07.04.2013, Hans Peter Hurka
„Wir sind Kirche“ unterstützt nicht das „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“, weil dessen Forderungen zu global und undifferenziert sind, die Annahmen teilweise sogar falsch. Mit der Umsetzung solcher Globalforderungen würde der Gesellschaft und den Menschen mehr geschadet als genutzt werden.
Die Initiatorinnen und Initiatoren des „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“ fordern die „Abschaffung kirchlicher Privilegien“, „eine klare Trennung von Kirche und Staat“ sowie „die Streichung gigantischer Subventionen an die Kirche“ und „ein Bundesgesetz zur Aufklärung kirchlicher Missbrauchs und Gewaltverbrechen“.
Kirchliche Privilegien:
Niemand kann vernünftig für Privilegien, als sachlich nicht begründbare Bevorzugungen eintreten. Das tut auch „Wir sind Kirche“ nicht. Wer darüber diskutieren oder sie abschaffen will, sollte sie und die Alternativen eindeutig benennen und nicht nur global in den Raum stellen.
„Wir sind Kirche“ tritt für institutionell strukturierte Kirchen ein. Wir sehen das als Ausfluss der Religionsfreiheit jedes Menschen seinen Glauben kraft eigener Entscheidung frei zu leben, individuell und gemeinschaftlich, privat und öffentlich.
Trennung von Staat und Kirche:
„Wir sind Kirche“ tritt für eine klare Trennung von Staat und Kirche ein. Sie sollte aber von gegenseitigem Respekt und einem miteinander Kooperieren zum Wohl der Menschen geprägt sein. Gerade deshalb fordert „Wir sind Kirche“ die Achtung der Würde und die Einhaltung der Menschenrechte von der Kirchenleitung und verlässt sich nicht auf den Staat, dass dieser Änderungen innerhalb der Kirche erzwingt.
Streichung gigantischer Subventionen:
Zurecht fördert der Staat Forschung, Bildung, Kultur, Minderheiten oder Sport. In diesem Zusammenhang sind auch Zahlungen des Staates an anerkannte Religionsgemeinschaften zu sehen. Ähnliches gilt für den ORF. Er kommt mit seinen Religionssendungen seinem öffentli-chen Auftrag nach. Wenn zusätzlich die Erhaltung von Kulturbauten unterstützt wird, so kommt dies dem Fremdenverkehr, der Wirtschaft, dabei auch der Sicherung von Arbeitsplätzen zugute.
„Wir sind Kirche“ tritt dafür ein, dass vom Staat outgesourcte Aufgaben angemessen entschädigt werden. Dies betrifft insbesondere die Betreuung von Kindern, die Bildung, Pflege von kranken und alten oder in ihren Möglichkeiten eingeschränkten Menschen. Würden diese Aufgaben nicht von kirchlichen Einrichtungen erfüllt, müsste sie der Staat übernehmen. In der Regel sind sie dann sogar teurer. Dies wurde bei Krankenhäusern durch Studien nachgewiesen. In diesem Zusammenhang leisten die katholische CARITAS und die evangelische Diakonie vorbildliche und wirtschaftlich effiziente Arbeit. Wer soll diese bei Wegfall der Gelder übernehmen?
Gerade der neutrale, freiheiltlich demokratische Staat braucht Institutionen, welche zur Stiftung von Werten und zur Bildung von Zielen beitragen. Die anerkannten Religionsgemeinschaften, insbesondere auf universitärer und schulischer Ebene tragen dazu Wesentliches bei. Im Rahmen eines gesellschaftlichen Dialogs und demokratischen Prozesses sind die Gemeinsamkeiten zu suchen und friedlich miteinander zu leben.
Das die steuerliche Absetzung von Spenden „vor allem kirchlichen Einrichtungen“ zugute komme ist so nicht Aufrecht zu erhalten. Der weitaus größte Teil an Spenden kommt Menschen in Österreich oder der östlichen und südlichen Hemisphäre der Welt zugute, die unter wesentlich schlechteren Bedingungen zu leben haben als wir. Dies gilt insbesondere für arme, kranke und nur unter Einschränkungen lebende Menschen. Dies staatlich zu unterstützen und damit zu fördern entspricht nicht nur einem humanen sondern vor allem auch einem christlichen Menschenbild und Verständnis von Gemeinschaft.
Eine überproportionale EU-Förderung von Großgrundbesitzern ist eine allgemein politische Frage. Sie allein als Privileg der Kirche zu betrachten entspricht nicht den Tatsachen und führt in die Irre.
Auch wenn das Konkordat erstmals 1933 in austrofaschistischer Zeit abgeschlossen wurde sollte nicht vergessen werden, dass dieses in den späten 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von den zuständigen Organen der Zweiten Republik erneuert bzw. ergänzt wurde.
Aufklärung kirchlicher Missbrauchs- und Gewaltverbrechen:
„Wir sind Kirche“ unterstützt die Aufklärung aller Missbrauchs- und Gewaltverbrechen. Diese sind aber leider nicht nur in kirchlichen Einrichtungen passiert. Dabei legen wir ganz besonders großen Wert darauf, dass den Opfer Hilfe zuteil wird und alles getan wird, dass es nicht wieder zu solchen oder ähnlichen Vorfällen kommt.
In diesem Zusammenhang weisen wir auch darauf hin, dass auf Initiative von „Wir sind Kirche“ unter der Leitung von Kardinal Christoph Schönborn der Klage- und Bußgottesdienst am 31. März 2010 im Stephansdom stattgefunden hat. Dabei hat der Vorsitzende der Bischofskonferenz öffentlich ein weltweit beachtetes Schuldbekenntnis abgelegt.
Ebenso begrüßt „Wir sind Kirche“ die Klasnic-Kommission. Sie ist beispielgebend für andere ähnliche staatliche Institutionen. Unabhängig allfälliger Verjährungsfristen und auf Basis glaubhafter Darstellungen der Opfer wurde diesen unbürokratisch Hilfe geleistet. Den Mitgliedern der Kommission dankt „Wir sind Kirche“ ausdrücklich!
„Wir sind Kirche“ tritt auch für eine Verlängerung der Verjährungsfristen ein. Damit soll eine rechtsstaatliche Aufklärung sowie eine angemessene und wirkungsvolle Behandlung sowie Reintegration der Täter möglich sein. Vorfälle dieser Art wurden offensichtlich von strukturellen Voraussetzungen in der Kirche und gesellschaftlichen Bedingungen begünstigt. Deshalb begrüßt „Wir sind Kirche“ alle Versuche, die strukturellen Voraussetzungen in Gesellschaft und Kirche zu untersuchen und von Begünstigungen dieser Art zu befreien.
Die Forderungen des „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“ sind nach Ansicht von „Wir sind Kirche“ zu global, zu wenig differenziert. Deren „Abschaffung“ würde teilweise zu erheblichen Nachteilen für die Gesellschaft führen. Für „Wir sind Kirche“ ist es daher erforderlich, auf den unbedingt notwendigen Klärungsbedarf hinzuweisen.
Für den Vorstand der Plattform „Wir sind Kirche“: Hans Peter Hurka
gemeinsame Stellungnahme mit der Laieninitiative
Stellungnahme zu Kirchenfinanzen
Medienreaktionen:
7. April 2013: Der Standard;
8. April 2013: Der Standard; Kurier; NEWS ;
9. April 2013: Oberösterreichische Nachrichten ;