Am 1.7. wurde der Skulptur der gebärenden Maria im Linzer Mariendom von einer unbekannten Person der Kopf abgesägt. Dr. Manfred Holzleitner (Enns) bezieht dazu Stellung.
Der Akt des Kopfabschneidens, das „um einen Kopf kürzer machen, steht in einer langen Tradition. Pharaonen, Caesaren wurden die Nasen abgeschlagen, damit ihnen die „Luft ausgeht“, ihr Atem, ihr Geist, also ihr Leben ausgelöscht werde. Dazu fällt mir immer das wunderbare Trostwort ein: Man wird um nichts kleiner, wenn man um einen Kopf kürzer gemacht wird. Für das Künstlerduo Strauß/Limberger ist dies wahrscheinlich eine unerwünschte, aber umso breitenwirksamere Publicity.
In konservativen, mit moderner Kunst nicht oder wenig befassten Kreisen mag diese Mariendarstellung unerhört und ungehörig erscheinen. Umso mehr ist der Mut der zuständigen Kirchenstellen, im Besonderen von Dompfarrer Max Strasser, zu loben, mit dieser Mariendarstellung ein höchst wichtiges, ja elementares Glaubensgeheimnis in den Blick zu nehmen: die Menschwerdung Gottes im „sarx“, im Fleisch, wie der Evangelist Johannes betont. Offenbar war diese Fleischwerdung Gottes von allem Anfang für die Gläubigen ein Anstoß, ein „scandalon“. Von meinen theologischen Lehrern Gottfried Bachl und dem theologischen Kunstexperten Günther Rombold ist mir noch in guter Erinnerung, dass sie den Umstand, dass wir in der Kunstgeschichte zwar Bilder einer Maria lactans (eine das Jesuskind stillende Gottesmutter) kennen, es die schwangere Gottesmutter nur in sehr zarten Andeutungen gibt, aber niemand sich der gebärenden Maria anzunehmen getraut.
Wenn es Menschen, Priester gibt, denen die Geburtsschmerzen Mariens gegen ihren Glaubenssinn gehen (die ohne Makel der Erbsünde geborene Maria muss ja aus Gründen der Sündenlosigkeit schmerzfrei geboren haben!), dann ist der Weg nicht mehr weit zum Gedanken, dass Jesus am Kreuz seine Schmerzen wohl nur gespielt hat und gar nicht gestorben ist, sondern nach Indien oder sonst wohin „enthoben“ wurde.
So geht es bei dieser „marianischen Köpfung“ im Mariendom eigentlich um alles in unserem Glauben: dass Gott in unbegreiflicher Weise mit dem Leiden, Sterben, den Schmerzen und den Verfehlungen von uns Menschen solidarisch ist. Wir nennen das: Erlösung.