Innerkirchliche Reformansätze: (Frauen, Zölibat, wiederverheiratet Geschiedene, Moral ..)

Eine hochrangig besetzte Frauendelegation aus Österreich wirbt im Vatikan für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der römisch-katholischen Kirche. Sie überreiche Papst Franziskus bei der wöchentlichen Generalaudienz nicht nur eine Ikone als Geschenk, sondern auch Statements zum Thema „Frauen und Kirche" mit expliziten Kirchenreform-Anliegen, verfasst von Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö), Sr. Christine Rod, Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz, die Linzer Pastoralamtsleiterin Gabriele Eder-Cakl und die Salzburger Seelsorgeamtsleiterin Lucia Greiner. Tenor der Statements: Die Frauenfrage ist ein entscheidendes Zukunftsthema für die Kirche. Es gelte ihre Zahl in Führungspositionen zu erhöhen und auch das sakramentale Amt im Blick auf Männer und Frauen neu zu denken. Diese Anliegen standen auch im Zentrum von Gesprächen, die die Katholikinnen aus Österreich mit hochrangigen Kurienvertreterinnen führten: So gab es Treffen mit Sr. Nathalie Becquart, Untersekretärin der Bischofssynode und mit Stimmrecht ausgestattete erste Frau in diesem Gremium, mit Sr. Alessandra Smerilli, Sekretärin im Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, sowie mit Lavinia Rocchi Carrera, Generalsekretärin der Weltorganisation der katholischen Frauenbewegungen. Vorsitzende Ritter-Grepl berief sich in den Gesprächen auf die Bibel, wo das Reich Gottes als „nicht männlich und weiblich" (Gal 3,28) definiert werde. Mit Blick auf die Kirche dankte die kfbö dem Papst für den „Aufbruch des synodalen Prozesses" und sieht sich mit ihm einig in der Überzeugung, „dass evangeliengemäßes Leben und authentische Nachfolge Jesu auch in der Kirche besser gelingen können, wenn nicht geweihten Frauen und Männern die Möglichkeit gegeben wird, Mitverantwortung in Leitung und Lehre zu tragen". Auch Sr. Christine Rod, als Vertreterin von 2.800 Ordensfrauen in 106 österreichischen Ordensgemeinschaften nach Rom gereist, deponierte Erwartungen im Hinblick auf einen „Dialog auf Augenhöhe" bei der Weltbischofssynode 2023: Die „Weihe von Frauen auf allen Ebenen" werde als eines der Schlüsselelemente für Glaubwürdigkeit und Erneuerung der Kirche gesehen. Die Linzerin Eder-Cakl sieht Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen der Kirche als ein „Zeichen der Zeit" im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils. „Wenn die Katholische Kirche also vor der Geschichte und der Gesellschaft nicht das Gesicht verlieren möchte, dann braucht es jetzt eine Veränderung, eine Transformation hin zu Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung auf allen Ebenen der Kirche". Das zeige auch der bisherige Verlauf des Synodalen Prozesses in den österreichischen Diözesen. (kap u. vn u. viele Medien v. 4. 5.)

Demnächst werden wieder römisch-katholische Segnungsgottesdienste für queere Menschen abgehalten. Die Gottesdienste fänden rund um den 10 Mai statt, teilte die Initiative #liebegewinnt auf ihrer Webseite mit. Dieses Mal sei bei #liebegewinnt immerhin erstmals eine Bischofskirche dabei, nämlich die Kathedrale St. Sebastian in Magdeburg. Mitinitiator Pfarrer Bernd Mönkebüscher sagte der Deutschen Presse-Agentur, es seien bisher etwa 65 Gemeinden dabei, etwas weniger als im Vorjahr. Offiziell sind Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare verboten, weil dem Vatikan zufolge nur Heterosex in der Ehe von Gott gewünscht ist. Dagegen gibt es bei den deutschen Katholiken aber breiten Widerstand. So sollen Segnungen im Zuge des derzeit laufenden Reformprozesses Synodaler Weg erlaubt werden. (dpa u. sueddeutsche.de v. 5. 5.)

Das Bistum Mainz hat erstmals eine Frau an der Spitze: Stephanie Rieth (47) hat am 15. April ein neu geschaffenes Amt, das der Dezernentin für das Zentraldezernat, übernommen. Die Aufgabenbeschreibung, die der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in einem Dekret für das neue Amt festgelegt hat, ist bemerkenswert: Sie vertritt den Generalvikar, und zwar nicht nur in allen Belangen nach außen und innen. Sie nimmt darüber hinaus einen Teil seiner Aufgaben eigenverantwortlich an seiner Stelle wahr. Immer wieder spricht Rieth davon, die Verantwortung zu teilen. „Wir setzen konsequent das Vier-Augen-Prinzip um.“ Schon über die Geschäftsverteilung hätten der Generalvikar und sie gemeinsam entschieden. Sie sitzt jetzt in den Gremien nicht mehr als Referentin, sondern „mit Vollmacht und Leitungskompetenz“. (faz.de v. 6. 5.)

Zum dritten Mal lädt die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) zu einem bundesweiten Predigerinnentag ein rund um den 17. Mai, dem Gedenktag der Apostelin Junia. Das Motto der Aktion lautet erneut: „12 Frauen. 12 Orte. 12 Predigten". „Wir haben uns sehr gefreut, dass sofort viele Frauen bereit waren, zu predigen und damit ihrer Berufung folgen", sagte Ulrike Göken-Huismann, Geistliche Leiterin der kfd und Mitglied im kfd-Bundesvorstand. „Die Frauen setzen mit ihrem Einsatz ein Zeichen für die Forderung nach einer katholischen Kirche, in der Gleichberechtigung kein Fremdwort ist". Die vom Apostel Paulus genannte Apostelin Junia – früher „Junias“ – wurde erst 2016 in die Einheitsübersetzung der Bibel aufgenommen. (kfb v. 6. 5.)

Thierry Bonaventura, der Kommunikationsleiter des Vatikanischen Synodensekretariates, plädiert dafür, auch die Stimme der LGBTQ-Gemeinschaft bei der Weltsynode 2023 anzuhören. Eine zuhörende Kirche solle sich bemühen, „ihre Mauern der Gleichgültigkeit niederreißen“ und niemanden pauschal als „anders" abzulehnen. Er weist auch auf Initiativen hin, durch die die Stimmen von LGBTQ-Katholiken hörbar werden, etwa die Umfrage eines australischen Bischofs in seinem Bistum zur Vorbereitung der Weltsynode. (kap u. vn v. 7. 5.)

Aus Sicht der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sollten Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare in der römisch-katholischen Kirche „so schnell wie möglich Selbstverständlichkeit werden". Eine Kirche, die glaubwürdig und menschenfreundlich sein möchte, sollte Gottes Segen nicht verweigern, sondern spenden. Konzertierte Aktionen wie die zum zweiten Mal stattfindende Initiative „Liebe gewinnt" seien dann nicht mehr nötig. Unter diesem finden jetzt erneut Segnungsgottesdienste in ganz Deutschland statt, in Magdeburg erstmals in einer Bischofskirche. Mit dem Essener Weihbischof Ludger Schepers, der Beauftragte der deutschen Bischöfe für den Kontakt zur Pastoral queerer Menschen ist, soll erstmals auch ein Bischof bei einer Segnungsfeier für queere oder wiederverheiratete Menschen zugegen sein. Die Segnung homosexueller oder wiederverheirateter Menschen ist ebenfalls zentrales Anliegen des Reformdialogs „Synodaler Weg" in Deutschland. (kap u. kna v. 10. 5.)

Der Münchner Priester Wolfgang Rothe will heuer die Segnungen aussetzen, damit sie nicht „Routine“ werden. Denn dann könnten sich die Kirchenoberen „gelassen zurücklehnen", nach dem Motto: „Warum etwas grundsätzlich ändern, wenn es auch so geht? Das vatikanische Segensverbot könnte bestehen bleiben, die homophoben Passagen im Katechismus der katholischen Kirche müssten nicht umgeschrieben werden." Eben das sollten sie aber unbedingt, meint Rothe. (dpa u. br.de v. 11. 5.)

Bereits zum dritten Mal begeht die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) am Tag der Apostelin Junia den sogannnaten „Predigerinnentag“. Auch Ulrike Göken-Huismann hat die Kanzel bestiegen und erklärt, warum ihr das Predigen in der Eucharistiefeier so wichtig ist. Hier ein Auszug ihres Interviews mit domradio.de: „Es ist schon etwas Besonderes, das bewusst zu tun und die biblischen Texte zum Fest der Apostelin an der richtigen Stelle auszulegen…. [Man hat die Apostolin Junia] über Jahrhunderte, Jahrtausende quasi mundtot gemacht. Man hatte aus ihr im Mittelalter einen Mann gemacht. ‚Junias‘ stand in der Bibel, weil man sich gar nicht mehr vorstellen konnte, dass es auch weibliche Apostel gab. […Ich finde es wichtig] , dass in unserer Kirche die biblischen Texte von Männern und Frauen, von Menschen allen Geschlechts ausgelegt werden und dass das nicht einem Geschlecht, einem Amt vorbehalten ist. [… Wir wollen,] dass man darüber spricht, dass sich was verändern muss. [….] Es geht kein Weg daran vorbei, dass Frauen zu allen Diensten und Ämtern in unserer Kirche zugelassen werden." (domradio.de v. 17. 5.)

Homophobie sei eine „unheilvolle Traditionslinie" in der römisch-katholischen Kirche, sagte der Berliner Erzbischof Heiner Koch bei einem ökumenischen Gottesdienst zum Tag gegen Queerfeindlichkeit in der der Schöneberger Zwölf-Apostel-Kirche. Er bat um Vergebung für die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung und kündigte für sein Erzbistum an, in jeder Pfarrei Beauftragte einzusetzen, die sich gegen eine solche Diskriminierung stark machen. Falls Mitarbeitenden des Erzbistums wegen ihrer sexuellen Orientierung arbeitsrechtliche Konsequenzen drohten, werde er dagegen vorgehen. Vertreterinnen und Vertreter der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche sowie des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg hatten in dem Gottesdienst über Diskriminierungen berichtet, aber auch positive Entwicklungen gewürdigt. (kna u. vn v. 18. 5.)

Vor sieben Monaten hat Papst Franziskus den synodalen Prozess gestartet. Die Ergebnisse aus den einzelnen Bistümern diskutieren die Schweizer Bischöfe in Einsiedeln – mit 43 Vertreterinnen und Vertretern. Die Jugendverbände sind nun doch dabei. Die Bischöfe haben die fehlende Einladung nachgeholt und Viktor Diethelm als Vertreter für die Jugendarbeit nach Einsiedeln eingeladen. Eine Forderung lautet: eine neue Sexualmoral. Ziel ist es, ein Papier zu verabschieden, das nach Rom geschickt werden kann. In dem Papier werden verschiedene Herausforderungen angesprochen, vor denen die Kirche steht – von Klerikalismus bis hin zur bestehenden Liturgie, die vor allem junge Menschen nicht mehr anspricht. Der Entwurf des nationalen Synodenberichts kritisiert unter anderem den Ausschluss von Frauen und queerer Menschen. „Die offene oder indirekte Zurückweisung oder Abwertung von Menschengruppen widerspricht einer synodalen Kirche ebenso wie der Verheissung des Evangeliums“, heißt es in dem Bericht. Die Sexualmoral und die Lehre der Kirche müssten „überarbeitet und die pastoralen Angebote der Kirche entsprechend verändert werden“. (kath.ch v. 18. 5.)

Die Ordensgemeinschaften können in Ausnahmefällen künftig auch Laien als Obere ernennen, hat Papst Franziskus verfügt. Aus dem Interview des Kölner Domradio mit dem Franziskanerbruder Rafael Rieger, einen Experten für Ordensrecht: „Diese Regelung betrifft nur männliche Gemeinschaften. Das sind die bekannten Gemeinschaften wie Franziskaner, Benediktiner, Dominikaner, Jesuiten oder um eine Gesellschaft des Apostolischen Lebens zu nennen, das wären zum Beispiel die Pallottiner, auch eine bei uns in Deutschland durchaus bekannte Gemeinschaft. […] Bei uns Franziskanern gibt es traditionell sehr viele Laienbrüder, die mit verschiedenen Aufgaben tätig sind, die auch bislang schon Leitungsaufgaben übernommen haben. Diese Laienbrüder, also diese Brüder, die nicht die Priesterweihe empfangen haben, können zukünftig auch höhere Leitungsaufgaben übernehmen bis hin zur Generalleitung einer solchen Gemeinschaft. […] Im Laufe der Zeit [hat sich] eine gewisse Klerikalisierung herausgebildet. Anfangs waren es einfach Brüder, die die Priesterweihe hatten und Brüder, die keine die Priesterweihe. Die lebten gemeinsam. Aber im Laufe der Zeit wurden dann die Leitungsämter immer mehr für Kleriker reserviert. Wir finden, dass das nicht mehr zeitgemäß ist. […] Papst Franziskus ist sehr bemüht, deutlich zu machen, dass wirklich alle Glieder der Kirche an dem Auftrag der Kirche, also an der Sendung der Kirche beteiligt sind….“ (domradio u. vn v. 20. 5.)

Die Kirche sollte auch beim Thema Sexualität und allen anverwandten Themenfeldern wie Homosexualität, LGBTQ und dem Dritten Geschlecht „pluralitätsfit" werden: Das hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler bei einer Tagung an der Universität Innsbruck betont. Es sei notwendig, in diesen sensiblen Themenfeldern gut aufeinander zu hören, auf gesellschaftliche Entwicklungen zu achten und von zu raschen Ideologisierungen Abstand zu nehmen. Glettler äußerte sich im Rahmen der Tagung „Religion und Geschlechtlichkeit/Geschlecht", die am 18./19. Mai Vertreterinnen und Vertreter aller in Österreich anerkannten Kirchen, Religonen bzw. Bekenntnisgemeinschaften versammelte. Das römisch-katholische Verständnis gehe prinzipiell von einer Polarität der Geschlechter aus. Aber Glettler plädierte für einen wertschätzenden Umgang mit allen Menschen jenseits ihrer geschlechtlichen Orientierung. In der Kirche hätten selbstverständlich alle, die dies von sich aus wünschen, ein Gast- und Heimatrecht. Er bekräftigte abschließend sein Verständnis für den Wunsch nach Segnungen für homosexuelle Paare. (kap v. 22. 5.)

Die Einberufung eines „Synodalen Rats" der römisch-katholischen Kirche Deutschlands hat die langjährige Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Claudia Lücking-Michel, in der „Herder Korrespondenz" gefordert. Der dauerhafte Rat solle mit Bischöfen und Vertretern der römisch-katholischen Basis, der Verbände und des ZdK besetzt sein. Das Gremium solle „signifikante Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft" beraten. Auf bundesweiter Ebene könnten darin Grundsatzentscheidungen für „pastorale Planungen, Zukunftsfragen der Kirche und Haushaltsangelegenheiten betreffen" getroffen werden. (kna u. kap v. 24. 5.)

Mit einem feierlichen Gottesdienst auf dem Stuttgarter Schlossplatz ist der 102. Deutsche Katholikentag zu Ende gegangen. Vor rund 6.000 Mitfeiernden nannte Irme Stetter-Karp, die Präsidentin des veranstaltenden Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), drei Botschaften, die von Stuttgart ausgehen sollten. Eine Botschaft ging an ihre Kirche: „Verändere dich und werde wesentlich!“ Zu lange habe man Reformen verweigert, etwa durch Machtmissbrauch: „Das muss aufhören!“ Das Reformprojekt Synodaler Weg müsse spürbare Veränderungen bringen. Einen Text aus der Heiligen Schrift las im Gottesdienst der Präsident des Evangelischen Kirchentags, Ex-Bundesminister Thomas de Maiziere. Per Video eingespielte Fürbitten kamen unter anderem von Geflüchteten aus Uganda und der Ukraine. Der Gottesdienst unter dem Motto „Sie sollten alle eins sein - damit die Welt erkennt!“ wurde live im ZDF übertragen. (kna u. vn v. 29. 5.)

In Einsiedeln fand die „Synodale Versammlung Schweiz" statt. Die Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz trafen sich dazu mit diözesanen Delegierten, Vertreterinnen und Vertretern der Anliegen von Armen und Randständigen, Migrantinnen und Migranten, Jugendlichen, Frauen, Ordensgemeinschaften, sowie mit Expertinnen und Experten aus Pastoral, Kirche und Theologie. Diese synodale Versammlung hatte den Auftrag, die nationalen Berichte aus den Diözesen zu bündeln und anschließend nach Rom zu übermitteln. Zwei Themengebiete hat man besonders betont: zum Einen die vollständige Teilhabe von Frauen und eine gerechtere Inklusion von wiederverheirateten Geschiedenen oder von Menschen aus dem LGBTIAQ-Spektrum, ebenso von Jugendlichen und Menschen mit Migrationshintergrund, und zum Anderen der an vielen Orten herrschende Klerikalismus, der der synodalen Kirche im Weg steht. Die Versammlung nahm die strukturellen und spirituellen Voraussetzungen und Haltungen in den Blick, die für die Fortführung des synodalen Weges von Bedeutung seien. Die Vizepräsidentin und der Vizepräsident der Pastoralkommission, Barbara Kückelmann (Bistum Basel) und François-Xavier Amherdt (Universität Freiburg) machten deutlich, dass die Entwicklung hin zu einer synodaleren Kirche kein schneller Lernweg ist. Man brauche Vertrauen und Geduld. (vn v. 31. 5.)