Selbstanzeige gemäß Canon 750 Codicis Iuris Canonici

Wängle, 12. 07. 98

An den
Präfekten der Glaubenskongregation
Eminenz Joseph Kardinal Ratzinger
Palazzo della stessa congregazione per la Dottrina della Fede
Piazza del S'Ufficio 11
I – 00193 Roma

Betreff: Selbstanzeige gemäß Canon 750 Codicis Iuris Canonici

"Tretet nicht aus, sondern tretet auf!", so Papst Johannes Paul II im Salzburger Dom anläßlich seines diesjährigen Österreichbesuches. Genau das möchte ich nun tun und vielleicht wird sich dann erweisen, ob diese Aufforderung unseres Kirchenoberhauptes ernst gemeint oder nur eine effekthascherische Floskel war.

Auftreten möchte ich gegen das jüngste apostolische Schreiben "Ad tuendam fidem" und Ihren begleitenden Kommentar dazu. Darin werden alle katholischen Christen mit "gerechter Strafe" bedroht, die Inhalte des Lehramtes in Glaubens- und Sittenfragen "hartnäckig zurückweisen", selbst wenn diese Inhalte nicht als verpflichtende Dogmen verkündet wurden. Sie selbst zählen zu diesen "Wahrheiten" auch die Lehre von der Ausschließlichkeit der Priesterweihe für Männer. Für uns gläubige Christen heißt das also in der Praxis, alles demütig und kritiklos zu schlucken, was von Rom und seinem "Hl. Officium" kommt. – "Tretet nicht aus, sondern auf!" sagte der Papst in Salzburg. Zwei Wochen später tönt es nun aus Rom ganz anders. Jeder, der es wagt eine andere Meinung zu vertreten als die des Lehramtes, soll mit "gerechter Strafe" bis hin zur Exkommunikation belegt werden. Leisetreten und ja nicht auftreten ist also für brave Katholiken angesagt. Jeder, der noch seinen eigenen Verstand gebrauchen kann, möge selbst beurteilen, was von solcher Doppelzüngigkeit in solch kurzem zeitlichen Abstand zu halten ist. Mit diesem apostolischen Schreiben ist es Rom endgültig gelungen, die Uhren wieder hinter das 2. Vatikanische Konzil in das finsterste Mittelalter zurückzudrehen und die Glaubenskongregation zu dem zu machen, was sie bereits einmal war: der Sitz der Inquisition. Durch dieses Schreiben wird auch das Denunziantentum "rechtgläubiger und papsttreuer Katholiken" zu ungeahnter Blüte gelangen, Bischöfen vom Schlage eines Krenn, Haas oder Dyba wird ein "schlagkräftiges" Instrument gegen ihre Kritiker in die Hand gegeben. Das Evangelium also doch eine Drohbotschaft? Und wir naiven Katholiken haben immer geglaubt, Evangelium bedeute "gute Nachricht" oder "frohe Botschaft".

Bevor nun andere "pflichtbewußte und gesetzestreue" Christen es tun, möchte ich ihnen zuvorkommen und Selbstanzeige bei Ihrer Behörde erstatten:

Ich bekenne, dass ich am 20. Juni 1998 bei einer Veranstaltung des Katholischen Bildungswerkes Tannheim, zu der ich als Referent eingeladen war, öffentlich ein Plädoyer für die Zulassung von Frauen zum Priesteramt abgegeben habe und auch aus dem jüngsten Buch von Karin Leiter, die heuer am Pfingstmontag vom altkatholischen Bischof Heitz in Graz zur Priesterin geweiht worden war, rezitiert habe. Ich gestehe weiter, dass ich trotz des apostolischen Schreibens unseres Papstes keinerlei Reue über meine Tat empfinde, sondern im Gegenteil nach reiflicher Überlegung zur moralischen Gewissheit gelangt bin, nichts Unrechtes getan zu haben. Ich werde daher in meiner Eigenschaft als Leiter des Katholischen Bildungswerkes in Reutte und Mitglied des Dekanatsrates im Dekanat Breitenwang, Diözese Innsbruck, auch in Zukunft alles in meinem Bereich Mögliche tun, um durch die Gestaltung des Programmes und die Auswahl der ReferentInnen den interessierten Menschen ein Kirchenbild zu vermitteln, das nicht von der einengenden vatikanischen Drohbotschaft, sondern von der befreienden christlichen Frohbotschaft geprägt ist. So hat u. a. vor einiger Zeit (1993) auch schon Leonardo Boff, den ich Ihrer Behörde ja nicht vorzustellen brauche, auf meine Einladung hin in Reutte vor einem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal gesprochen.

Weiters muss ich zugeben, dass ich dem kirchlichen Lehramt auch in einigen anderen Punkten nicht folgen kann, insbesondere in Fragen der Sexualmoral (Empfängnisverhütung, Ausschluss von Geschieden-Wiederverheirateten von den Sakramenten usw.). Nach 30-jähriger Ehe, die meine Frau und ich in gegenseitiger ehelicher Treue gelebt haben und in der wir fünf Kindern (eines ist uns schon in das ewige Leben vorausgegangen) das Leben schenken durften, kann ich über die völlig weltfremden Ansichten des kirchlichen Lehramtes zur Sexualität nur verständnislos den Kopf schütteln. Wer in der uns vom Schöpfer geschenkten Sexualität nur eine Versuchung des Teufels sieht, der man sich notgedrungen allein zum Zwecke der Fortpflanzung ergeben dürfe, darf sich nicht wundern, wenn ihm vom überwiegenden Teil der Gläubigen in diesen Fragen die Gefolgschaft aufgekündigt wird. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, mit welcher Scheinheiligkeit und Doppelmoral in diesem Punkt im Vatikan gemessen wird, dann wurde er beim letzten Papstbesuch in Österreich erbracht. Tausende Gläubige (darunter sicher auch einige Bischöfe) hätten sich nichts sehnlicher erwartet als ein klärendes Wort des Papstes zur Affäre Groer. Leider kam kein einziges Wort dazu über seine Lippen, stattdessen darf ein Bischof Krenn ungestraft in Gegenwart des Papstes den Namen Groer im gleichen Atemzug mit dem Namen des verdienstvollen Altbischofs Franz Zak am Beginn der Papstmesse erwähnen. Hunderttausende von ChristInnen, deren Ehe gescheitert ist, die aber in bester Absicht und verantwortungsbewusst mit einem neuen Partner einen Neuanfang wagen wollen, werden unbarmherzig vom gemeinsamen Mahl ausgeschlossen. ( Gott sei Dank gibt es genügend Priester, die sich nicht an die Weisungen Roms halten.) Gleichzeitig gibt es einen Mann, der durch die verheerende vatikanische Personalpolitik, die sich rücksichtslos über die Wünsche und Bedürfnisse der betroffenen Ortskirche hinwegsetzt, bis in die höchsten Sphären der Hierarchie vorgedrungen ist und sich nun peinlicherweise als Knabenschänder entpuppt hat, der sogar das Bußsakrament für seine kriminellen Neigungen missbraucht hat. Er darf sich offenbar immer noch mit dem Kardinalspurpur schmücken und priesterliche Handlungen setzen. Schon die alten Römer kannten das Sprichwort: "Quod licet Iovi, non licet bovi." Barmherzigkeit also nur im eigenen erlauchten Kreis der Purpurträger? – Es stimmt schon, wenn unser hochverehrter Tiroler Altbischof Reinhold Stecher schreibt: "Rom hat das Image der Barmherzigkeit verloren." Für mich und sehr viele andere hat es auch das Image der Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Wie gering muss eigentlich Ihr Vertrauen in das Wirken Gottes und das Walten Seines Geistes in Seinen Geschöpfen sein, wenn Sie versuchen, durch ständig neue Gebote und Verbote dieses Wirken zu reglementieren und einzuengen? Dafür ist offenbar in vatikanischen Kreisen die Angst vor dem Verlust an Macht und Einfluss umso größer. Meiner bescheidenen Meinung nach sollte das neue apostolische Schreiben ehrlicherweise nicht "Ad tuendam fidem", sondern "Ad tuendam et augendam potestatem auctoritatemque Sancti Officii eiusque praefecti" heißen.

Lassen Sie mich zum Abschluss den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer zitieren, der für mich durch sein gelebtes Christsein weitaus glaubwürdiger ist als mancher Amtsträger im Kardinalspurpur oder Bischofsornat, der glaubt, ihm allein sei die "Wahrheit" von Gott geschenkt.

"Wer die Freiheit aufgibt, gibt sein Christsein auf. Der Christ steht frei ohne irgendwelche Rückendeckung vor Gott und vor der Welt, auf ihm allein ruht die ganze Verantwortung dafür, wie er mit dem Geschenk der Freiheit umgeht. Durch diese Freiheit aber wird der Christ im ethischen Handeln schöpferisch. Das Handeln nach Prinzipien ist unproduktiv, das Gesetz abbildend, kopistisch. Das Handeln aus der Freiheit ist schöpferisch. Der Christ greift gleichsam aus der Ewigkeit heraus die Gestalten seines ethischen Schaffens, setzt sie souverän in die Welt, als eine Tat, seine Schöpfung aus der Freiheit eines Kindes Gottes."

In Erwartung Ihrer "gerechten Strafe" gemäß can. 750 CIC u. can. 1371 CIC verbleibe ich

Ihr Mag. Fuchs Elmar