoralen Defiziten auftut.

Die Exkommunikation macht weiterhin deutlich, dass ein Papst allein noch keinen Frühling darstellt. Sie konterkariert sämtliche bisherigen pastoralen Botschaften dieses Papstes auf schärfste. Sie macht damit aber deutlich, wie stark die Spannungen zwischen Wort und Handeln in der Kirche mittlerweile geworden sind. Wenn es diesem Papst nicht gelingt, das, was er durch Worte und Gesten verkündet (Einladung zum und Freude am Glauben), auch in seinen kirchlichen Behörden durchzusetzen, wird dieser Papst, und die Bischöfe sollten sich darüber klar sein, damit auch sie selbst, wie kein anderer vor ihm scheitern. Wer Hoffnungen auf Reformen bzw. Besserungen weckt, dann aber diese nicht wenigstens nach und nach einlöst, wird – man sehe das Beispiel Hollande oder Obama - am Ende mit völligem Verlust an Glaubwürdigkeit und Relevanz da stehen. Hier ist auch die Bedeutung der Öffentlichkeit nicht zu unterschätzen. Noch zehrt die Kirche von der persönlichen Anziehungskraft und neuen Glaubwürdigkeit, die dieser neue Papst ihr verleihen konnte. Wird dies aber nicht wirklich mit echten innerkirchlichen Reformschritten untermauert wird sich am Ende ein um so größeres Desaster auftun.

Blick über den konkreten Fall hinaus

Die ganze Tragweite (und kirchliche Tragödie) dieses „konkreten Falls“ wird dadurch noch verstärkt, weil dieses Verfahren auch von Seiten der Glaubenskongregation in Rom mindestens gebilligt bzw. sogar unterstützt oder vorangetrieben wurde. Damit stellt sich auch die Frage nach Rolle und Verhalten der Glaubenskongregation in Rom. Die Bischöfe und Kardinäle – auch die deutschen und österreichischen zumal – scheinen das Ausmaß der Kirchenkrise und ihrem Verlust an Vertrauen bis heute noch nicht verstanden zu haben. Wenn sie nicht dem Papst zu Hilfe eilen und die völlig verrutschten Maßstäbe und Fehlentwicklungen der Glaubenskongregation, die ja schon durch Kardinal Frings während des zweiten Vatikanischen Konzils heftig kritisiert wurde, ins Lot bringen, dürfte es zu einem noch massiveren Vertrauensverlust und Auszug aus der Kirche kommen. Wenn sie nicht mit dem Papst kooperieren, der derzeit als Mahner auftritt und versucht die Dimensionen in eine halbwegs angemessene Sicht zu rücken, (er spricht von einem Kartenhaus das zusammenbrechen kann) werden sie und die Kirche als Institution ihre letzte Glaubwürdigkeit langfristig verspielen. Da reicht auch das öffentliche Bedauern von Bischof Scheuer aus Innsbruck „Selbst-Exkommunikation ist immer auch Niederlage für die Kirche“[4] weder in Inhalt und Form auch nur ansatzweise aus.

Hatte der Bischof andere Handlungsmöglichkeiten?

Hierzu gilt es zu sagen: Ja und nein. Nicht jede öffentliche Stellungnahme bzw. Provokation von irgendwelchen Menschen muss gleich zu einem kirchenrechtlichen Prozess führen. Insofern ist zumindest von außen nicht einsichtig, warum sich der Bischof dazu verpflichtet fühlte „rechtliche Schritte“ einzuleiten. Möglicherweise hätte man auch nach dem Grundsatz verfahren können: Wo kein Kläger, da kein Richter: Der pastorale Schaden der durch diese Provokation angerichtet wird ist erheblich geringer, als jener, der durch ein gerichtliches Verfahren entstehen könnte. Kann eine Duldung trotz der Übertretung des Buchstabens des Gesetzes nicht angesichts neuer Umstände (Notstand, Offensichtlichkeit der guten Absichten) sogar das angemessenere Verhalten sein? Statt dessen hätte er intern, aber möglicherweise auch öffentlich, „die Bekanntgabe der privaten Praxis von Dr. Martha und Gert Heiser“ zum Anlass nehmen können, das Kirchenrecht und seine Angemessenheit und Kompetenz/Reichweite für diesen Fall (der sich auf einen Notstand beruft) auf den Prüfstand zu stellen. Jedenfalls gibt es ja auch in der Kirche immer wieder eine „Rechtsentwicklung“ und es gilt Umstände und Entwicklungen zu berücksichtigen, die Gesetzesreformen notwendig machen – und ein solcher Umstand dürfte dieser Fall durchaus sein. So wäre in diesem Zusammenhang zu fragen, ob man in diesem spezifischen Fall das Kirchenrecht auch wirklich zur Anwendung bringt bzw. bringen muss. Dass der Bischof das nicht sieht, ist eine verhängnisvolle Fehlwahrnehmung seines Amtes als Bischof und Verantwortlicher seiner Diözese. Weiterhin wäre die Diskrepanz zwischen Norm und Verhalten auch durch eine völlig andere Maßnahme wieder in Einklang zu bringen gewesen: Warum weiht der Bischof bzw. die Kirche nicht kirchlich erprobte und verortete Menschen, die in verantwortungsvoller Weise sich dazu beauftragt sehen, miteinander Eucharistie zu feiern, nicht einfach zu Priestern, nachdem man ja allerorten einen Priestermangel konstatiert? Kann dieses Verhalten in der derzeitigen Situation, in der allerorten die kirchliche Pastoral zusammenbricht, noch eine derartige Strafe ernsthafter Weise nach sich ziehen? Ist nicht die Kirche eher dazu verpflichtet den Notstand nun wirklich auszurufen und ihre Eingangsbedingungen für das Priesteramt zu ändern, als dass sie Menschen, die ihren Wunsch auf Eucharistiefeier zum Ausdruck bringen, kriminalisiert und sanktioniert? Was ist das „kleinere Übel“? Jedenfalls wird hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen – und der Bischof scheint sich ja mit seinem Bedauern über diese Maßnahme und den von ihm empfundenen „Zwang“ doch darüber wenigstens ansatzweise bewusst gewesen zu sein. Er sollte diesen von ihm empfundenen „Zwang“ auch in den entsprechenden Gremien nun wenigstens angemessen kommunizieren und auch nach außen vertreten. Damit ist andererseits auch das „Nein“ ganz gut beantwortet. Die gegenwärtige Rechtslage ist mangelhaft und das gegenwärtige Kirchenrecht ist so wie es ist und lässt dem Bischof wenig Handlungsspielraum. Der Bischof hatte deshalb unmittelbar gesehen keine Wahl – auch wenn er, wie schon dargestellt, die Vorgänge hätte anders beurteilen können und mindestens hätte versuchen können sie anders aufzugreifen, als wie es geschehen ist. Aber dazu braucht es gerade auch innerhalb der Kirche und ihrer institutionellen Verhaltensweisen und Zwänge ein Maß an Mut und Zivilcourage, an Heroismus und innerer Kraft und Überzeugung, die nicht jedem gegeben und abzuverlangen sind.

Prüfstein für das Pontifikat von Papst Franziskus

Die Exkommunikation von Martha und Gert Heizer kann man durchaus als einen Prüfstein für diesen Papst und sein Pontifikat werten. Sie stehen nicht isoliert als Ausrutscher bzw. bedauerliche Einzelfälle da, sondern sie müssen im Zusammenhang mit anderen, wenig erfreulichen innerkirchlichen Vorgängen der letzten Monate gesehen und analysiert werden. So wurde erst am 12. Mai bekannt dass der bekannte asiatische Jesuit und Theologe Fr. Michael Amaladoss de facto von der Glaubenskongregation mit Zensur und Auftrittsverbot belegt wurde. Es geht hier um die Frage nach der Inkulturation des Christentums in Asien und den Religionsdialog zwischen Christentum und asiatischen Religionen. Die Maßnahmen gegen den Jesuiten ( wir müssen von Zensur und Auftrittsverbot/Schweigen ausgehen) und auch das Verfahren, das ein Geheimverfahren ist, zeigen einmal mehr, dass die römische Institution sich in einer tiefen Krise befindet, die noch nicht einmal ansatzweise angepackt wurde. Schon am 5. Mai hat Kardinal Müller die Aufrechterhaltung der kirchlichen Maßnahmen gegen die US-amerikanischen Ordensfrauen bekräftigt.[5] Im Jahr 2012 hatte die Glaubenskongregation die Einsetzung eines US-Bischofs als apostolischen Delegierten durchgesetzt, der als Zensor und Letztverantwortlicher für Inhalte und Personen bei den Tagungen und Veröffentlichungen der Ordensfrauen fungiert. Letztere Maßnahme hat Müller in bestem orwellschem „double speak“ bzw. „doublethink“ damit gerechtfertigt, dass diese von der Seite der Institution nicht als Sanktion, sondern als Anlass zum Dialog und zur Unterscheidung zu verstehen seien. Wenn die Kirche meint, dass sie durch Zensur und behördliche Maßnahmen und Sanktionen, durch Ausübung von Zwang und Unterdrückung des freien Wortes wirklich den „Glauben“ mündiger Menschen fördern kann, verkennt sie die Rolle, die der Glaubenskongregation zukommen kann. So verwandelt sich die Glaubenskongregation erneut in ein sanctum officium, in eine inquisitorische Behörde, die Glauben nicht fördert sondern verordnen will, die Freiheit[6] mit Zwang, Verantwortung mit Amtsanmaßung verwechselt.

Budapest, 27.5.2014
Stefan Herbst*


[1] Möglicherweise hätte ja die Hoffnung auf Reformen bezüglich der Priesterzulassungsbedingungen, die der Papst gegenüber Erwin Kräutler in Aussicht gestellt hatte (http://plattformbelomonte.blogspot.hu/2014/04/bischof-krautler-bei-papst-franziskus.html ), viel Handlungsdruck von beiden Seiten genommen. Der Papst hat gegenüber Erwin Kräutler zum Ausdruck gebracht, dass er die Zulassungsbedingungen (insbes. das Zölibat) aufheben würde, wenn das die Bischöfe der Welt unterstützen würden. Es liegt also an den Bischöfen entsprechend vorstellig zu werden – auch an österreichischen bzw. deutschen Bischöfen, die ihre Gemeinden ausbluten lassen.

[2] Zur Eucharistiefeier ohne Priester vgl. die dogmatisch im Licht des 2. Vatikanischen Konzils beeindruckende Publikation des Liturgiewissenschaftlers Franz Nikolasch: http://www.wirsindkirche.at/d7/artikel/priesterlose-eucharistiefeier

Hier wird deutlich, wie wenig der dogmatische Sprung des 2. Vatikanischen Konzils in der 1983 erfolgten Neuordnung des Codex Juris Canonici (des Kirchenrechts) aufgenommen wurde. Es liegt nahe, dass unter dem neuen Papst eine Neuanpassung des nun auch schon mehr als dreißig Jahre alten CIC nach den neuesten theologischen Erkenntnissen und kirchlichen Fakten (Kirche in Korea, Anerkennung der evangelischen Abendmahlsfeier) vorgenommen werden müsste. Jedenfalls müsste die Zurückdrängung der Mehrheitsentscheidung des 2. Vatikanischen Konzils durch die einseitige Interpretation einer Kurienminderheit unter Führung der beiden Päpste Johannes Paul II und Benedikt XVI dringend korrigiert werden.

[3] Vizepräsident Thies Gundlach vom EKD-Kirchenamt argumentiert hier m.E. kontextlos und ohne Berücksichtigung der eigenen leidvollen Kirchengeschichte und Exkommunikation (http://www.jesus.de/blickpunkt/detailansicht/ansicht/ekd-aeussert-verstaendnis-fuer-exkommunikation197727.html ). Es gibt neben dem petrinischen auch das paulinische Prinzip, das die unmittelbare Geistberufung durchaus kennt. Petrus ist angehalten und herausgefordert diese Berufung auch anzuerkennen! Außerdem ist die Frage nach der Bedeutung des Volkes Gottes hinsichtlich der urkirchlich verbürgten Wahl von Ältesten durch die Haus-Gemeinden in dieser Hinsicht noch einmal neu zu bedenken.

[5] Vgl. den Zeitungsartikel “Head of Vatican doctrinal congregation confronts LCWR for noncooperation” in: http://ncronline.org/news/vatican/head-vatican-doctrinal-congregation-c…

[6] Der Glaubensakt selbst kann nur als zutiefster Akt menschlicher Freiheit begriffen werden. Er schließt damit als Akt tiefster menschlicher Freiheit jede Art von Zwang kategorisch aus!

* Stefan Herbst ist Laientheologe und hat lange Jahre als Menschenrechtsreferent für die Missionszentrale der Franziskaner gearbeitet.