KIRCHENVOLKSKONFERENZ 2019: "TUT DIES ZU MEINEM GEDÄCHTNIS!"

Ein Bericht von Martha Heizer

Sagenhaft, diese Leute! Über 100 weiße-weise Häupter in dem wunderschönen Karl-Rahner -Saal des Kardinal-König-Hauses in Wien, betagt die meisten, aber begeistert, geisterfüllt, verwundet, aber kämpferisch nach wie vor. Den ganzen Tag über hören wir – auch – Geschichten, die eigentlich unfassbar sind: entwürdigend, gemein, unverständlich, demotivierend, entsetzlich. Viel Schlimmes haben sie alle schon erfahren und im „Feldlazarett Kirche“ haben sie die „Ärzte“ getroffen, die ihnen die Wunden zugefügt haben. Und dennoch: sie strahlen eine Heiterkeit aus, die ansteckt, sind liebenswürdig und freundlich geblieben, und vor allem: sie alle sind Kirche und wollen es bleiben. Sie setzen sich ein für eine Kirche, die aufbaut und heilt, die gut tut und lockt, den Weg Jesu zu gehen, die beisteht in dem Abenteuer, mit dem lebendigen Gott zu leben. Das ist die Kirche, die ich liebe und für die ich mich einsetzen will, solange ich kann.

Nach 24 Jahren von „Wir sind Kirche“ spüre ich, dass nichts ferner ist als Resignation. Wir haben schon einen langen Weg hinter uns. Er war durchaus oft auch beschwerlich und die Wegweiser waren nicht immer sehr deutlich. Aber wir haben uns gegenseitig ermutigt und sind immer weiter gegangen. Und sind nun an diesem Punkt der heurigen KirchenVolksKonferenz angelangt, der so viel Mut macht.

Da ist einmal die energiegeladene und freundschaftliche Zusammenarbeit der vier demokratisch legitimierten Reformgruppen Österreichs. Wohltuend, unkompliziert, hilfreich.

Dann ist da die gemeinsame Überzeugung, dass die Monarchie in der Kirche zu Ende geht, gehen muss (Wunibald Müller), dass Klerikalismus tatsächlich abbaubar ist, und wir damit bei uns selber schon begonnen haben. Augenhöhe ist das Stichwort. Gerade diesbezüglich baut es so auf, dass viele Priester unter uns sind, die das genauso sehen. Sehr förderlich ist dafür die tiefgründige biblische Fundierung: heuer Susanne Heine und ihre Ermutigung, die sie von biblischen Frauen ableitet; letztes Jahr Walter Kirchschläger und sein Aufruf, die Ermächtigung durch die Taufe ernst zu nehmen. So schön, dass er heuer einfach als Gast dabei war! Einen interessanten Aspekt machte uns Christiane Sauer deutlich: die derzeitige klerikale Struktur von Kirche fördert den vielfachen sexuellen Missbrauch. Davon sind wir schon immer ausgegangen, aber die konkreten Beispiele lassen diese Erkenntnis unter die Haut gehen. Und wenn uns dann Herbert Bartl (PoA) ermuntert und ermutigt, unsere Taufermächtigung auch wirklich zu leben und die Angst vor Sanktionen in vorauseilenden Ungehorsam umzuleiten, und wenn Renate Bachinger (LI) so anschaulich aus ihrem pfarrlichen Alltag erzählt, wo sie Gottesdienste, Begräbnisse, Taufen, Hochzeiten begleitet und leitet und eine sehr bodenständige (innviertlerische) und menschennahe Seelsorge betreibt: dann sind wir so richtig in Stimmung, gemeinsam zu überlegen, was denn unsere nächsten Schritte sein sollen, im kleinen, privaten Kreis, in unseren Gemeinden, für die gesamte Kirche…

Da kommt dann an den vielen Tischen so einiges zusammen. Die Ernte war gut.

Ich hebe nur drei Erzählungen hervor, die ich gehört habe: über die eine Pfarre, die gerade ihr eigenes Pfarrprofil erstellt („Was uns wichtig ist“), es dem Bischof vorlegen wird und dann verlangt, dass ein neuer Pfarrer dieses Profil akzeptiert, mit ihm übereinstimmt und an der Umsetzung mitarbeitet. „Sonst schicken wir ihn wieder zurück!“

Und die eine Frau, die sagt, dass sie noch nicht bereit ist, unerlaubte Dinge zu tun und Strafen in Kauf zu nehmen. „Aber Widerstand leisten kann ich schon!“, sagt sie und sieht sehr entschlossen aus dabei. Man muss dem Pfarrer nicht alles durchgehen lassen. Man kann jederzeit fragen, woher er denn die Berechtigung für diesen oder jenen Schritt beziehe; und man kann sagen, dass das unakzeptabel ist und sich nicht daran halten.

Erfreulich auch die Erzählung über die eigene Goldene Hochzeit mit einer Eucharistiefeier im Familien- und Freundeskreis, ohne Priester. Da sind eine Menge junger Leute dabei, Kinder und Enkel und sogar Urenkel, die plötzlich merken: so geht es auch, und es ist gut so.

Eine besondere Freude haben uns zehn Jugendliche bereitet – schon allein durch ihr Kommen und ihr engagiertes Dabeisein. Ein paar Mal habe ich ihre überraschten Blicke gesehen. Sie wussten nicht, dass es eine Konzilsgeneration gibt, die einen Aufbruch der Kirche erlebt hat, den sie sich überhaupt nicht vorstellen können. Aber dass es uns mit unserem KirchenVolksKonferenz-Format gelungen ist, sie anzuziehen, erfüllt uns zusätzlich mit großer Hoffnung.

Natürlich haben wir am Ende gefeiert, alle gemeinsam, Geweihte und Nicht-Geweihte, Beladene und Beflügelte, Fröhliche und Grantige, Beschauliche und Eilige... Wir feierten gemeinsam die Erinnerung und die Gegenwart Jesu, wir feierten unseren liebenden Gott, wir feierten unsere Gemeinschaft. Dabei stärkten uns Brot und Wein, überzeugten uns die Lesungen, freute uns das Singen. Begleitet wurden wir dabei mit Keyboard, Saxophon und Gitarre. Ein schönes Fest!

Ein Dank auch noch an das Haus und seine Mitarbeiterinnen. Sie haben uns im Hintergrund sehr unterstützt und aktuell auftretende Fragen und Problemchen schnell gelöst! Und das Essen war gut!

Martha Heizer