04.11.2009, Peter Zaloudek
Sehr geehrter Herr Erzbischof Christoph Schönborn,
sehr geehrte Redaktion des Sonntags,
sehr geehrte Redaktion von Radio Stephandsom!
Wien, 19.11.2009
Ursprünglich wollte ich diesen Brief nur dem Herrn Erzbischof schreiben. Da es sich aber um ein Thema handelt, das meiner Meinung nach die ganze Christengemeinschaft betrifft, leite ich ihn an Sie weiter.
Seit Jahren besuche ich regelmäßig eine 92-jährige Bekannte im St. Carolusheim in der Gentzgasse. Seit Jahren gehen wir dort an Sonntagen gemeinsam zur Messe um 8:30 Uhr. So geschah es auch am 8. November 2009. Die Kapelle war auch diesmal voll, nicht nur von Heimbewohnern, sondern auch von Gästen. Die Messe lasen zwei alte Priester. Da sie schon alt und krank sind, war es eine einfache Messe, ohne Predigt. Manchmal zelebrieren die Messen polnische Priester. Ich weiß nicht, ob diese in Wien studieren oder ob sie extra aus Polen kommen, um die Sonntagsmesse zu feiern. Oft kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass Sie die Messen nur lesen, weil kein anderer Priester vorhanden ist, nach dem Motto: Hauptsache, es wird eine Messe gefeiert, egal ob diese Priester jemand versteht oder nicht.
Vor einigen Wochen ging P. Reinhard Jedinger, Krankenhauspriester von SMZ-Ost, in den Ruhestand. Da ich selber im SMZ-Ost arbeite und Kontakte mit den Pastoralassistenten halte, wusste ich, dass nach einem Priester gesucht wird. Nach langer Suche wurden zwei erst kurz in Wien ansäßige rumänische verheiratete griechisch-katholische Priester gefunden.
Ich bin verheirateter Priester. Obwohl ich nach der Heirat suspendiert wurde, fühle ich mich nach wie vor als Priester. Als vor einigen Jahren eine Stelle für den Pastoralassistentendienst frei geworden ist und mir diese Stelle von den Pastoralassistenten im SMZ-Ost angeboten wurde, kam auf eine Anfrage bei Herrn Kardinal Schönborn ein „Nein“ mit der Begründung: „Leider! Die Gesetze Gottes sind nicht immer ident mit den Gesetzen der Kirche.” Aufgrund dieser Antwort habe ich meine Arbeit als radiologisch-technischer Assistent auf der Strahlentherapie fortgesetzt. Diese Tätigkeit sehe und empfinde ich, Dank sei Gott, nicht nur als Berufsausübung, sondern auch als Aufgabe, den Kranken menschlichen Beistand und Trost zu spenden. Nun aber, angesichts der oben genannten zwei Tatsachen und der Tatsache, dass ich heuer im Frühjahr am Herzen operiert worden bin, mir das Leben gleichsam ein zweites Mal von Gott geschenkt worden ist, möchte ich meine ureigendste priesterliche Berufung wieder zur Sprache bringen.
“Sie sind noch zu jung für solch eine Herzoperation ” (4 Bypässe), sagten mir die Ärzte vor der Operation und auf der REHA. Als wir versuchten, gemeinsam den Ursachen meiner Herzgefäßerkrankung auf die Spur zu kommen, stellten wir die Vermutung auf, sie könnte mit meinem inneren Stress zu tun haben, der die Folge eines inneren Konflikts ist: Ich bin Priester, ich will als Priester tätig sein, aber ich darf nicht.
Wie die polnischen Priester in St. Carolusheim bin auch ich ein Ausländer. Im Unterschied zu ihnen jedoch lebe ich schon seit fast 30 Jahren in Österreich. Ich kenne die österreichische Mentalität und arbeite gerne mit Menschen, besonders mit Alten und Kranken.
Es kann doch nicht die Zukunftsvision der Kirche sein um jeden Preis die Messen lesen zu lassen – sozusagen „Löcher zu stopfen“ – statt das vorhandene Potential der „Priester ohne Amt“ zu nützen.
Menschen die Unterstützung benötigen, geht es nicht darum, ob der, der ihnen hilft, Ausländer ist oder nicht, sondern darum, ob er ein Herz für sie hat.
Ich habe eine Biographie des vor kurzem heiliggesprochenen Priesters der Leprakranken (P. Damian de Veuster) geschrieben. Das Buch kam in tschechischer und slowakischer Sprache heraus. Am 11. Oktober dieses Jahres nahm ich auf Einladung aus Rom an dieser Heiligsprechung teil. Die Botschaft von P. Damian an die Menschen von heute gilt vor allem jenen, die im Sozialberuf tätig sind.
Außerdem verfasste ich ein Buch mit dem Titel "Gedanken während der Strahlentherapie - Interviews mit 50 krebskranken Menschen“. Ich wollte erfahrbar machen, was in den Köpfen kranker Menschen vorgeht und damit zum Nachdenken anregen.
Es würde mich sehr freuen, wenn ich alle meinen Erfahrungen, die ich im Laufe meines Lebens als „Priester ohne Amt" gesammelt habe, auch im offiziellen Dienst als Priester den Bedürftigen weitergeben könnte.
Mit freundlichen Grüßen:
ThLic. Peter Zaloudek
Czapkagasse 8/4
1030 Wien