In wenigen Monaten geht die Synode in Rom in die nächste Runde. Wie ist die Lage? Und gibt es (noch) Hoffnung auf Reformen? Ein Blick „von außen“.
Wenn immer wir uns die triste Wirklichkeit unserer real existierenden Kirche umlügen wollen in Hoffnung auf eine möglichst baldige Veränderung der Zustände, schiebt Norbert Lüdecke, em. Professor für Kirchenrecht, dem einen Riegel vor. Solange die Verfassung der Kirche nicht geändert wird in ein Recht, das individuelle Grundrechte schützt und auf das sich alle berufen können, das nicht in der alleinigen Verfügungsgewalt der Kirchenleitung liegt, bleiben alle kleinen Reformschritte nur aufgeklebte Pflaster, die die eigentliche Krankheit nicht heilen, zitiert Lüdecke den verstorbenen Alttestamentler Herbert Haag.
So sieht Lüdecke auch die laufende Weltsynode völlig illusionslos, wo sich „katholische Laien an runden Tischen auf eine Augenhöhe mit Männern phantasieren, die gänzlich, nämlich ontologisch verschieden von ihnen und aufgrund ihrer identitären Wandlung in der sakramentalen Weihe immer mit der Letztrechthabe ausgestattet sind“.
Wir sind Kirche hat schon oft beklagt, dass durch eine absurde Theologie der Priesterweihe mit der sogenannten Seinsumwandlung „Schafe“ zu „Hirten“ gemacht werden (sofern es sich um männliche Schafe handelt!) und mit der Lizenz zur alleinigen Kontrolle und Machtausübung in der Kirche betraut werden.
Dennoch.
Dennoch Hoffnung?
Vielleicht sind viele kleine Schritte nötig, die dann zum großen Sprung werden. Delegierte in der Synode erzählen von solchen kleinen, aber hoffnungsvollen Schritten:
Sie sitzen während der Synodenberatungen zu zehnt an runden Tischen. Kardinäle, Bischöfe und Menschen ohne Priesterweihe. Alle haben die gleiche begrenzte Redezeit, die kompetente Moderation achtet genau darauf. Einige der geweihten Herren sind verblüfft, dass sie nicht reden können, solange sie wollen, und dass ihnen dabei nicht, wie sie es gewohnt sind, andächtig und widerspruchslos zugehört wird. Manche sind auch völlig überrascht, dass man sich auf eine solche Gesprächsrunde vorbereiten könnte, und dass immer wieder gerade die Frauen und Männer ohne Priesterweihe die besseren Argumente haben, denen sie kaum Wesentliches entgegensetzen können. Sie müssen auch feststellen, dass sie mit ihren Überzeugungen oft weit vorbei an der Realität der Gläubigen argumentieren. Sie merken, dass sie in der Kirche nicht die einzigen sind, die glaubhaft über Gott reden können, die theologisch kompetent und glaubwürdig sind. Sie merken, wie ihr Geltungsvorrang schwindet. Die Voraussetzungen, vieles zu lernen, sind also gegeben.
Aber es gibt durchaus auch Bischöfe und Kardinäle, die schon einen Weg Richtung Synodalität gegangen sind. Das sind anscheinend gar nicht wenige. Sie sind informiert und vorbereitet, sie haben sich mit den zu besprechenden Themen schon lange vorher auseinandergesetzt. Der Zwang der Umstände in ihren Diözesen, der Druck der Kirchenbasis war groß, sie haben sich dem nicht entzogen. Sie sehen die dringende Notwendigkeit zur Veränderung, Verbesserung der Zustände, auch, aber nicht nur aufgrund der vielen Missbrauchsskandale. Sie haben verstanden, dass das Festhalten am derzeitigen Kirchenrecht die Glaubwürdigkeit der Verkündigung massiv schmälert, weil damit letztlich alle Entscheidungen unkontrollierbar bei der kirchlichen Hierarchie, sprich ausschließlich in der Kompetenz geweihter Männer liegt (siehe Lüdecke). Ein Blick in das Neue Testament zeigt schnell, dass das nicht die Vorstellung Jesu vom Reich Gottes war.
Zerstörte Hoffnung?
Aber es gibt einen argen Rückschlag für unsere Hoffnung auf Reformen – zumindest auf den ersten Blick. Papst Franziskus hat die „heißen Eisen“ (Frauenfrage, Zölibat, LGBTQ+, Sexualmoral…) aus der Synode im Oktober 2024 ausgeklammert. Also wieder auf der langen Bank! Wie lange sollen wir noch warten? Er hat – schon wieder – Kommissionen eingesetzt, die diese Fragen (zB das Diakonat für Frauen) bearbeiten sollen. Und sagt zugleich im US-Fernsehen auf die Frage eines Journalisten, ob seine Enkelin vielleicht einmal Diakonin sein könnte, kategorisch Nein. Sind die Kommissionen da überhaupt ergebnisoffen? Wohl kaum.
Ein zweiter Blick auf dieses Ausklammern zeigt aber doch auch, dass Franziskus nicht ganz so müde, abwartend, kategorisch dagegen ist. Der Widerstand zB der afrikanischen Bischöfe zur Erlaubnis der Segnung von Transpersonen hat ihm sehr deutlich gemacht, dass eine einheitliche Beschlussfassung bei den Reformen nicht zu erwarten ist. Wenn also Ergebnisse bei dieser Synode herauskämen, wären dies vermutlich die falschen oder zumindest stark verwässerte Positionen. Wieder warten? Nein! TUN!
Das zentrale Thema im Oktober in Rom wird sein, wie dieser globale Apparat dezentralisiert werden kann. Davon redet Franziskus seit seiner Wahl 2013. Schon damals hat er betont, dass die Ortskirchen viel mehr selber entscheiden können sollen. Damit hat er deutlich seine überragende Machtstellung (immerhin „Stellvertreter Christi“) sehr zurückgenommen. Das gelingt ihm nicht immer, und unsere katholische Mentalität ist immer noch sehr stark auf ihn und auf Folgsamkeit gerichtet. Wir schauen viel zu oft nach Rom.
Unsere Bischöfe haben sehr sanft in ihrem Österreich-Bericht an die Synode angefragt, ob es zB bzgl. Zölibat und Krankensalbung nicht dringend Änderungen bräuchte. Ja, bräuchte es. Was hindert also unsere Bischöfe, nicht erst um Erlaubnis zu bitten, sondern zu tun, was sie als richtig erkannt haben?
Vielleicht wird die Synode 2024 im Oktober dazu Handlungsanleitungen liefern. Generelle Erlaubnisse, in wichtigen Fragen selbst ortskirchlich zu entscheiden. Die Kirche darf in Afrika anders ausschauen als in Europa. Ortkirchen bekommen mehr Kompetenz. Wäre doch was!
Also doch Hoffnung?
Angesichts der Synodenordnung, hinter die auch der Vatikan nicht mehr zurückgehen wird können, scheint sie doch angebracht. Es mögen kleine Schritte sein. Aber Veränderungen der Mentalität sind schwieriger und langwieriger als Veränderungen der Strukturen. Aber sie scheinen in Gang gekommen zu sein.
Schlussendlich hilft uns von außen Zusehenden, deren Geduld immer wieder zum Zerreißen angespannt ist, die Überzeugung Vaclav Havels:
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung,
dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit,
dass etwas Sinn hat,
egal wie es ausgeht.“