Laien-(Ohn-)Macht in der katholischen Kirche?

 

02.04.2008, Univ.-Prof. Dr. Sabine Demel

Das deutsch-schweizerische Modell im Kontext kirchenrechtlicher Reformforderungen.

Dieser Beitrag ist der Zeitschrift ORIENTIERUNG Nr. 4/2008, vom 29. Februar 2008, entnommen.

Was sind drei typische Aufgaben der Laien in der Kirche? Nach der Aussage einer altbekannten Karikatur: gehorchen, beten, opfern, Doch in der Praxis zeigt sich, dass Laien inzwischen auch in der Verkündigung und in der Seelsorge tätig sind, ja sogar mancherorts Pfarreien leiten. Und speziell bei den Frauen in der Kirche lässt sich beobachten; Waren noch vor gar nicht so langer Zeit Mädchen als Ministrantinnen verboten, gehören nun Ministrantinnen zum Normalbild im Gottesdienst: gab es in den 1960er Jahren in den Hörsälen der Theologie kaum eine Studentin, so gibt es heute sogar Theologieprofessorinnen: lag die Seelsorge früher ausschließlich in Männerhand, sind inzwischen auch Frauen als Seelsorgerinnen in der Praxis etabliert. In der katholischen Kirche hat sich offensichtlich einiges zu Gunsten der Laien gewandelt. Damit stellt sich nun die Frage; Hat sich grundsätzlich etwas an der Sicht und Bewertung der Laien in der Kirche geändert oder werden beide nur als Lückenbüßer und Notbehelf für den Priestermangel benützt?

Vom Hierarchie- zum Communiomodell der Kirche


Spätestens seit dem II. Vatikanischen Konzil (1962 - 1965) werden diese und viele weitere Fragen über die Laien im Raum der katholischen Kirche neu bedacht. Entscheidender Auslöser dafür ist der auf dem Konzil vollzogene Perspektivenwechsel im Selbstverständnis der katholischen Kirche, der auch zu einer veränderten Betrachtungsweise der Laien geführt hat. Bis dahin war nämlich jahrhundertelang gelehrt worden, daß es in der Kirche zwei Arten von Christen gibt, die Kleriker und die Laien. Und es war beharrlich betont worden, daß es sich hierbei um zwei ungleiche Personenstände handelt, weil die Kleriker die Kirche bilden und deshalb die Befehlenden sind, wahrend die Laien das minder berechtigte Volk sind und als Untertanen den Klerikern zu gehorchen, ihnen zu opfern und für sie beten haben. Erst auf dem II. Vatikanischen Konzil setzt sich eine grundlegend neue Sicht und Bewertung der Laien durch. Denn die katholische Kirche wird jetzt nicht mehr primär als die ständisch geordnete Gesellschaft von Klerikern und Laien verstanden, sondern als die Gemeinschaft aller Gläubigen, unter denen kraft der Taufe eine wahre Gleichheit besteht, die grundlegender ist als die Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien. Ausgangspunkt sind somit nicht mehr die zwei Klassen der Kleriker und Laien, sondern die grundsätzliche Gleichheit aller Glieder des Volkes Gottes. Deshalb wird seitdem immer wieder hervorgehoben, dass nicht nur die Kleriker bzw. die Hierarchie von Papst, Bischöfen, Priestern und Diakonen die Sendung der Kirche erfüllen, sondern auch die Laien. Alle, Laien und Kleriker, sind gemäß ihrer je eigenen Stellung in der Kirche zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche in der Welt anvertraut hat - so ist seit dem II. Vatikanischen Konzil wiederholt in kirchlichen Dokumenten zu lesen.

Der vom II.Vatikanischen Konzil vollzogene Perspektivenwechsel im Selbstverständnis der katholischen Kirche wird gerne schlagwortartig umschrieben als Wandel vom sogenannten Hierarchiemodell zum Communiomodell. Das Hierarchiemodell steht für das Kirchenbild, wie es auf dem I. Vatikanischen Konzil (1870) vertreten wurde, das Communiomodell dagegen als Versuch des II. Vatikanischen Konzils, die Einseitigkeiten des Hierarchiemodells durch die Rückbesinnung auf die biblische und urkirchliche Tradition von der Kirche als Gemeinschaft und als Volk Gottes aufzubrechen und zu korrigieren. Was sind die zentralen Gedanken der beiden Modelle?

Im Hierarchiemodell des I. Vatikanischen Konzils ist der Papst der absolute Bezugspunkt für die kirchliche Gemeinschaft, und nur die geweihten Amtsträger sind die Handelnden in der Kirche, gleichsam die alleinigen Protagonisten, während die übrigen Gläubigen reine Zuschauer, also gleichsam Statisten sind, ganz und gar von den Aktionen und Entscheidungen der Protagonisten abhängig. Im Gegensatz dazu gibt es im neuen Kirchenbild dem Communiomodell des II. Vatikanischen Konzils, keine Statisten mehr, sondern alle, die geweihten Amtsträger wie die Gläubigen, sind Protagonisten, die in einer lebendigen und wechselseitigen Beziehung zu- und miteinander stehen, so dass die Entscheidungen des Papstes wie auch alle weiteten Entscheidungen der geweihten Amtsträger nicht im Alleingang, sondern in Rückbindung die Gemeinschaft und im Bemühen um einen Konsens getroffen werden.

Wie ist diese neue Sicht weise des II. Vatikanischen Konzils in das kirchliche Gesetzbuch eingegangen, das im Geist des II. Vatikanischen Konzils überarbeitet worden ist und 1983 in dieser überarbeiteten Fassung in Kraft getreten ist?

Das Communiomodell im kirchlichen Gesetzbuch 1983


Bereits bei einem ersten Blick in das kirchliche Gesetzbuch, den Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC/1983), kann man die erfreuliche Feststellung machen: Das konziliare Kirchenbild von der Gemeinschaft aller Gläubigen und vom »Volk Gottes« hat hier offensichtlich eine zentrale Bedeutung erlangt; das zeigt sich bereits daran, dass die Rechtsbestimmungen über den grundlegenden Aufbau und die Struktur der Kirche gleichsam programmatisch mit dem Titel «Volk Gottes« Überschrieben sind (vgl. Überschrift vor c.204 CIC/1983), während früher im CIC/1917 dieses Kapitel ganz allgemein mit „De personis“ überschrieben war und dem damaligen Kirchenbild entsprechend nicht nur zuerst, sondern fast ausschließlich speziell über die Kleriker handelte (vgl. Überschrift vor c.87 und c.108 CIC/1917). Was legen diese Rechtsbestimmungen hinsichtlich des Volkes Gottes fest?

Zum Volk Gottes gehören nach den Einleitungsbestimmungen zum Verfassungsrecht - das ist c.204 §l - alle in der katholischen Kirche Getauften. Kennzeichen dieser Getauften ist es, daß sie durch eben diese Taufe «des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaftig geworden sind, und deshalb «gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen [sind], die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat« (c.204 §1). Durch das sakramentale Geschehen der Taufe wird die/der Einzelne nicht nur Christus eingegliedert, sondern erhält zugleich auch durch die Taufe selbst und nicht etwa erst durch einen kirchlicher« Amtsträger vermittelt - die Teilhabe an diesem dreifachen Amt Christi, die jeden und jede in unterschiedlicher Weise, nämlich gemäß seiner und ihrer je eigenen Stellung in der Kirche, zur Ausübung des Sendungsauftrages der Kirche beruft.

Diese Aussagen des c.204 werden einige Canones später nochmals, nämlich in c,208 aufgegriffen und präzisiert. Unmißverständlich wird dort festgehalten: "Unter allen Glaubten besteht, und zwar aufgrund ihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christ mitwirken“. Die fundamentale Gleichheit unter allen Gläubigen bezieht sich somit nicht nur auf die eine gemeinsame Taufwürde, sondern auch auf die eine gemeinsame Tätigkeit, nämlich den Sendungsauftrag der Kirche zu erfüllen. Zu Recht wird daher festgestellt, dass der bzw. die Gläubige «den Kleriker als Hauptperson in der Verfassung der Kirche abgelöst und seinerseits den zentralen Platz eingenommen hat ... Hauptdarsteller auf der Bühne des kirchlichen Verfassungsrechts ist nicht mehr wie [früher im altern Kirchenbild und] im CIC/1917 der Kleriker, sondern der »christifidelis« 1), also der und die Christgläubige.

Die doppelte Gemeinsamkeit in der Taufwürde wie auch in der Tätigkeit kraft der Taufe ist einerseits grundlegend und andererseits zugleich offen dafür, daß sich auf dieser Grundlage sendungsspezifische Unterschiede entfalten können. Diese Tatsache wird in dem eben genannten c.208 durch die Formulierung zum Ausdruck gebracht, daß «alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe» die gemeinsame Tätigkeit ausüben. Noch deutlicher hebt dies c.207 §1 hervor, wenn er festlegt; «Kraft göttlicher Weisung gibt es in der Kirche unter den Gläubigen geistliche Amtsträger, die im Recht auch Kleriker genannt werden; die übrigen dagegen heißen Laien.» C.207 §1 sagt damit über das Verhältnis von Klerikern und Laien im Volk Gottes Folgendes aus: Die geistlichen Amtsträger bzw. Kleriker sind geweihte, bzw. ordinierte Gläubige; sie stehen .nicht über den anderen Gläubigen und diesen gegenüber, sondern gehen aus der Gemeinschaft aller Gläubigen hervor. Deshalb spricht c.207 §1 davon, daß es «unter den Gläubigen» geistliche Amtsträger gibt. Diese Formulierung hebt die fundamentale Gleichheit aller Glieder hervor, die trotz der Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien nicht aufgehoben ist. In Widerspruch dazu steht aber der zweite Halbsatz, in dem die Laien gleichsam abwertend als die "übrigen (sc. Gläubigen!» bezeichnet weiden. Dadurch wird der Eindruck erweckt, als wäre die Existenz der Kleriker vorrangiger als die der Laien, obwohl doch Theologisch gilt, daß kraft der Taufe eine fundamentale Gleichheit besteht.

Laien sind nach c.207 §1 nichtgeweihte Gläubige, also Nichtkleriker bzw. «Kirchenglieder ohne Weihe». Damit hat der Begriff «Laie» im CIC/1983 keinerlei positiven Inhalt, sondern dient lediglich der Abgrenzung. Deshalb wird die Verwendung des Laienbegriffes auch immer wieder in Frage gestellt, zumal er im C1C/1983 nicht nur in der Bedeutung von Nichtkleriker (z.B.c.207) vorkommt, sondern auch noch in dem weiteren Sinn von Nichtkleriker und Nichtordenschrist (z.B.c.463§2).

Das Hierarchiemodell in der rechtlichen Konkretisierung


Rechtliche Grundaussagen sind die eine Seite der Medaille. Sie verlangen nach der dazugehörenden zweiten Seite: der konkreten Umsetzung in den vielen Einzelbreichen des kirchlichen Alltags Wie spiegeln «ich also die Grundaussagen vom Volk Gottes, von der wahren Gleichheit mit den sendungsspezifischen Unterschieden und von der aktiven Rolle aller Gläubigen in der Ausgestaltung der Dienste und Ämter in der Kirche wider? Um es vorwegzunehmen: im höchsten Maße unbefriedigend. Mehrere Belege können dafür angeführt werden:


Erstens: Die sogegnannten Gremien der Mitverantwortung des ganzen Gottesvolkes sind rechtlich unzureichend konzipiert. Die bekanntesten davon sind jene auf der Pfarr- und Bistumsebene wie der Pfarrpastoralrat, (c.536) der pfarrliche Vermögensverwaltungsrat (c.537), der Diözesanpastoralrat (c.511 ff.) und der diözesane Vermögensverwaltungsrat (cc.492ff.). Sie sind im Anschluß an das II Vatikanische Konzil als institutioneller Raum geschaffen worden, in dem sich die Teilhabe des ganzen Gottesvolkes an der Sendung der Kirche artikulieren soll und kann. Sinn und Zweck dieser Gremien ist es, den Beitrag der Vielen zu bündeln und repräsentativ zu vertreten. Doch in der rechtlichen Ausgestaltung ist für alle diese repräsentativen Einrichtungen des Volkes Gottes ausschließlich eine Mitwirkung in der Form der Beratung vorgesehen; es ist also keinerlei Mitentscheidungskompetenz rechtlich verankert. Daher ist festzuhalten: Das was die Lehre von der wahren Gleichheit aller Gläubigen kraft der Taufe verlangt, nämlich einen Kommunikationsprozeß von Bischof oder Pfarrer mit dem jeweiligen ihm zur Leitung anvertrauten Volk Gottes, ist dadurch rechtlich nicht garantiert. Denn die Dialogbereitschaft der eben genannten Armsträger einerseits und die Beteiligung der anderen Gläubigen an zentralen Entscheidungen andererseits sind strukturell und rechtlich nicht so verankert, daß sie rechtlich eingeklagt werden könnten: sie hängen vielmehr allein vom guten Willen des jeweiligen Bischofs und Pfarrers ab. Das ist ein rechtliches Defizit, das nicht unterschätzt werden darf. Deshalb wird zu Recht beklagt. daß es in der katholischen Kirche immer noch keinen rechtlichen Rahmen gibt, in dem sich die wahre Gleichheit des ganzen Gottesvolkes und damit der Glaubenssinn aller verbindlich artikulieren kann.


Zweitens: Auch die rechtliche Ausgestaltung der kirchlichen Dienste und Ämter spiegelt die Lehre von der wahren Gleichheit aller Gläubigen nicht wider. Denn nach wie vor wird den Klerikern in nahezu allen kirchlichen Angelegenheiten eine derart unersetzliche Rolle zugesprochen, das der je eigene Anteil der anderen Gläubigen, also der Laien, nicht zum Tragen kommt. Fast alle Dienste und Ämter sind auf die Kleriker ausgerichtet und stehen nur in Ausnahmefällen - vor allem in Zeiten des Priestermangels - den anderen Gläubigen offen, wie z.B. die Predigt, die Beerdigung, die Leitung von priesterlosen Sonntagsgottesdiensten, die Spendung der Krankenkommunion, die Vorbereitung auf den Sakramentenempfang oder das Amt des kirchlichen Richters, der Theologieprofessorin und des Leiter des katholischen Büros.


Drittens: Ebenso kommt die wahre Gleichheit des ganzen Gottesvolkes fast überhaupt nicht bei der Besetzung wichtiger Ämter in der Kirche zum Tragen. Es ist nicht nachvollziehbar, daß die Entscheidung über die Besetzung so bedeutender Ämter wie des Amtes eines Pfarrers, Bischofs und Papstes nahezu im Alleingang der geweihten Amtsträger geschieht und den Laien höchstens eine beratende Rolle zugewiesen ist. Gerade hei solchen Schlüsselpositionen müßte der wahren Gleichheit unter allen Gläubigen dadurch Rechnung getragen werden, daß möglichst viele repräsentativ bestellte Gläubige am Verfahren der Auswahl eteiligt werden.

Von der kleruszentrierten zur laienorientierten Kirche


Recht in der Kirche steht nicht im theologieleeren Raum sondern versteht sich durchwegs als praktische Umsetzung theologischer Vorgaben. Daher hat kirchliches Recht stets Maß zu nehmen an den jeweiligen theologischen Vorgaben. Das ist im Hinblick auf die Lehre von der wahren Gleichheit aller und der Teilhabe jedes Gläubigen am dreifachen Amt Christi bisher nicht in hinreichendem Maße geschehen. Denn die bisherige kirchliche Praxis zeigt: Die Knotenpunkte des kirchlichen Lebens sind nach wie vor zu einseitig stark klerikerzentriert ausgestaltet, angefangen bei der Repräsentanz auf kirchlichern Versammlungen über die Entscheidungskompetenzen bis hin zu der Wahrnehmung von kirchlichen Diensten und Ämtern. Die Berufung aller anderen Gläubigen des, Gottesvolkes, also der Laien, tritt in den Schlüsselsituationen und - positionen dagegen kaum oder nur sehr eingeschränkt in Erscheinung. Anders gesagt: Die Laien sind bisher nur in der abstrakten Theorie zu aktiv Handelnden, zu Protagonisten gemacht worden, bei den konkreten, kirchlichen Lebensvollzügen sind sie aber weiterhin in die Statistenrolle verwiesen.

Um hier Theorie und Praxis zusammenzubringen, sein viele klerikerzentrierte Rechtsbestimmungen auf eine Laienorientierung hin aufzubrechen. Das heißt konkret: Den Laien muß künftig durchgängig mehr Beteiligung an allen kirchlichen Vollzügen, Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen zukommen, und zwar nicht nur im Sinne eines Zugeständnisses der kirchlichen Autorität, sondern rechtlich abgesichert, weil ihnen dieses Recht aufgrund der ihnen von Gott in der Taufe verliehenen Würde, Autorität und Teilhabe an seinem dreifachen Amt des Lehrens, Heiligen und Leitens der Kirche zusteht. Damit dies nicht nur ein frommer Wunsch bleibt, sondern Realität wird. sind drei entscheidende Rechtsänderungen notwendig, die mit den Schlagworten umschrieben werden können: deutlich mehr Ausübungsrechte, Mitspracherechte und Mitgestaltungsrechte für Laien.

Ausübungsrechte der Laien


Ein erster Sehritt, die Kleruszentriertheit im kirchlichen Alltag aufzubrechen, sollte dadurch geschehen, daß den I.aien wesentlich mehr kirchliche Dienste und Ämter offenstehen als bisher. Zu diesem zweck sind viele rechtliche Bestimmungen so umzuformulieren, daß Laien bestimmte Dienste und Ämter in der Kirche nicht nur in der Notsituation des Klerikermangels oder mit Ausnahmegenehmigung. wahrnehmen können, sondern prinzipiell und unabhängig vom klerikalen Personalbestand. Hier ist z.B. die Beauftragung zu Predigt in der Eucharistiefeier zu denken, den Beerdigungsdienst, die Kommunionspendung oder auch an das Richteramt in einem kirchlichen Gericht, das Amt einer Caritasdirektorin und die Leitung einer katholischen Akademie wie auch des katholischen Büros.

Für Schweizer Ohren mag diese Forderung nach mehr Ausübungsrechten für Laien in der Kirche nicht sehr brisant klingen. Denn in den meisten Schweizer Diözesen ist vielfach schon partikularrechtlich verwirklicht, was noch gemeinrechtlich für die ganze katholische Kirche aussteht. In dieser Hinsicht wird die Schweiz aus deutscher Sieht oft als das kirchliche Paradies für die Laien betrachtet.

Mitspracherechte der Laien


Ein zweiter Schritt, die Statistenrolle der Laien zu überwinden, sollte darin bestehen, für Laien auf allen kirchlichen Ebenen und in allen zentralen Rechtsbereichen das Recht der Mitsprache einzuführen. Laien sollten künftig auf jeden Fall bei allen Personalentscheidungen mitreden, ebenso bei den zentralen Haushaltsfragen, der Veränderung kirchlicher Strukturen sowie der Gestaltung und Organisation des liturgischen Lebens, der pastoralen Schwerpunktsetzungen und der ökumenischen Arbeit. Verwirklicht werden sollte dieses durchgängige Mitspracherecht mit Hilfe des Instituts der Beispruchsrechte, das die Anhörung oder Zustimmung bestimmter Personen verpflichtend vorschreibt. Nach dem derzeit geltenden Gesetzbuch der katholischen Kirche besagt das Beispruchsrecht, daß bei wichtigen Entscheidungen der kirchlichen Autorität bestimmten Kreisen von Repräsentanten aus dem Volk Gottes ein Anhörungs- und/oder Zustimmungsrecht zukommt: werden diese Mitwirkungsrechte der Anhörung oder Zustimmung umgangen, erhält die Entscheidung der kirchlichen Autorität keine Rechtswirksamkeit (vgl. c.127 CIC 1983), Auffallenderweise hat der kirchliche Gesetzgeber solche Beispruchsrechte bisher nur in Randgebieten und nur für Kleriker normiert. So muß z.B. der Diözesanbischof vor dem Abhalten einer Diözesansynode den Priesterrat hören (c.46l) und kann erst nach Anhörung des Priesterrates in jeder Pfarrei einen Pastoralrat einrichten (c. 536). 2)

Dieses Rechtsinstitut der Beispruchsrechte sollte künftig wesentlich starker ausgebaut und besonders auch für das Miteinander von Laien und Klerikern genutzt werden, und zwar in folgender Weise: Gewählten Repräsentanten der Laien ist in allen wichtigen Bereichen der Kirche ein Anhörungs- und/oder Zustimmungsrecht zu garantieren, ohne das eine kirchliche Autorität nicht rechtswirksam handeln kann. Konkret könnte dies dadurch geschehen, daß die schon bestehenden Vertretungsorgane den verschiedenen kirchlichen Ebenen wie Pastoralrat (c.536), Vermögensverwaltungsrat (c.537) und Diözesanpastoralrat (cc. 511 ff.) so mit Anhörungs- und Zustimmungerechten ausgestaltet werden, daß die Teilhabe der Laien am dreifachen Dienstamt Christi ebenso deutlich zum tragen kommt wie die Letztverantwortung der Kleriker.

Hier könnten Schweizer Ohren aufhorchen. Denn sie könnten in diesem Vorschlag einen Optimierungsansatz für das sogenannte deutschschweizerische Modell des dualen Systems entdecken. Zweifelsohne ist dieses wohl weltweit einzigartige System vor allem aus Sicht der Laien begrüßenswert, weil ihnen darin wie nirgends sonst ein Mitbestimmungsrecht in den finanziellen Kirchenangelegenheiten zukommt. Zu den Markenzeichen dieses dualen Systems gehören die Prinzipien «der Partizipation und der Transparenz, der Subsidiarität und der Dezentralisierung.» 3) Strukturell ist dieses System durch eine klare Kompetenzaufteilung in der Entscheidung über die Finanzen und die Pastoral gekennzeichnet. Für die finanziellen Entscheidungen sind staatskirchenrechtlich und damit demokratisch organisierte und demokratisch arbeitende Gremien katholischer Bürgerinnen zuständig (finanzieller Entscheidungsträger), für die pastoralen Entscheidungen die kirchenrechtlich legitimierten Gremien von katholischen Kirchenmitgliedern mit einer ausgeprägten rechtlichen Sonderstellung des Pfarrers und Bischofs als Vorsteher einer bestimmten Gemeinschaft von Gläubigen (pastoraler Entscheidungsträger). Die finanziellen Entscheidungsträger haben kein Mitspracherecht bei den pastoralen Fragen und die pasteoralen Entscheidungsträger kein Mitspracherecht bei den finanziellen Fragen. 4)

Diese Kompetenzaufteilung und damit Parallelstruktur von Finanz- und Pastoralentscheidungen gilt auf allen Ebenen (staatskirchenrechtlichen: Kirchgemeinde, Kanton, Bund bzw. Landesebene – kirchenrechtlich: Pfarrei, Bistum, Schweizer Bischofskonferenz) mit dem Zweck, dass die staatskirchenrechtlichen Strukturen die «äußeren- Voraussetzungen für das kirchliche Leben schaffen sollen. Einige Beispiele zur Verdeutlichung: Die Kirchgemeinden erheben die Kirchensteuern und finanzieren damit die Ausgaben der Pfarrei. Das bedeutet konkret, dass die Kirchgemeinden dem Pfarrer das Gehalt zahlen, der Jugendgruppe einen bestimmten Betrag zur Verfügung stellen, die Rechnungen für Kirchgesangsbücher begleichen, usw. Die Kirchgemeinden leiten also die Kirchensteuern weder an ein Gremium der Pfarrei oder direkt an den Pfarrer weiter, sondern verwalten diese selbst mit der Zweckbestimmung, das pfarrliche Leben zu ermöglichen. Auf der nächst höheren Ebene übernehmen die kantonalen Körperschaften «den Finanzausgleich zwischen den Kirchgemeinden und die Finanzierung überregionaler Tätigkeiten und Amtsstellen der Kirche. Auch die Bistumsleitung wird regelmäßig von den kantonalen Körperschaften alimentiert: der Bischof hat keinen selbständigen Zugriff auf die Kirchensteuer. Die kommunalen und kantonalen staatskirchenrechtlichen Gremien sind bestückt mit kirchlichen Laien, die nicht vom Bischof ernannt, sondern vom Kirchenvolk, etwa in der Kirchgemeindeversammlung gewählt werden» 5)

Konfliktpotential


Solange die Vertreter beider Systeme, also der Finanzen und der Pastoral, die Auffassung vertreten, daß eine strikte Trennung nur theoretisch, nicht aber praktisch sinnvoll ist, weil eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Finanzen und Pastoral besteht, und deshalb auf gegenseitiges Ein vernehmen, Vertrauen und Miteinander achten, funktioniert das duale System sicherlich gut «ermöglicht und erfordert [es] eine starke Laienpartizipation und eine «basisnahe» Führung der Kirche durch die Bistums- und Pfarreileitung». 6) Doch was, wenn einer der Partner des dualen Systems nicht diese Auffassung vertritt oder seine Kompetenzen überschreitet? Dann kommt es zu Konfrontationen und Spannungen wie den folgenden:


«Mit ihrer Erklärung zum Pflichtzölibat und zur Frauenordination hat sich die Luzerner Synode 2004 als staatskirchenrechtliches Gremium zu kirchenrechlich-disziplinären, aber auch zu dogmatisch -glaubensmässigen Fragen geäussert und dabei die offiziellen kirchenamtlichen Positionen kritisiert. Damit wurde die Frage nach den Grenzen der pastoralen Zuständigkeit staatskirchenrechtlicher Organe aufgeworfen. Haben sie das Recht, sich dazu zu äussern und dabei lehramtliche Positionen oder pastorale Konzepte der Kirchenleitung zu hinterfragen?

Mit ihrem Festhalten an der Mitarbeit eines Priesters, dem der Bischof von Basel die «missio canonica» entziehen will, hat der Kirchenrat in Röschenz im Frühjahr 2005 die Frage nach der personellen Zuständigkeit aufgeworfen. Darf die Kirchgemeinde, wenn sie die Gründe für die Verweigerung einer kirchlichen Beauftragung durch den Bischof nicht anerkennen kann, einen Seelsorger in seinem Amt belassen? ... Schon einige Zeit zurück liegt der Churer Investiturstreit, in dem die staatskirchenrechtlichen Körperschaften dem unrechtmässig ins Amt gekommenen und von grossen Teilen des Kirchenvolkes und der Seelsorgenden nicht akzeptierten Bischof Wollgang Haas die bisher gewährten Beiträge für die Bistumsfinanzierung verwehrten und damit finanzielle Entscheidungen mit kirchenrechtlichen und pastoralen Fragen verknüpften. Dürfen die staatskirchenrechtlichen Körperschaften in diesem Sinne von ihrer finanziellen Hoheit Gebrauch machen? » 7) Und in umgekehrte Richtung gefragt: «Dürfen personelle Entscheidungen vom Bischof ohne Mitentscheidungsrechte der Betroffenen und ohne Transparenz bezüglich der wahren Gründe gefällt werden? ... Darf die Kirchenleitung sich bei einer Bischofsernennung über geltendes Recht und über den Willen der Mehrheit der Kirchenmitglieder hinwegsetzen aber gleichzeitig deren finanzielle Solidarität einfordern?» 8)

Meiner Meinung nach könnten solche Vorfälle, die das Miteinander belasten zumindest reduziert oder gar vermieden werden, wenn dem einen Entscheidungsträger beim jeweils anderen Entscheidungsträger künftig ein (begründungspflichtiges) Vetorecht bzw. Beispruchsrecht zukommt - je nach Materie in der Gestalt eines Anhörungs- oder Zustimmungsrechtes. Entscheidend ist hier, daß diese wechselseitigen Beispruchsrechte nicht nach Ermessen gewahrt, sondern strukturell als Rechtsansprüche normiert werden. Damit wäre das duale Syrern der Schweiz aus dem strukturellen Nebeneinander zu einem strukturellen Miteinander - wenn auch nur auf niedrigem Niveau - befreit. Um nicht nur Schadensbegrenzung zu betreiben, sondern eine gedeihliche Zusammenarbeit zu fordern und sicherzustellen, könnten diese vetoartigen Mitspracherechte zu Mitentscheidungsrechten ausgeweitet werden, wie sie in der dritten Reformforderung für die ganze katholische Kirche umrissen werden. Eine solche Ausweitung legt sich für das duale System in der Schweiz auch aus staatskirchenrechtlicher Sicht näher als die zweite Reformforderung, da sie den staatkirchenrechtlichen Preis überwindet, der zu zahlen wäre, wenn man sich lediglich mit der Gewährung von wechselseitigen Beispruchsrechten begnügen würde. Denn durch die minimale Kooperationsform der Beispruchsrechte könnte es in der Praxis vorkommen, daß in den Fällen, in denen der finanzielle Entscheidungsträger dem pastoralen Entscheidungsträger das Beispruchsrecht des Zustimmungsvorbehalts gewährt, die Entscheidung des staatsrechtlichen Entscheidungsträgers nicht mehr rein demokratisch getroffen wird bzw. die demokratisch getroffene Entscheidung an einem (begründungspflichtigen) Veto des Bischofs als des letztverantwortlichen pastoralen Entscheidungsträgers scheitert.

Mitentscheidungsrechte der Laien


Ein weiterer und parallel zu vollziehender Schritt für eine laienorientierte Reform im kirchlichen Gesetzbuch von 1983 ist, daß den Laien nicht nur das im Sinne eines Vetos konzipierte Beispruchsrecht. sondern auch ein Recht der aktiven und kreativen Mitgestaltung in Form der Mitentscheidung gegeben wird. Damit nicht nur einzelne, sondern möglichst viele Glieder des Gottesvolkes ihre Tauf-Würde und Tauf-Autorität in die Kirche einbringen können, sollte eine rechtliche Aus- bzw. Umgestaltung der kirchlichen Versammlungen, des sogenannten synodalen Prozesses, in eine dreifache Richtung vollzogen werden: zum einen ist der Anteil der Repräsentanten der Laien bei den verschiedenen Versammlungen der Kirche zu erhöhen, zum anderen sind die bestellten Vertreter und Vertreterinnen der Laien nicht nur mit einem Rederecht auszustatten, sondern mit einem gleichberechtigten Stimmrecht, «im dritten ist die Entscheidungskompetenz der versammelten Gemeinschaft insofern zu stärken- daß die Einspruchsrechte der zuständigen kirchlichen Autorität auf ein notwendiges Mindestmaß beschrankt wurden. Demnach sollte die kirchliche Autorität die getroffenen Beschlüsse der Versammlung nicht mehr nach ihrem eigenen Ermessen abändern oder gar außer Kraft setzen können, wie es in etlichen Fällen bisher möglich ist. 9) Vielmehr sollte sie stets an die Durchführung der Beschlüsse gebunden sein, es sei denn, sie kann eine Verfälschung des Glaubensinhaltes oder einen gravierenden Rechtsverstoß geltend machen.

Eine konkrete Unsetzung dieses Gedankens stellten bereits die Regelungen über die Beschlußfassung und Gesetzgebung der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland {1971-1975) dar, die nach ihrem Tagungsort auch kurz als «Würzburger Synode» bezeichnet wird. Denn erstens waren hier die Laien in einem zahlenmäßig adäquaten Verhältnis vertreten, da nicht nur eine Minderheit von Laien teilnehmen durfte, sondern die Vielfalt des ganzen Volkes Gottes repräsentativ vertreten war. Zweitens hatten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleiches beschließendes Stimmrecht. Drittens war für die Beschlußfassung nicht die Einmütigkeit notwendig, sondern bereits eine Zweidrittelmehrheit ausreichend. Viertens mußten die Bischöfe den Beschlüssen der Synodalen in einem zusätzlichen Akt explizit zustimmen, damit diese verbindliche
Normen wurden; allerdings durfte diese Zustimmung nur dann verweigert werden, wenn Glaubens- und Sittengründe oder tragende Rechtsverstöße geltend gemacht werden konnten. 10) In der Konzeption der Würzburger Synode war durch die Anzahl der Laien wie auch durch deren Stimmrecht eine wirkliche Teilhabe des Volkes Gottes am Leitungsamt der Kirche ebenso gewährleistet, wie die besondere Verantwortung der Kleriker gewahrt war, da sie ein besonderes Vetorecht hatten. Entsprechend positiv ist die Würzburger Synode in die Geschichte der katholischen Kirche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz eingegangen. Ein aussagekräftiges Indiz dafür sind die zahlreichen Synodenbeschlüsse, die bis heute sowohl für die lehramtliche Verkündigung als auch für die theologische Reflexion relevant sind. Auch die Tatsache, daß die Arbeitsweise, insbesondere die Beschlußfassung der Würzburger Synode nach Ablauf der Synode weder von einem der Synodenmitglieder noch von wissenschaftlicher oder lehramtlicher Seite jemals ernsthaft in Frage gestellt worden ist, spricht eindrucksvoll für sich. Um so bedauerlicher ist es, daß diese gelungenen, ja wegweisenden Regelungen bisher nicht entsprechend Schule gemacht haben. .Auch heute noch rufen die Zeichen der Zeit danach, die Regelungen der Würzburger Synode in analoger Weise auf alle synodalen Einrichtungen der katholischen Kirche anzuwenden; auf das Ökumenische Konzil (cc..337ff) und die Bischofssynode (cc.342ff) ebenso wie auf das Partikularkonzil (cc.439;ff.), die Bischofskonferenz (cc.47ff) und die Diözesansynode (cc.460ff.). Die unterschiedliche Zielsetzung der jeweiligen Versammlung durfte sich dabei lediglich auf das zahlenmäßige Repräsentationsverhältnis von Laien, Bischöfen, Priestern und Diakonen auswirken, nicht jedoch auf das allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gleichermaßen zukommende Stimmrecht. In diesem Sinn sollten je nach Sinn und Zweck der Versammlung das eine Mal mehr Bischöfe als andere Glieder des Volkes Gottes vertreten sein (z.B. Ökumenisches Konzil) und das andere Mal mehr Laien als Priester und Bischöfe (z.B. Diözesansynode). Die Unterscheidung zwischen Mitgliedern, denen nur ein Beratungsrecht zukommt, und solchen, die auch Stimmrecht haben, sollte dagegen abgeschafft werden. Stattdessen ist durch die Anzahl der Laien wie auch durch deren Stimmrecht eine wirkliche Teilhabe des Volkes Gottes am Leitungsamt der Kirche ebenso zu gewährleisten, wie die besondere Verantwortung der Kleriker zu wahren ist, indem ihnen ein besonderes, allerdings begründungspflichtiges Vetorecht zukommt.

Vorschlag zu den schweizerischen Gegebenheiten


Für das duale System der Schweiz birgt die Übernahme dieser gesamt kirchlichen Reformforderung die Chance, das minimale strukturelle Miteinander durch wechselseitige Beispruchsrechte auf eine höhere und für das Gemeinwohl dienlichere Ebene zu stellen, ohne dabei die den jeweiligen Entscheidungsträgern zustehende Eigenständigkeit aufgeben zu müssen: Dazu wären dem einen Entscheidungsträger beim anderen Entscheidungsträger nicht nur Beispruchsrechte sondern in bestimmten Fragen auch Mitentscheidungsrechte zu gewähren. Diese wären so auszugestalten, daß dadurch weder die Autonomie des jeweiligen Entscheidungsträgers aufgehoben noch die theologisch begründete Sonderstellung von Pfarrer und Bischof bei pastoralen Fragen verletzt werden. Die Sicherstellung der berechtigten Autonomie wie auch des Grundsatzes der demokratischen Entscheidungsfindung der staatskirchenrechtlichen Organe könnte die Beschlußfassung nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit gewährleisten; hiernach bedürfen Beschlüsse nicht nur der Mehrheit der beiden versammelten Entscheidungsträger (die jeweils zuständigen staatskirchenrechtlichen Gremien und die kirchenrechtlichen Räte mit ihrem Vorsteher), sondern auch der Mehrheit der für die jeweiligen Fragen (Finanzen oder Pastoral) spezifisch zuständigen Entscheidungsträger, um rechtsverbindlich zu werden. Die Wahrung der Sonderstellung von Pfarrer, Bischof und Bischofskonferenz in pastoralen Fragen könnte dadurch ereicht werden, daß ihnen je nach theologischem Gewicht der pastoralen Fragen entweder die Entscheidungskompetenz mit Bindung an die Zustimmung der beiden Gremien oder ein explizites Zustimmungsrecht zu einer Mehrheitsentscheidung der beiden Gremien zukommt:

  • Für bestimmte pastorale Fragen kommt den Vorstehern der jeweiligen kirchenrechtlichen Ebene einerseits die Entscheidungskompetenz zu, für die sie aber andererseits die Zustimmung der beiden (staatskirchen- und kirchenrechtlichen Gremien nach dem Prinzip dar doppelten Mehrheit benötigen.
  • Für andere pastorale Fragen kommt den Vorstehern der jeweiligen kirchenrechtlichen Ebene zusätzlich zu dem Beschluß der beiden Gremien, der nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit getroffen worden ist, ein explizites Zustimmungsrecht bzw. begründungspflichtiges Vetorecht zu.

Um es an zwei Beispielen zu verdeutlichen: Ein Finanzbeschluß auf landeskirchlicher Ebene sollte sowohl der Mehrheit der beiden Entscheidungsträger bedürfen, also der staatskirchenrechtlichen Synode und des kirchenrechtlichen Diözesanpastoralrates 11) als auch der Mehrheit des für Finanzfragen spezifisch zuständigen Gremiums, also der Synode. Handelt es sich um einen pastoralen Beschluß, sollte entweder die Entscheidung des Bischofs als Vorsteher die mehrheitliche Zustimmung der beiden Gremien, also der Synode und des Diözesanpastoralrates, sowie speziell die mehrheitliche Zustimmung des für pastorale Fragen zuständigen Gremiums, also des Diözesanpastoralrates, benötigen, um Rechtsverbindlichkeit zu erlangen. Oder es sollte wie bei den Entscheidungen in Finanzfragen die Mehrheit der beiden Gremien erforderlich sein, zu der analog zum Finanzbeschluß die Mehrheit des für pastorale Fragen spezifisch zuständigen Gremiums, also des Diözesanpastoralrates, hinzukommen muß sowie die explizite Zustimmung des Vorstehers der Diözese, also des Bischofs bzw. eines bischöflichen Beauftragten.

Durch diese rechtlichen Änderungen wären beide Entscheidungsträger zu einem ständigen wechselseitigen Kommunikationsprozeß zum Wohlergehen der kirchlichen Gemeinschaft berechtigt, aber auch verpflichtet. Jedenfalls wäre ihre Dialogbereitschaft nicht mehr nur davon abhängig, ob sich beide auf ihr «kommuniales Gewissen» 12) ansprechen lassen, sondern durch rechtliche Eckdaten in einer Mindestform garantiert. Das wäre ein wichtiger Beitrag dazu, wovon viele Theoretiker und Praktiker in der Schweiz überzeugt sind, nämlich «dass die kirchlichen und die staatskirchenrechtlichen Strukturen sich ergänzen und eine produktive Spannungseinheit bilden». 13)

Auch aus spezifisch staatskirchenrechtlicher Sicht der Schweiz müßte dieses Reformmodell attraktiv und relativ leicht umsetzbar sein. Attraktiv müßte es sein, weil daß wechselseitige Mitentscheidungsrecht das schweizerische Prinzip der Basisdemokratie fördert und zugleich die schon bestehende Zusammenarbeit des Staates mit der katholischen Kirche auf dem Boden der weltanschaulichen Neutralität des Staates intensiviert. Umsetzbar müßte es sein, weil das Kirche-Staat-Verhältnis in der Schweiz nicht vom Bund, sondern von den einzelnen Kantonen ausgestaltet wird. Der Bund gibt nur die Religionsfreiheit als Rahmenrecht vor (Art. 15 der Bundesverfassung), während die konkrete Regelung des Verhältnisses, zwischen Kirche und Staat den jeweiligen Kantonen zukommt (Art.72 Bundesverfassung). «Die Schweiz kennt folglich bislang kein einheitliches <staatkirchenrechtliches System>', sondern eine Vielfalt von 26 kantonalen Staatskirchenrechtssystemen». 14) Und zu deren Kennzeichen gehört es, daß sie sich «in aller Regel für pragmatische Lösungen [interessieren!, um die konsequente Umsetzung abstrakter Prinzipien [sich dagegen weniger bemühen]. » 15) Bei diesen staatskirchenrechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten wäre erstens die Übernahme des Reformvorschlages durch die Entscheidung des jeweiligen Volkes eines Kantons möglich und würde zweitens keine grundsätzliche Änderung des schweizerischen Staatskirchenrechts darstellen, sondern vielmehr dessen konkludente Anpassung an die Zeichen der gesellschaftlichen und kirchlichen Zeit.

Elliptisches Wechselspiel zwischen Laien und Klerikern


Alle sind begabt, niemand ist unbegabt! Diese Feststellung gilt sowohl für die Laien als auch für die Kleriker. Deshalb können auch die einen nicht einfach die anderen ersetzen oder überflüssig machen. Entscheidend ist vielmehr, daß sie miteinander als Volk Gottes die Sendung der Kirche wahrnehmen und nicht in ein Neben- oder Gegeneinander oder gar in eine Über- und Unterordnung geraten. Das gilt sowohl innerhalb wie auch außerhalb eines dualen Systems von Pastoral und Finanzen. Ihr Beziehungsverhältnis muß von einem gegenseitigen Sich-fördern und Sich-fordern geprägt sein. Kleriker und Laien müssen wie zwei Brennpunkte einer Ellipse sein, für die ein grundlegendes Miteinander genauso wesentlich ist wie ein spezifisches Gegenüber. Ist das der Fall, dann entsteht auch Raum für eine weitere notwendige Entwicklung in der Kirche, nämlich das Wahrnehmen und Ernstnehmen der Erfahrungen und Lebensprozesse, des Denkens und Fühlerns von Frauen. Denn bisher ist die spezifisch weibliche Sicht, Deutung und Gestaltung von Wirklichkeit in der kirchlichen Tradition kaum rezipiert worden. Die einseitig männlich geprägte Sprache, Mentalität, Spiritualität und Struktur in der Kirche sind hierfür deutliche Anzeichen. Deshalb wird es höchste Zeit, daß endlich auch Frauen in der Kirche die Chance erhalten, aber auch wahrnehmen, dort mitzureden, mitzuentscheiden und mitzugestalten, wo maßgebliche Eckdaten für die Zukunft gesetzt werden, wo über Personal, Projekte und Prioritäten entschieden wird. Frauen müssen das Bild der Kirche genauso prägen und öffentlich präsentieren wie dies die Männer bereits tun. Denn die weibliche und die männliche Sicht gehören zusammen und bilden das Ganze.

In einem elliptischen Wechselspiel des ganzen Gottesvolkes ist die Vielfalt der Charismen genauso notwendig wie der Dienst der Einheit. Miteinander und Gegenüber von Laien und Klerikern heißt daher, daß beide ihre jeweiligen Fähigkeiten für den Ausbau der Gemeinschaft erspüren und einsetzen, wobei die Kleriker besondere Sorge dafür tragen, daß im Miteinander das Zeugnis Jesu lebendig erhalten bleibt. Auftrag und Berufung der Kleriker ist somit Dienst an den Diensten der Glaubensgemeinschaft zu üben, d.h., die eigenen Charismen wie auch die Charismen der Laien, der Männer und Frauen, wachsen zu lassen und zugleich auf die befreiende und heilende Ordnung des Evangeliums Jesu Christi auszurichten. Aufgabe und Charisma der Laien ist es Objekte sondern vielmehr Subjekte der kirchlichen Sendung zu sein. d.h.. sich mit ihren je eigenen Begabungen und Persönlichkeitsprofilen für die Lebendigkeit der und in der kirchlichen Gemeinschaft zu engagieren. Denn Pastoral ist nicht mehr wie früher nur die Aufgabe der Kleriker an den Gemeindemitgliedern und Seelsorge nicht mein nur die Sorge für die Seele der bzw. des Einzelnen, sondern Pastoral ist die Aufgabe aller Glieder der Kirche und Seelsorge die wechselseitige Hilfe aller im Christsein. Dazu ist es notwendig, daß jeder und jede Einzelne die je eigenen Lebenserfahrungen, Wahrnehmungsperspektiven und Fähigkeiten in die Gemeinschaft der Kirche einbringt. Nur so kann es gelingen, sowohl einen Traditionsbruch zu verhindern wie auch ein Weiterschreiben der Tradition entsprechend der Zeichen der Zeil zu fördern, eine Aufgabe, die von Laien und Klerikern gemeinsam zu leisten ist.

Sabine Demel, Regensburg

1) H. Müller, Zur Rechtsstellung der Laien in der römisch-katholischen Kirche, in: ZevKR 32 (1987), 467-479, 473.

2) Weitere Anhörungsrechte sind beispielsweise folgende: Der Diözesanbischof kann erst nach Anhörung des Konsultorenkollegiums und des Vermögensverwaltungsrates einen Ökonomen ernennen (c. 494 §1) und darf ohne Anhörung des Priesterrates keine Pfarreien errichten, aufheben oder nennenswert verändern (c. 512 §2). Noch spärlicher sind die Zustimmungsrechte ausgebaut, die sich außerdem bis auf eine Ausnahme nur Auf den Bereich der Vermögensverwaltung beziehen. So kann zB. Diözesanadministrator nur mit Zustimmung des Konsultorenkollegiums den Kanzler und andere Notare des Amtes entheben (c. 485) und der Diözesanbischof nur mit Zustimmung des Vermögensverwaltungsrates und des Konsultorenkollegiums außerordentliche Akte der Verwaltung setzen (c. 1277) oder Diözesanvermögen veräußern (c. 1292 §1 u. §4).

3) K.Koch, Kirche an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend, in: Schweizerische Kirchenzeitung 167 (1999), 722-725, 724; vgl. D. Kosch, Demokratisch – solidarisch – unternehmerisch. Organisation, Finanzierung und Management in der katholischen Kirche in der Schweiz, Zürich 2007, 30

4) U. Brosi, Einführung in das Staatskirchenrecht der Schweiz, Luzern 2002, 1-20, 16; erläutert treffend: „Eine Doppelstruktur, wie sie für die katholische Kirche in der Schweiz besteht, gibt es in Deutschland nur ansatzweise, indem bestimmte Finanzräte die Finanzen der Diözesen beaufsichtigen und mitbestimmen. … Dass die katholische Kirche sich in Deutschland frei(er) nach ihrem Selbstverständnis organisieren kann, basiert auf dem Verständnis, dass der Staat auch bei öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen keine vollständig demokratische Binnenstruktur verlangen darf. Hierbei zeigt sich die Parallele zum politischen System: Deutschland ist eine reich parlamentarische Demokratie, analog reicht es, wenn bei den Religionsgemeinschaften einige Repräsentanten des Kirchenvolkes über die Kirchensteuern entscheiden können. Die Schweiz ist eine direkte Demokratie; hier wird auch für die Kirchen gefordert, dass die Kirchenbasis über alles Wichtige direkt abstimmen kann.“

5) R. Pahud de Mortanges, System und Entwicklungstendenzen des Religionsverfassungsrechts der Schweiz und des Fürstentums Lichtenstein, in ZevKR 52 (2007), 495-523, 513; vgl. D. Kosch, Demokratisch – solidarisch – unternehmerisch (Anm. 3), 14-17. An dieser Stelle darf nicht verschwiegen werden, dass das duale System an einer strukturellen Benachteiligung der Bistums- und Bischofskonferenzebene leidet, die im Endergebnis zu einer Verteilung der Finanzen auf der kirchenrechtlichen Ebene der Pfarrei, des Bistums und der Schweizer Bischofskonferenz nach dem Schlüssel 100:10:1 führt. Das heißt konkret, «dass es eigentlich nur eine Kirchgemeindesteuer gibt und dass die übergeordneten kirchlichen Instanzen auf die Finanzierung von unten und auf Fastenopfer und Kirchenopfergelder angewiesen sind» (K. Koch, Kirche an der Schwelle zum dritten Jahrtausend [Anm. 3, 723] ). Völlig zurecht wird in diesem Zusammenhang von einer «Unterbewertung des Solidaritätsprinzips» gesprochen (K. Koch, Staatskirchenrechtliche Systeme und katholische Ekklesiologie, in: Schweizerische Kirchenzeitung 168 [2000], 451-555; zugänglich auf: http://www.kath.ch/skz/skz-2000/leit/le38.htm) und treffend erläutert: Diestaatliche Struktur der Schweiz «kennt als Gegenpol zur Gemeindesteuer die ebenso gewichtige kantonale Staatssteuer und schliesslich direkte und indirekte Besteuerung… Eben dieses Gleichgewicht aber fehlt bei den staatskirchenrechtlichen Strukturen. Denn hier gibt es nur eine Kirchgemeindesteuer, hingegen keine Bistumssteuer. Das Bistum ist deshalb auf Gedeih und Verderb auf die Finanzierung von unten angewiesen: und dies ist eine mühsame Situation, da es bereits dem physikalischen Gesetz der Schwerkraft widerspricht, Finanzen nach oben zu bringen» (ebd., 550). Diese berechtigte Kritik kann in diesem Beitrag nur benannt aber nicht näher behandelt werden. Das gilt ebenso für die Verwendung des Begriffs «Synode», die «in der deutschsprachigen Situation nicht theologisch und schon gar nicht kanonistisch verstanden wird, sondern das staatskirchenrechtliche Legislativparlament meint» (K. Koch, Der Bischof als erster Verkündiger, Liturge und Leiter der Ortskirche, in: Schweizerische Kirchenzeitung 168 [2000] 174-180, 179; zugänglich auf: http://www.kath.ch/skz/skz-2000/berufe/berufe11.htm). In diesem Sinn ist auch die Bezeichnung «Kirche» für eine staatskirchenrechtliche Körperschaft und «Kirchenverfassung» für die Organisation der staatkirchenrechtlichen Gremien zu kritisieren. «Statt den äussertst missverständlichen Begriff der Kirchenverfassung zu verwenden, wäre es adäquater, von der staatskirchenrechtlichen Organisation des katholischen Bevölkerungsteils eines Kantons zu reden» (K. Koch, Staatkirchenrechtliche Systeme, 548).


6) R. Pahud de Mortanges, System und Entwicklungstendenzen (Anm. 5), 513f.

7) D. Kosch, Kirchenrechtliche und staatkirchenrechtliche Strukturen, Gegensatz oder Ergänzung? Risiko oder Chance? 1-13, 3; Vgl. auch U. Brosi, Einführung in das Staatkirchenrecht (Anm. 4), 18, für den klassische Konfliktpunkte zwischen kirchenrechtlichen und staatkirchenrechtlichen Organen sind: «Auswahl und Anstellung von Pfarrern, Gemeindeleiter/innen und anderen Seelsorger/innen; Kompetenz zur Erstellung der Pflichtenhefte: Personalführung, Personalgespräche (wer ist Linienvorgesetzter von wem?); Finanzen der Pfarrei (nicht der Kirchgemeinde); Messstipendien, Jahrzeitstiftungen, Benefizien, Legate, Schenkungen, zweckgebundene Fonds; Einfluss auf Festlegung von Gottesdienstzeiten, Formen der Jugendarbeit, Erwachsenenbildung und andere Bereiche der Seelsorge»

8) D. Kosch, Kirchliche und staatskirchliche Strukturen (Anm. 7) 4.

9) Beispiele hierfür sind die Diözesansynode (c.466), die Bischofsynode (c.343) und das Ökumenische Konzil (c.341); Gegenbeispiele das Partikularkonzil (c.446) und die Bischofskonferenz (c.455).

10) Vgl. die Artikel 2,6. 11, 13 und 14 des Statuts, in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Offizielle Gesamtausgabe, Bd. 1: Beschlüsse der Vollversammlung, Freiburg i. Br., 1976, 856-861;

11) Natürlich müßte der Diozesanpastoralrat den innerkirchlichen Reformforderungen entsprechend von einem reinen Beratungs- zu einem Mitentscheidungsgremium umgestaltet werden.

12) J. Werbik, Kirche, Ein ekklesiologischer Entwurf für Studium und Praxis, Freiburg i. Br., 1994, 352

13) D. Kosch. Kirchliche und staatskirchenrechtliche Strukturen (Anm. 7), 9. Die gegenseitige Ergänzung und produktive Spannungseinheit sollte auch der Bistums- und Bischofskonferenz-Ebene sowie für eine rechtsklare Begrifflichkeit (siehe dazu Anmerkung 3) genutzt werden. Hier besteht strukturelle Entwicklungsfähigkeit, aber auch Entwicklungsnotwendigkeit.

14) U. Brosi, Einführung in das Staatkirchenrecht der Schweiz (Anm. 4), 6.

15) Ebd.