Talita kum! Steh auf und geh mit!

Die Pastoralassistentin Margit Schmidinger aus Oberösterreich leidet so wie viele an der Reformunwilligkeit unserer Kirche und hat deshalb den mutigen Entschluss gefasst, zu Fuß nach Rom zu pilgern, um dem Papst ihr Anliegen zu überbringen. Sie schreibt selbst:

"Ich bin Pastoralassistentin in Oberösterreich, Diözese Linz und starte Anfang September meinen Pilgerweg nach Rom. In einem längeren Prozess ist es für mich immer klarer geworden, dass mir diese Kirche die Freude an meiner Arbeit und die Luft zum Atmen nimmt. Also was tun? Einfach weitermachen und das beste draus machen? Oder aufstehen und die Entscheidungsträger mit meinen Anliegen konfrontieren? Also war ich schon beim Bischof, der hat mich auf Rom und den Papst verwiesen, deshalb muss ich dorthin pilgern. Mittlerweile hab ich eine Homepage erstellt und möchte mit meinem Anliegen auch andere Reformbewegungen mit einbinden."

www.talitakum2020.wordpress.com

Talita kum, Mädchen ich sage dir, steh auf! Mk 5,41

„Ich sehe eine Kirche, die ihre Fenster öffnet und frischen Wind in ihre Gemäuer hinein lässt. Eine Kirche die zum Leben kommt. Eine Kirche die sich den Menschen zuwendet. Eine Kirche die hört und handelt. Die Zeit ist erfüllt…

… und ich sehe Menschen, Männer und Frauen, Alte und Junge, die diese Vision mit mir teilen. Wir kommen in Bewegung, verbinden uns und tragen unser Anliegen nach Rom. Dort werden die Entscheidungen getroffen. Papst Franziskus fordert mutige Vorschläge zur Erneuerung der Kirche und diese Vorschläge möchten wir ihm bringen:

- Gleichstellung von Mann und Frau in allen Ämtern,

d.h. Gleichstellung von Klerus und Laien

d.h. Berufung aller Getauften zulassen und fördern

d.h. Aufhebung des Pflichtzölibats

- Willkommenskultur für Geschiedene ,Wiederverheiratete und gleichgeschlechtlich Liebende

Steht auf und geht mit!
Ich bin nicht die Einzige, die in der katholischen Kirche unter dem derzeitigen Reformstau leidet. Vor allem im deutschsprachigen Raum formt sich immer mehr Widerstand. Sie alle möchte ich motivieren mitzugehen. Ob im Geiste, ein Stück des Weges oder auf einem eigenen Weg – wie heißt es so schön: alle Wege führen nach Rom. Lassen wir es wahr werden und brechen auf, um uns Anfang November alle am Petersplatz zu versammeln.

Sinn und Zweck unserer Kirche ist die Nachfolge Jesu. So wie er, wollen wir leben, geschwisterlich, solidarisch, teilend. Sein Reich in dieser Welt erfahrbar zu machen, ist Auftrag unserer Kirche. Dazu braucht es Regeln und Gesetze, und vor allem die Liebe zu Gott und zu den Menschen.

Zu meiner Person

Viele Jahre habe ich mich in meiner Heimatpfarre ehrenamtlich engagiert, habe dann am zweiten Bildungsweg die Ausbildung zur Pastoralassistentin absolviert und übe diesen Beruf seit elf Jahren mit viel Leidenschaft und Herzblut in der Pfarre Schwanenstadt aus. Die Seelsorge in einer Pfarre bietet viele Möglichkeiten und die habe ich gefunden. Ob Kinder und Jugendliche, sozial Benachteiligte, Geflüchtete, Männer und Frauen, immer waren es Menschen, die ich auf ihrem Weg begleitet habe. Vieles ist gelungen, manches gescheitert. Menschen wieder in Beziehung zu Gott zu bringen. Das ist meine Berufung. Gott ruft mich in dieses Leben – ich höre!
Seit längerer Zeit spüre ich, so kann ich nicht mehr weiterarbeiten. Ich bin eine Frau. Ich möchte gerne die sakramentale Berufung leben. Die Institution Kirche erlaubt dies nicht. Mit meinem Recht und Anspruch auf Menschenwürde ist das nicht vereinbar. Es ist ein Unrecht. Ich will aufstehen und die Entscheidungsträger mit meinem Anliegen konfrontieren.

Vor gut einem Jahr habe ich mir neue Bergschuhe gekauft. Ich sah die Schuhe stehen und sagte scherzhaft zu meinem Mann: „Mit denen gehe ich nach Rom!“ Eine Idee, die Realität wird.

Am 5. September starten wir beim Friedenskreuz in Bach unseren Weg nach Rom. Mein Mann geht mit und hoffentlich noch viele Männer und Frauen, die von einer Erneuerung unserer Kirche träumen.

Die ernüchternde Schlussbilanz, 09.11.2020:

Am Ende wird alles gut. Wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. O.Wilde

Wir haben es geschafft! Nach 64 Pilgertagen und 1.400 Fuß-Kilometer haben wir am Samstag um 15.20 Uhr etwas verspätet den Petersplatz erreicht. Die italienische Polizei hat unserem Transparent viel Aufmerksamkeit geschenkt. Talita kum? Davon haben sie noch nie gehört? Dann sind wir endlich auf den Petersplatz vorgelassen worden. Dort war Platz, viel Platz. Wir haben gesungen, gebetet und gedankt. Bis zum Schluss haben wir gehofft, dass unsere Briefe, E-Mails und die vielen Postkarten von zuhause zur Kenntnis genommen werden und der Papst sich für uns Zeit nimmt. Unsere Hoffnung wurde nicht erfüllt. So habe ich das mitgetragene Holzkreuz, dass für das Leid der vielen Frauen und Männer steht, die ihre von Gott gegebene Berufung nicht leben dürfen, dem Boden übergeben. Mutter Erde fühlt das Unrecht. Und Mutter Kirche?

Wir haben im Petersdom weder Mutter Kirche, noch irgendetwas Geschwisterliches gefunden. Prunkvolle Kunstwerke, versteinerte Männer, die über uns thronen und eine große Leere haben wir wahrgenommen. Wir alle, die wir die letzten Tage gemeinsam pilgernd unterwegs waren, haben einstimmig festgestellt, dass wir uns gegenseitig gestärkt, ermutigt, getröstet haben und dass wir die schönsten Gottesdienste ohne Priester gefeiert haben – singend und betend, was der Geist uns eingab.

Es war die Ruach, die Heilige Geistkraft, die mich aufbrechen hat lassen, um dorthin zu gehen, wo in unserer katholischen Kirche die Entscheidungsträger sitzen. Sie haben kein Interesse am pilgernden Gottesvolk gezeigt. Die Botschaft haben wir verstanden, auch wenn sie schmerzlich war. In den ersten Stunden fühlte ich mich Elija nahe, unterm Ginsterstrauch sitzend, sterben wollend. Meine Freunde haben mich schnell wieder aufgerichtet, mit Essen, Trinken und der roten Clownnase im Gesicht konnte ich bald wieder lachen. Nächsten Tag waren wir beim Angelusgebet am Petersplatz. Von seinem Wohnzimmerfenster aus hat der Papst zu uns gesprochen und gebetet. In weiter Ferne, von oben herab. Wieder nicht auf Augenhöhe. In uns ist wenig Freude aufgekommen. Nach einem ausgiebigen Stadtbummel in Rom sind wir am Sonntag Abend mit dem Nachtzug heimgefahren. Im Gepäck haben wir Erfahrungen aus mehr als zwei Monaten unterwegs sein, der Tank ist aufgefüllt mit vielen schönen Begegnungen, viel spirit und Natur pur!

Talita kum steht auf und geht weiter! Wir – Frauen und Männer – sind Kirche und wir werden nicht aufhören die Stimme zu erheben für die Gleichstellung von Frau und Mann in unserer Kirche. Danke euch allen, die ihr mitgegangen seid. Wir haben die Verbundenheit mit euch allen gespürt, sie hat uns jeden Tag aufs Neue motiviert weiterzugehen. Am Ende wird alles gut. Wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.