02.12.2010, Walter Kirchschläger
EINFÜHRUNG
Der Bischöfe – so lese ich im Katechismus der Katholischen Kirche – sind „aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel nachgerückt“, und zwar „gleichsam als Hirten der Kirche.“ 1) Unter der Überschrift „Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel“ heisst es dort etwas ausführlicher:
„Die Apostel ‚übertrugen, damit die ihnen anvertraute Sendung nach ihrem Tod fortgesetzt werde, ihren unmittelbaren Mitarbeitern gleichsam nach Art eines Testamentes die Aufgabe, das von ihnen begonnene Werk zu vollenden und zu festigen, wobei sie ihnen ans Herz leg-ten, auf die gesamte Herde achtzuhaben, in die sie der Heilige Geist hineinstellte, die Kirche Gottes zu weiden. Daher setzten sie derartige Männer ein und gaben dann die Anordnung, dass nach ihrem Hingang andere bewährte Männer ihren Dienst aufnähmen’ (LG 20).“ 2)
Der Text ist als Zitat aus der Kirchenkonstitution des letzten Konzils ausgewiesen, und trotzdem muss ich aus bibelwissenschaftlicher Perspektive anmerken: Er klingt etwas vollmundig. In den weiteren Ausführungen zum Bischofsamt kommt die uns allen wohlbe-kannte Formel „Nachfolger der Apostel“ überaus geläufig und als eine unreflektierte Wendung im Text des Katechismus vor 3) – so als sprächen wir von einer nicht hinterfragbaren theologischen Selbstverständlichkeit. Bei dieser nicht weiter präzisierten Redensart, die wir alle aus unserer kirchlichen Unterweisung kennen, wird in keiner Weise eine kritische Differenzierung erkennbar, sodass frau oder man davon ausgehen kann, dass die damit getroffene Aussage wörtlich zu verstehen ist: Die Bischöfe also als Nachfolger der Apostel. Der Katechismus der Katholischen Kirche kann sich mit dieser Sprechweise in der Tat auf das letzte Konzil, ja darüber hinaus auf eine kontinuierliche Diktion des Lehramtes berufen.
An diesem Punkt ist nun – über die durch diese Beobachtung allenfalls ausgelöste Betroffenheit hinaus – kritischer Einspruch (wenn nicht Widerspruch) anzumelden. Denn die Rede von Bischöfen als „Nachfolger der Apostel“ bedarf einer gehörigen flankierenden Kommentierung, will sie überhaupt einen Wahrheitsgehalt beanspruchen, der auch einer historisch-kritischen Rückfrage standhält. Letztere wird damit nicht zum absoluten und erstrangigen Bezugspunkt erhoben. Aber es darf im 21. Jh. doch der Anspruch erhoben werden, dass die Zustimmung der Getauften zum Lehramt unserer Kirche nicht unter Missachtung der üblichen Massstäbe und Kriterien der Vernunft eingefordert wird.
Es sind in diesem Zusammenhang also verschiedene Grundfragen aufzuarbeiten. Die erste Frage stellt sich nach dem Ursprung des Amtes, genauer gesagt des Leitungsamtes in der Kirche (1). Dazu gehört die Frage, wie es benannt und wie, bzw. nach welchen Kriterien es übertragen wurde. Einige Überlegungen dazu bilden den ersten Teil meiner Ausführungen (1). Im zweiten Abschnitt werden diese Überlegungen auf das Amt des „Bischofs“ zugespitzt, wobei insbesondere die Frage nach für dieses Amt erkennbaren Kriterien zu beachten ist (2).
1 HINTERGRUND UND ENTSTEHUNG DES AMTES
1.1 Vorösterliche Spuren. Mit der Frage nach dem Amt müssen wir in der vorösterlichen Nachfolgegemeinschaft um Jesus von Nazaret ansetzen, auch wenn wir in diesem Zeitraum (noch) nicht von Kirche sprechen können. Es ist aber wichtig, bereits hier nach jenen Spuren zu suchen und in diesem vorösterlichen Wirken Jesu von Nazaret jene Entwicklungen zu verorten, die im Kontext des Ostergeschehens zum Werden von Kirche führen.
1.1.1 In dieser vorösterlichen Zeit sind bereits Ansätze für differenzierende Strukturbildungen zu erkennen. Dies geschieht dort, wo Jesus aus der grösseren Zahl der Jüngerinnen und Jünger zwölf Männer auswählt, die einen besonderen, durch seine Zeichenhaftigkeit ausgewiesenen Kreis bilden sollen. Die kollektive Bezeichnung „Die Zwölf“ ist dafür die ursprüngliche Benennung. Sie zeigt, dass die Individualität des einzelnen Mitglieds dieser Zwölfergruppe hinter dem kollegialen oder synodalen Erscheinungsbild und der damit verbundenen Funktion zurücktritt: Als Zwölfzahl haben diese Männer eine besondere Aufgabe und Bedeutung: Im Kreis dieser zwölf Männer versammelt Jesus zeichenhaft die zwölf Stämme Israels um sich. Da sich diese Stämme von den zwölf Söhnen Jakobs herleiten, ist dieser Kreis geschlechtsspezifisch zusammengesetzt und besteht aus Männern.
Allmählich und vereinzelt wächst den Mitgliedern des Zwölferkreises auch als einzelne Personen stärkere Bedeutung zu. Diese hängt wohl mit ihrer Tätigkeit zusammen, gemäss derer sie als Ausgesendete, eben als apostoloi bezeichnet werden. Der Apostelbegriff ist stärker auf die einzelne Person zugeschnitten, das prägende Bewusstsein des Kollektivs, vor allem seine Verknüpfung mit der Zahl zwölf, tritt dabei in den Hintergrund. Nur so ist es auch verständlich, dass in der nachösterlichen Zeit die Bezeichnung „Apostel“ auf unterschiedlich definierte Personengruppen angewendet wird. Davon ist später noch zu sprechen.
Innerhalb des Zwölferkreises lässt sich in der vorösterlichen Tradition eine kleinere Gruppe von drei, bzw. vier Personen erkennen. Diese Gruppe – sie besteht aus Petrus, Jakobus und Johannes - begegnet an vier Stellen in der Evangelienüberlieferung, die sich durch besondere Intensität auszeichnen. 4) Die Bibelwissenschaft hat dieser Gruppe den Namen „innerer Kreis“ gegeben - was auf eine besondere Nähe zur Person Jesu hinweist. In den Zwölferlisten wird Simon Petrus immer an erster Stelle genannt. 5) Dass er in der vorösterlichen Nachfolgegemeinschaft eine herausragende Stellung eingenommen hat, ist unbestritten. Zurecht wird zugleich darauf verwiesen, dass Petrus diese Position innerhalb der Gruppe aus dieser heraus, keinesfalls ihr gegenüber, wahrnimmt – z. B. dann, wenn er als ihr Sprecher auftritt, was nach dem Zeugnis der Evangelien kontinuierlich der Fall ist. Diese Standortbestimmung setzt sich in der nachösterlichen Kirche fort. In der Überlieferung aller vier Evangelien begegnen innerhalb der grösseren Zahl von Menschen in der Jesusnachfolge deutliche Spuren einer Frauengruppe im Umfeld Jesu. Die wichtigsten Mitglieder sind namentlich genannt, allen voran Maria von Magdala. Die Gruppierung wird im Kontext der Verkündigungstätigkeit Jesu (so Lk 8,1-3) und im Umfeld seines Todes sowie der Offenbarung seiner Auferstehung erwähnt. 6) Diese Frauen haben nicht einfach Hilfsdienste geleistet, sondern waren, wie alle angeführten Gruppierungen, in der Verkündigung der Botschaft Jesu von der anbrechenden Königsherrschaft Gottes tätig.
Eine gruppenspezifische Differenzierung der so allgemein umschriebenen Tätigkeit ist nicht möglich. Die Textabschnitte über die Aussendung der Zwölf und anderer Personen aus der Nachfolgegemeinschaft (Mk 6,6b-13 par; Lk 10,1-16) verweisen aufgrund des verwendeten Vokabulars darauf, dass die genannten Menschen unmittelbar in die Tätigkeit Jesu mit einbezogen werden und damit seine Verkündigung in Galiläa multipliziert wird. Angesichts der bei Jesus selbst und in seinem Umfeld herrschenden Naherwartung ist dies gut verständlich. Da auch die jüdische Gesellschaft klare Abgrenzungen für die Lebensentfaltung der Geschlechter kannte, ist es einsichtig, dass es für diese Tätigkeit Frauen und Männer aus der Jesusnachfolge brauchte. 7)
1.1.2 Aus der Zeit des Wirkens Jesu kennen wir zwar keine festen Kriterien, aber doch verschiedene Anhaltspunkte, die für ein Leben in der Nachfolge als Jüngerin oder als Jünger massgeblich waren:
- Im Zusammenhang mit der Schaffung des Zwölferkreises heisst es Mk 3,14: „Er [Jesus] rief zu sich, die er selbst wollte, und sie gingen weg zu ihm hin“ (Mk 3,14). Zunächst ist hier also eine Entscheidung Jesu angesprochen („die er selbst wollte“) . In der markanten, überbetonten Aussage über den räumlichen Wechsel („weg zu ihm hin“) ist die Zäsur erkennbar, die eine Existenz in der Jüngerinnen- oder Jüngerschaft gegenüber dem bisherigen Leben mit sich bringt. Frau oder man sollte nicht unmittelbar an die Radikalität der Nachfolgesprüche in den Evangelien denken, die eine Assoziation mit „alles“ oder „alle“ verlassen, „sofort“ und „nachfolgen“ als radikalem Alternativentscheid zur Einbindung in Familienbeziehungen nahelegt. Diese Radikalität spiegelt eher die Lebenswirklichkeit der nachösterlichen Wandermissionare als den galiläischen Wirkungsraum zur Zeit Jesu.
- Allerdings ist die Grundhaltung von Armut - die Bereitschaft also, Mangel verschiedenster Art zu haben und auch zu ertragen - in der Jesusgemeinschaft unverzichtbar gewesen. Sie stellt ja ein wesentliches Grundmerkmal des Selbstverständnisses Jesu dar.
- Das wesentlichste Moment war die persönliche Orientierung an Jesus – ein Synonym für Nachfolge. Wer in diese Jesusgemeinschaft in intensiver Weise integriert war – etwa in dem Sinn, dass er oder sie eine bestimmte Verantwortung übernommen hatte -, musste in einer solchen Jesusbeziehung verankert sein. Dies ist auf Gegenseitigkeit zu denken. Vermutlich haben wir weniger in den klassischen Berufungserzählungen, sondern eher in anderen Textab-schnitten solche Hinweise auf tiefgreifende Begegnungen mit Jesus, die Beziehung grundle-gen und die nachhaltig wirken. Heilung durch Jesus ist ein wichtiger Vorgang in diesem Zu-sammenhang gewesen.
- Hand in Hand damit geht schliesslich die Bereitschaft zum Dienst aneinander. Das entspre-chende Jesuswort (vgl. Mk 10,41-45 par) sowie die zeichenhafte Handlung der Fusswaschung (vgl. Joh 13,1-17) bilden dafür die massgebliche Auslegeordnung.
1.1.3 Eine Benennung von „Ämtern“ ist in dieser vorösterlichen Zeit nicht erkennbar – wenn wir von der Bezeichnung „Apostel“ absehen. Dabei geht es um eine funktionale Sachbezeichnung, die jenen gilt, die in besonderer Weise ausgesendet werden. Später kann daraus ein Amtstitel werden.
Es zeigt sich also insgesamt noch ein sehr offenes Bild. Immerhin ist erkennbar, dass die Jesusgemeinschaft Ansätze von Strukturbildung kennt, also zu bestimmten Aufgaben und Funktionen neigt: Das Entstehen von „Ämtern“ ist vorgedacht.
1.2 Nachösterliche Entwicklungen. An diese skizzierten Eckpunkte wird in der frühen Kirche angeschlossen. Auch hier sind die Angaben spärlich. Als Leitbegriffe für die weitere Entwicklung können die Begriffe „Kreativität“ in Verbindung mit „Inkulturation“, sowie die Bejahung einer entsprechenden „Vielfalt“ gelten. 8)
Die frühe Kirche stellt keine monolithische Grösse dar – weder in ihrer Struktur noch in ihrer Praxis. Sehr bald entwickeln sich verschiedene Kirchenregionen mit entsprechenden Zentren. In diesem Rahmen haben die einzelnen Kirchen am Ort ihr Profil erhalten.
1.2.1 Der älteste Zugang dazu ist uns durch Paulus möglich. Er sieht Dienste in der Kirche und in der Folge auch deren Trägerinnen und Träger aus der Perspektive der charismatischen Vielfalt in der Kirche und ihrem geistgeprägten Lebensaufbau: Die zahlreichen Gaben des Geistes – in sich vielfältig, dennoch alle auf den einen Geist zurückgeführt – sind die Grundlage für die Entwicklung des Lebens einer Kirche am Ort nach dem Bild eines Leibes, eben als der Leib des Christus. In der Schnittmenge zwischen den am Ort vorhandenen Charismen und den Notwendigkeiten für den Aufbau der konkreten Kirche am Ort ist das Amt in der Kirche angesiedelt. Ämter (oder besser: Dienste) entsprechen den Bedürfnissen dieses konkreten Leibes einerseits und sind andererseits abhängig von den gegebenen Gnadengaben. In diesem Sinne ist es wohl auch zu verstehen, dass Paulus seine Reflexion über den lebendigen Leib Christi mit der Feststellung beschliesst: „So hat Gott in der Kirche eingesetzt erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, usw.“ (1 Kor 12,28). Dass die Gabe der Leitung für die jeweilige Kirche unverzichtbar ist, darf angenommen werden; das Weitere ergibt sich wohl.
Gegenüber der Kirche von Korinth hat Paulus dieses Konzept ausführlich dargelegt und theo-logisch begründet (vgl. 1 Kor 12,4-11.12-31a). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er gegenüber den anderen Kirchen seines Einflussbereiches grundsätzlich in anderer Weise gedacht hätte. Die angedeutete Grundstruktur von Amt in der jeweiligen Kirche ist ohne Zweifel vielfältig. Denn es gibt keine Indizien dafür, dass Paulus den einzelnen Kirchen am Ort ein festes, schon gar nicht ein einheitliches Muster aufgeprägt hätte. 1 Thess 5,12 ist vom nötigen Respekt gegenüber den Vorstehenden die Rede. Der gesamte entsprechende Abschnitt (5,12-22) weist darauf hin, dass die angesprochene Kirche von Thessalonich als Ganze in die Verantwortung für das Leben der Kirche am Ort – einschliesslich des eingangs angesprochenen Strukturgebungsprozesses - eingebunden ist. Auf jeden Fall sind es Menschen aus dem eigenen Umfeld, die mit solchen Aufgaben betraut werden – wie z. B. auch in Korinth, wo Paulus zu einem entsprechenden Umgang mit Stephanas mahnt, der dort eine Hauskirche leitet (1 Kor 16,15-16). Aus den Briefen geht auch hervor, dass die Mitarbeitenden des Paulus punktuelle Missionen in und für die Ortskirchen erfüllen. Keiner und keinem von ihnen wird aber eine dauernde Funktion in diesen Kirchen übertragen. Paulus hat bei entsprechenden Personalentscheidungsprozessen wohl fallweise ein (gewichtiges) Wort mitgeredet – das entspricht seinem Naturell und seiner intensiv wahrgenommenen Verantwortung - mehr aber nicht. Denn die Leitungsinstanzen an den verschiedenen Orten haben unterschiedliche Bezeichnungen, die zur entsprechenden soziokulturellen Verortung der Kirche am jeweiligen Ort in Beziehung steht: So kennt die Kirche in der Hafenstadt Korinth eine Steuerungsinstanz (so 1 Kor 12,28), während die Kirchenleitung(en) in der Verwaltungsstadt Thessalonich einfach eine Verwaltungsbezeichnung tragen: Vorstehende (so 1 Thess 5,12) – analog zu Ministerialbeamten.
1.2.2 Vielfalt und Kreativität in der Dynamik des Geistes sind die massgeblichen Attribute dieser Ämterstruktur. Die nachpaulinischen Kirchen führen offensichtlich dieses vielfältige Kirchenmodell weiter. Daher kann der Brief an die Kirche von Ephesus auch neue Akzente setzen, wenn er besonders die Propheten hervorhebt (vgl. Eph 2,20; 4,5; 4,11) und mit den Hirten eine neue Bezeichnung einführt (siehe Eph 4,11). 9) Lukas spricht in der Apg in Anlehnung an das Jerusalemer Kirchenmodell erstmals von den Ältesten (griechisch: presbyteroi), die eine Kirche vor Ort leiten. Die Darstellung der Apg, Paulus habe in allen Kirchen selbst Presbyter eingesetzt (so Apg 14,23), spiegelt wohl die Praxis seiner, also der lukanischen Zeit. 10) Auch die Apg 1,23-26 erzählte Entscheidungsfindung zwischen zwei Kandidaten durch das Los 11) spiegelt die Kirchensituation in den letzten zwei Jahrzehnten des 1. Jh. Auch der Apg 6,2-6 referierte Entscheidungsweg führt wohl in die Praxis der lukanischen Kirchenzeit, also: Versammlung der Kirche am Ort 12), Benennung von Kriterien durch die Leitungsinstanzen vor Ort, Auswahl entsprechender Personen durch die Anwesenden 13) und qualifizierte Beauftragung durch Gebet und Handauflegung.
Lukas spricht also von verschiedenen Wegen zur Auswahl von Amtsträgern, die zwar ähnlich, aber nicht identisch sind. Mit Apg 13,1-2 macht er deutlich, dass letztendlich die Erwählung für ein Amt im Wirken Gottes begründet ist. Auch im Rückblick kommt Lukas nicht auf die Idee, die Frage einer einheitlichen Struktur für die wachsenden Kirchen in der Apg zum The-ma zu machen.
1.2.3 Es mag im Fortschritt der Zeit und der Erfahrung liegen, dass allmählich die Kriterien für die Übernahme eines Amtes theologisch verfeinert werden. Für die paulinischen Kirchen müssen solche Kriterien aus den positiven Bemerkungen über Amtsträgerinnen und Amtsträger erschlossen werden. In der Apg formuliert Lukas entsprechende Voraussetzungen. Die konkreten Aussagen zeigen, dass sowohl für Paulus wie auch für Lukas die Grundidee der Gnadengaben und die Notwendigkeit einer ganzheitlichen, personalen Eignung präsent sind:
So rühmt z. B. Paulus Phöbe in Kenchräa dafür, dass sie sich für andere eingesetzt hat, eben für andere hingestanden ist (Röm 16,1-2). An Stephanas hebt Paulus seine Dienstbereitschaft für die anderen hervor (1 Kor 15,15). Timotheus wird als ein Mensch charakterisiert, der „das Werk des Herrn“ im Sinn hat (1 Kor 16,10); er wird jenen gegenüber gestellt, „die das Eigene suchen, nicht die Sache Jesu Christi“ (Phil 2,21), ihm traut er auch die Aufgabe zu, die junge Kirche von Thessalonich in aufkommenden Bedrängnissen zu stärken (siehe 1 Thess 3,2-3). Epaphroditus hat sich bis zur Grenze seines Lebens für die Verkündigung eingesetzt (vgl. Phil 2,30). Maria, Tryphäna und Tryphosa werden in der Grussliste des Röm als Menschen charakterisiert, die „sich (im Herrn) abmühten“ (Röm 16,6.12): Das ist jene Wendung, mit der Paulus seine eigene apostolische Tätigkeit charakterisiert (so 1 Kor 15,10). Umgekehrt werden in der Kirche von Philippi Evódia und Syntyche ermahnt, Frieden zu halten – wobei andere, untere ihnen Klemens, eine Vermittleraufgabe erhalten (vgl. Phil 4,2-3).
Zugegeben: Das sind keine formalen Amtskriterien, aber klare Grundsätze kommen in diesen Hinweisen doch zum Vorschein.
Lukas formuliert eine Generation später etwas deutlicher. Apg 1,22-23 hält er die Gemeinschaft mit dem vorösterlichen Jesus und die Bereitschaft zum Zeugnis für dessen Auferste-hung als die zwei Kriterien für das Apostelsein fest – wodurch Paulus aus dieser Amtskatego-rie hinausfällt und dieses Amt auf die erste nachösterliche Generation beschränkt wird. Bei der Wahl der sieben Männer werden Personen mit gutem Leumund gesucht, die „voll Geist und Weisheit“ sind (Apg 6,3). In der Folge zeigt sich, dass einer von ihnen (Stephanus) über-dies über die Gnadengabe des Vollmachtshandelns und der Überzeugungskraft mit seinem geisterfüllten Wort verfügt (so Apg 6,8-10).
1.3 Kontinuität. Die Abfolge der ersten Generationen von Kirche bringt die Frage der Kontinuität ins Spiel. Entsprechende Weisungen Jesu sind nicht überliefert. Das verwundert, denn die frühe Kirche sah sich in anderen für sie wichtigen Bereichen durchaus autorisiert, entsprechende Herrenworte zu formulieren. Die Ausweitung des Verkündigungsauftrages auf alle Völker zeigt dies deutlich. 14) Zwei Momentaufnahmen illustrieren hier die frühkirchliche Situation:
(1) Als Paulus im Winter 56/57 oder 57/58 aus Korinth den Röm schreibt, hat er seine Tätigkeit im östlichen Mittelmeerraum innerlich abgeschlossen (siehe Röm 15,23-24). Er möchte über Rom nach Spanien aufbrechen. Obwohl er annehmen muss, dass er kaum mehr in den östlichen Mittelmeerraum zurückkehrt, sind keine Vorkehrungen seinerseits überliefert, z. B. also die Bestellung eines Nachfolgers oder zumindest eines Stellvertreters für seine Tätigkeit. 15)
Für das Amt des Paulus gibt es also keinen Nachfolger. Die Kirchen am Ort sind so organisiert, dass sie ihren Glauben leben können. Ergibt sich eine Vakanz, werden die Kirchen sie wieder besetzen, dazu brauchen sie Paulus nicht. Timotheus, Titus und die anderen Frauen und Männer aus seinem Umfeld werden die einen vor Ort, die anderen als Wandermissionare nach bestem Ermessen das Leben der Kirchen am Ort unterstützt haben, auch wohl in solchen Personalfragen. Dafür, dass sie in diesem Bereich entschieden hätten, gibt es keinen biblischen Anhaltspunkt.
(2) Der Zwölferkreis wurde durch den Tod des Judas im Umfeld von Tod und Auferstehung Jesu in seiner Zahl und damit in seiner Zeichenhaftigkeit defekt. Lukas zählt eingangs der Apg die verbleibenden Elf nochmals auf (so Apg 1,13) und bemüht in einer Petrusrede nach der Himmelfahrt des Auferstandenen sogar die Schrift, um aufzuzeigen: „Seine [des Judas] Aufgabe übernehme ein anderer“ (Apg 1,20c = Ps 109,8). So wird Matthias durch Losentscheid gewählt „und den elf Aposteln hinzugerechnet“ (Apg 1,26).
Ungefähr 12 Jahre später wird Jakobus, einer der Söhne des Zebedäus, durch Herodas Agrippa I. 16) in Jerusalem hingerichtet. Erneut ist also der Zwölferkreis defekt. Aber in der Folge wird keine Nachwahl angesetzt. Petrus wird ebenfalls inhaftiert. Er verlässt nach seiner Befreiung Jerusalem (vgl. Apg 12,17), ohne einen Nachfolger (oder Stellvertreter) zu bestimmen. Der Herrenbruder Jakobus übernimmt in Verbindung mit Ältesten (also mit presbyteroi) allmählich die Leitung der Kirche in Jerusalem und behält sie bis zu seiner gewaltsamen Tötung um 62/63 n. Chr. Von einer formellen Nachfolgeregelung durch eine übergeordnete Instanz kann keine Rede sein. Vermutlich hat die Kirche von Jerusalem aus der Situation heraus gehandelt.
Mit der Behauptung einer institutionalisierten Kontinuität sollte frau oder man also überaus vorsichtig sein. Dass wir, gerade weil das Moment von Struktur bereits in der Jesuszeit in Ansätzen erkennbar ist, von einer intentionalen Kontinuität sprechen können, ist hingegen eindeutig ableitbar. Es ist eine Ironie, dass jene, welche die historisch-kritische Sicht auf die Anfänge von Kirche als sekundär einstufen und daher gerne vernachlässigen möchten, in einer übertrieben historisierenden, damit zugleich naiven theologischen Denkungsart glauben, die so genannte „apostolische Sukzession“ des Amtes an historischen Gegebenheiten festmachen zu können.
2 DAS AMT DES BISCHOFS
An den Übergang zum zweiten Abschnitt stelle ich eine These, die sich aus den bisherigen Überlegungen ergibt: Das Amt des Bischofs ist im Neuen Testament im strengen Sinne nicht belegbar.
Damit wird u. a. dem vorschnellen Missverständnis entgegen getreten, das die griechische Bezeichnung episkopos mit dem üblichen Verständnis und der Bedeutung von „Bischof“ gleichsetzt. Daher könnte eine zweite, flankierende Aussage lauten: Im Amt des Episkopen sind Vorformen und Spuren des späteren Bischofsamtes erkennbar. Diese Aussage gilt es, anhand des neutestamentlichen Befundes noch zu verifizieren.
2.1 Aber vom episkopos haben Sie in meinen Ausführungen wenig gehört. Im Neuen Testament begegnet dieser Begriff im hier angesprochenen Zusammenhang viermal. 17) Von einem generellen Leitungsamt in der frühen Kirche ist also nicht die Rede. Im einzelnen:
- Paulus spricht in der Eröffnung des Phil die Heiligen in Philippi mit den episkopoi und diakonoi an (Phil 1,1). Es ist das einzige Mal, dass dieser Begriff in seinen Briefen begegnet. Die Episkopen (im Plural) gehören wohl also zu jener Kategorie von ortsüblich benannten Leitungsinstanzen, wie sie anlog in den Steuerleuten in Korinth und in den Verwaltungsmen-schen in Thessalonich zu erkennen sind (siehe oben 1.2.1). Da episkopos unter anderem auch eine militärische Rangbezeichnung ist und Philippi erheblich durch die Ansiedlung römischer Veteranen geprägt wird, wäre dies durchaus verständlich.
- Apg 20,28 werden die Kirchenverantwortlichen von Ephesus (und wohl auch jene aus Milet) als episkopen bezeichnet. Ihnen fällt kraft Einsetzung 18) durch den Heiligen Geist die Aufgabe zu, „die Kirche Gottes [als Herde] zu weiden.“ Die verwendete Semantik (poimnion, poimainein) lässt mit der Tätigkeit eines Hirten gegenüber seiner Herde assoziieren. Näheres wird nicht gesagt.
- In 1 Tim 3,2 und in Tit 1,7 ist im Zuge von so genannten „Ämterspiegeln“ vom episkopos die Rede. Beide Textabschnitte entstammen den so genannten „Postoralbriefen“, für die pseu-depigraphisch eine paulinische Verfasserschaft postuliert wurde und die heute in die letzten Jahrzehnte des 1. Jh. eingeordnet werden.
In beiden Fällen werden die Voraussetzungen für dieses Amt zusammengestellt. Dies entspricht dem Charakter dieser Schreiben, in denen eine Ordnung für die frühen Kirchen in der hellenistischen Gesellschaft skizziert wird, die von den geänderten Voraussetzungen nach dem Jahr 70 bestimmt sind: Die Parusie ist nicht gekommen. Die Kirchen müssen sich so organisieren, dass sie auf längere Zeit in der Gesellschaft leben können. Um das zu gewährleisten, werden in 1 Tim Voraussetzungen und Pflichten der Frauen und Männer (1 Tim 2,8-15), des Episkopen (1 Tim 3,1-7), der Diakoninnen und Diakone (1 Tim 3,8-13) aufgezählt, später auch jene der Witwen (1 Tim 5,3-16) und der Ältesten (1 Tim 5,17-22). Im Tit wird in vergleichbarem Zusammenhang der Älteste (also der presbyteros, 1,6) mit dem episkopos in Verbindung gebracht, wenn nicht gleichgesetzt. 19) Eine genaue Verhältnisbestimmung beider Ämter (also im Sinne einer Zu- oder Unterordnung) kann nicht festgestellt werden.
2.2 Lediglich in den beiden letztgenannten Textabschnitten (also in 1 Tim 3,2 und Tit 1,7) wird über die Kriterien für die Bestellung des episkopos Genaueres gesagt:
Zunächst ist ein Auszug aus einem christlichen Tugendkatalog zusammengestellt: Nüchternheit, Besonnenheit, würdige Haltung, Gastfreundschaft, Begabung als Lehrer, kein Trinker, nicht gewalttätig, mit Rücksichtnahme, ohne Streitsucht, ohne Geldgier (vgl. 1 Tim 3,2-3). 20) Dass diese Eigenschaften für eine christliche Leitungsperson anzustreben sind, ist evident.
Das Hauswesen – heute würden wir sagen: die Familie – der entsprechenden Person wird aus-führlich in die Beurteilung miteinbezogen.
Das ist in Erinnerung zu rufen. Denn so wertvoll und zeichenhaft die von einem Menschen um Gottes willen gewählte Ehelosigkeit auch ist, so problematisch hat sich im Laufe der Geschichte von Kirche die verpflichtende Verordnung eines Lebensstandes, hier des ehelosen, erwiesen. Diese Beobachtung darf nicht in Vergessenheit geraten. Demgegenüber können Details – wie etwa die Frage, was die Formulierung „Mann einer Frau“ genau bedeuten mag – jetzt unberücksichtigt bleiben. 21) Der Bezug zu Frau und Familie ist als Schluss vom Kleineren zum Grösseren formuliert: „Wer seinem eigenen Hauswesen nicht vorstehen kann, wie soll der für die Kirche Gottes sorgen?“ (1 Tim 3,5, vgl. Tit 1,6).
Von einer Erfahrungsweisheit zeugt die Vorgabe, keine neu Bekehrten in diesen Leitungsdienst zu rufen. Offenbar scheut die frühe Kirche den Übereifer und die Kompromisslosigkeit, die oftmals anlässlich einer grundlegenden Neuorientierung auftreten können. Schliesslich spiegelt die Anforderung, das Gute zu lieben, eine grundsätzliche Lebensausrichtung, die eine klare Richtungsentscheidung, eine wesentliche Grundoption beinhaltet.
Von Rechtgläubigkeit ist nicht die Rede. Nicht, dass diese nicht bedeutsam wäre; aber offensichtlich wird sie als selbstverständlich vorausgesetzt. Auch vom Respekt vor einer als über-geordnet eingestuften Autorität wird nicht gesprochen. Wo wäre sie auch anzusiedeln? -
AUSLEITUNG
Im Rückblick auf das Gesagte könnte frau oder man meinen, ich hätte das Thema verfehlt. Denn über den Bischof wurde nur sehr wenig gesprochen. Vielleicht ist gerade dies eines der Ergebnisse dieses neutestamentlichen Durchganges: Über dieses Amt ist in biblischer Zeit weit weniger zu sagen als behauptet und angenommen wird.
Es bleibt der nachbiblischen Zeit vorenthalten, es allmählich zu konstituieren und in seinem Profil zu schärfen. Um die Jahrhundertwende lesen wir in frühchristlichen Schriften über die Episkopen. Erst hier lernen wir ausdrücklich, dass sie von den Aposteln eingesetzt worden seien 22), und dass eine klare hierarchische Ordnung besteht, die theozentrisch verankert ist 23), ja mehr noch: „Es ist schön, Gott und den episkopos anzuerkennen“ schreibt Ignatius an die Kirche von Smyrna, und weiter: „Wer den episkopos ehrt, wird von Gott geehrt. Wer hinter des episkopos’ Rücken etwas tut, dient dem Teufel“ (IgnSmyr 9,1).
Auch hier gilt, was grundsätzlich zur Weiterentwicklung in der Tradition zu sagen ist: Sie muss in keiner Weise den biblischen Befund kopieren, aber sie muss mit diesem kompatibel sein. Eine singuläre Zuspitzung des Leitungsamtes auf diese eine Entfaltung des episkopos wird sich hier nur schwer ableiten lassen. Unter Hinweis auf die biblische Praxis stellt auch die Nicht-Beteiligung der Ortskirche ein untragbares Versäumnis dar, denn der biblische Befund weist gerade in die gegenteilige Richtung, also hin zur vollen Verantwortung der Kirche am Ort. Dass Bischöfe an den jeweiligen Ort passen müssen, vor Ort nach dem dort gegebenen Anforderungsprofil auszuwählen und daher auch nicht willkürlich zwischen den Diözesen zu verschieben sind, ist eine logische Folge. Die Gepflogenheit, das Bischofsamt als Karrierstufe in der (zentralen) Kirchenverwaltung und in der diplomatischen Vertretung eines Staates zu verstehen, ist ein Missbrauch des ursprünglichen geistlichen Verständnisses von Amt.
Der Dienstcharakter dieser Leitungsaufgabe ist immer wieder anzumahnen. Er erschöpft sich nicht in Titeln, sondern im Vorangehen in der Christusnachfolge. Diese Grundhaltung des Dienstes wird sichtbar in dienmütigen, authentischen christlichen Menschen, die ihre Autorität weder vom Amt noch von der Farbe ihrer Kleider ableiten müssen, sondern deren Autorität mit der Glaubwürdigkeit ihrer Person verbunden ist. Jede und jeder kennt solche Menschen. Fallweise sind sie auch Bischof geworden, weil sich von Zeit zu Zeit bewahrheitet, was früh-kirchliche Überzeugung ist: Gott gibt in seiner Kirche das Amt. Was wir in der Leitungsetage der Kirche brauchen, sind Menschen in der Nachfolge Jesu, die an den jeweiligen Ort und in die jeweilige Zeit gut passen, vorgeschlagen, ausgewählt von jenen Menschen, die sie kennen, den Menschen vor Ort also.
Da wären wir den biblischen Grundüberlegungen zum Amt und den diesbezüglichen Spuren aus der Jesuszeit dann wohl schon etwas näher. Das ist noch nicht alles, aber es wäre sehr viel damit getan.
Anmerkungen:
1) KKK 862 als Zitat aus LG 20.
2) KKK 861.
3) So bes. KKK 880: „Als Christus die Zwölf bestellte, ‚setzte er [sie] nach Art eines Kollegiums oder eines be-ständigen Zusammenschlusses ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte’ (LG 19). ‚Wie nach der Bestimmung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kol-legium bilden, so sind in gleicher Weise der Römische Bischof, der Nachfolger des Petrus, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden’ (LG 22).“
Des weiteren z. B. KKK 1576: „Den Bischöfen [kommt] als Nachfolgern der Apostel die Vollmacht zu“, das Weihesakrament weiter zu geben. Vgl. auch Nr. 1555.
4) Siehe die Heilung der Tochter des Jairus aus dem Tod (Mk 5,21-24a.35-43 par [= mit dem Parallelüberliefe-rungen bei Mt und/oder Mk]), die Erzählung über die Verklärung Jesu (Mk 9,2-10 par), die Szene vom Gebet Jesu am Ölberg (Mk 14,32-42 par) und die Rede Jesu gegen den Tempel (Mk 13,1-3) – in diesem letzten Fall ist Andreas als vierte Person genannt.
5) Siehe so Mk 3,13-19 par Mt 10,1-4; Lk 6,12-16, sowie Apg 1,12-14. Mit Ausnahme von Gal 2,9 wird im NT bei einer Aufzählung mehrerer Personen Petrus immer an erster Stelle genannt. Eine vergleichbare Ausnahme bildet auch Joh 1,35-51, wo Petrus nicht als Erstberufener, sondern als Drittberufener dargestellt wird. Vgl. an-ders Mk 1,16-20 par.
6) Siehe Mk 15,40-41 par; 15,47 par; 16,1 par, sowie Joh 19,25; 20,1; Apg 1,13-14.
7) Siehe dazu vor allem E. W. Stegemann/W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, Stuttgart 21997, 69-70, 174-181.
8) Siehe dazu W. Kirchschläger, Pluralität und inkulturierte Kreativität. Biblische Parameter zur Struktur von Kirche. (Luzerner Hochschulreden 1), Luzern 1997.
9) Bezüglich der „Hirten“ wird gerne auch auf Apg 20,28 verwiesen. Es ist allerdings zu beachten, dass dort von „Herde“ und von „weiden“ die Rede ist, das Substantiv aber nicht vorkommt. Von einer entsprechenden Amts-bezeichnung kann also in Apg nicht gesprochen werden. Siehe dazu auch unten 2. Frau und man sollte generell nicht übersehen, dass die Hirten-Metapher aus den Selbstoffenbarungsworten des JohEv (siehe Joh 10,11-15) nicht unbesehen auf Amtsträgerinnen oder Amtsträger übertragen werden kann. Ein vergleichbarer Befund der Wortwahl („weiden“ und „Herde“) findet sich in 1 Petr 5,2-3.
10) Siehe diese Fiktion etwa zeitgleich auch Tit 1,5, wo ein diesbezüglicher Auftrag des Paulus an Titus referiert wird.
11) Siehe dazu Spr 16,33, des weiteren 1Q S 5,3.
12) Die Wendung to plethos ton matheton ist lukanisch; siehe im NT nur Lk 19,37 und Apg 6,2. Die Verwendung des Begriffs to plethos [Menge] in Apg 15,30 lässt auf die Bezeichnung einer zahlenmässig grösseren Kirche am Ort schliessen: Apg 15,32 werden die zuvor so Angesprochenen als „Brüder und Schwestern“ bezeichnet.
13) Schon R. Pesch verweist auch bezüglich Apg 1,26 auf eine Lesart aus dem Codex D (5. Jh.), die an einen „Wahlvorgang in der Gemeinde“ denken lässt: Die Apostelgeschichte I. (EKK VI/I), Zürich 1986, 91 Anm. 41.
14) Vgl. Mt 28,18-20, dann Mk 16,15-18 gegenüber Mt 10, 5-6.
15) Das Schweigen gilt auch für die Darstellung der Apg, obwohl dort in der Abschiedsrede von Milet (vgl. Apg 20,17-38) die Endgültigkeit dieser Zäsur noch deutlicher hervorgehoben wird.
16) Die Rede ist vom Enkel Herodes’ des Grossen, der aus der Vorgeschichte im MtEv bekannt ist (vgl. Mt 2,1-18). Er regierte von 41-44 n. Chr. und vereinigte noch einmal das gesamte palästinische Gebiet unter seiner Herrschaft. Durch den auch profangeschichtlich bezeugten Tod des Herodes zwischen 42 bis 44 n. Chr. (sieh die Darstellung als Straftod in Apg 12,19b-23) ist eine ungefähre Datierung der Ermordung des Jakobus möglich.
17) 1 Petr ,25 wird der Begriff auf Jesus Christus bezogen.
18) etheto – gleiches Verb und gleiche Verbform wie 1 Kor 12,28.
19) Die als Begründung formulierte Einführung des episkopos in Tit 1,7 legt doch eher nahe, dass die schreibende Person beide Bezeichnungen als Synonyme versteht.
20) Siehe eine nähere Charakterisierung und Deutung dieser tugendhaften Eigenschaften bei J. Roloff, Der erste Brief an Timotheus. (Evangelisch-katholischer Kommentar XV), Zürich 1988, 154-159; L. Oberlinner, Kom-mentar zum ersten Timotheusbrief. (Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament XI/2.1), Freiburg 1994, 116-118.
21) In der bibelwissenschaftlichen Diskussion entscheidet sich J. Roloff, 1 Tim (siehe oben) 155.156, für das da-mit ausgesprochene Verbot der Polygamie, L. Oberlinner, 1 Tim (siehe oben) 118-121 erkennt in dieser Weisung eine Überschreitung des in der hellenistisch-philosophischen Ethik üblichen Tugendinventars, die in der Forde-rung nach einer „guten Eheführung“ besteht (121). [Die auch an die Diakone (vgl. 1 Tim 3,12) und an die Wit-wen (vgl. 1 Tim 5,9) gerichtete gleiche Forderung wäre dann ebenfalls in diesem Sinne zu verstehen]. Siehe in diesem Sinne auch R. Schwarz, Bürgerliches Christentum im Neuen Testament? (Österreichische Biblische Studien 4), Klosterneuburg 1983, 46-48.
22) Siehe so 1 Klem 42,4: „In Ländern und Städten also predigend setzten sie [die Apostel, siehe 42,-3] ihre Erst-linge ein, nachdem sie sie im Geist geprüft hatten, zu Episkopen und Diakonen derer, die künftig glauben wür-den.“
23) Siehe so Ignatius An die Smyrnäer 8,1-2: „1Folgt alle dem episkopos, wie Jesus Christus dem Vater, und dem Presbyterium wie den Aposteln; die diakonoi aber achtet wie Gottes Gebot. Keiner soll etwas von kirchlichen Dingen ohne den episkopos tun. Jene Eucharistie soll als zuverlässig gelten, die unter dem episkopos oder, wem er es anvertraut, stattfindet. 2Wo der episkopos erscheint, da soll auch die Volksmenge sein, wie da, wo Christus Jesus sich befindet, auch die katholische Kirche ist. Es ist nicht erlaubt, ohne den episkopos zu taufen oder das Liebesmahl zu halten; was jener aber geprüft hat, dies ist Gott wohlgefällig, damit alles, was ihr tut, sicher und zuverlässig sei.“