Gedanken zum Thema: „…die Priesterweihe“

von Wolfgang Oberndorfer

Unter dem Titel „Brauchen wir sie noch?“ wurde im Heft Nr. 114/Sommer 2022 von „Wir sind Kirche“ die Ergebnisse einer Vorstandsklausur zum Thema Priesterweihe vorgestellt. Die sorgfältig überlegten und durchaus differenzierten Gedanken, Diskussionsbeiträge und Kommentare können auf 19 Seiten nachgelesen werden; ein Muss für reforminteressierte Katholiken. Ich möchte in diesem Beitrag eigentlich nur einige Überlegungen zum Thema beisteuern, die ergänzend und vertiefend verstanden werden mögen.

Ich beginne mit drei grundsätzlichen Feststellungen, die auf Forschungsergebnissen aufbauen und daraus vernunftbasierte Ansätze (Vermutungen) für das Wirken Gottes in unserer Welt zulassen.

  1. Zur Frage der Entwicklung der katholischen Kirche

Theologen, die Publikationen von Evolutionswissenschaftlern und Mikrobiologen lesen und verstehen, folgen zunehmend der Vermutung, dass die Entstehung des homo sapiens zwar auf eine transzendente Ursache – wir nennen sie Schöpfergott – zurückzuführen ist, dass aber der Mensch, so wie er ist, ein von vielen Zufällen beeinflusstes Produkt der Evolution ist und damit nicht notwendigerweise so geplant war. Der Mensch entwickelte sich innerhalb der metaphysischen Grundstrukturen unseres Universums (Naturgesetze) autark. Dieser Ansatz wird in der theologischen Literatur auch Risiko-Modell genannt, weil Gott mit der Erschaffung der Welt ein mehr oder minder kalkulierbares Risiko eingegangen sein könnte. Dieses besteht einerseits im Zufall, der in der möglicherweise nicht zielgerichteten Evolution des Menschen eine entscheidende Rolle spielt, und andererseits in den freien Willensentscheidungen des Menschen. Durch diese können sich Dinge ereignen, von denen sich stimmig behaupten lässt, dass Gott sie nicht will, nicht geplant, nicht vorgesehen und nicht beabsichtigt hat. Das Wunderbare an diesem Gott ist, dass er diese Welt in Weisheit und Flexibilität lenkt, damit die Menschen das eschatologische Ziel der Schöpfung, das ewige Leben mit und bei ihm, erreichen.

Auf Grund dieses Ansatzes[1] dürfen wir annehmen, dass sich auch die katholische Kirche in diesem risikobehafteten Freiraum entwickelte und sich auch in ihr Dinge ereignen, von denen sich stimmig behaupten lässt, dass Gott sie nicht will, nicht geplant, nicht vorgesehen und nicht beabsichtigt hat. Ein Blick in die Geschichte der katholischen Kirche mit ihren Dokumentenfälschungen, Renaissancepäpsten, neoscholastischen Irrtümern, Verboten und Diskriminierungen im Kirchenrecht, die fatal an die von Jesus kritisierten Vorschriften im jüdischen Glauben um die Zeitenwende erinnern, indiziert die intellektuelle Redlichkeit dieses Ansatzes.

Das bedeutet, dass die Lehre und die Organisation der katholischen Kirche auf ihren eigenen Grundlagen kontingent entstanden, d.h. dass sie nachvollziehbar, aber nicht in dieser Form zwingend notwendig sind. Daraus kann sich ein Anpassungserfordernis ergeben, nämlich wenn der bisherige Inhalt nicht mehr der Vernunft und dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand (iS von GS 36) entsprechen.

  1. Zur Frage der Botschaft Jesu

Zwischen dem, was Jesus vor 2.000 Jahren in Aramäisch gesagt und im Beisein seiner Begleiter getan hat, und den Texten, die heute von den Bibelwissenschaftlern als die vier Evangelien in Altgriechisch bestmöglich rekonstruiert und in unsere Sprache übersetzt wurden, liegt ein weiter und langer Weg mündlicher und schriftlicher Weitergabe. Die Verfasser der vier Evangelien sind der Wissenschaft unbekannt, die Entstehungszeiten liegen zwischen um 70 (Markus) und um 100 (Johannes). Die ältesten Texte sind die sieben Briefe von Paulus (51 – 56), der aber Jesus gar nicht kennen lernte. Die vier Evangelien liegen als solche erst im 4. Jhd. in Griechisch vor, das Vorangehende bestand aus Textfragmenten. Was alles in die kanonischen Texte hineininterpretiert wurde, ist Gegenstand der biblischen Exegese, die versucht, den Einfluss der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse und Sitten, der jüdischen und hellenistischen Kultur, des Selbsterlebten in den urchristlichen Gemeinden und der Interpretation des Phänomens Jesus herauszufiltern. Ca. 15% der angeblichen Worte Jesu dürften tatsächlich von ihm stammen, der Rest wurde ihm in den Mund gelegt (Herrenworte). Die von Jesus gewirkten Wunder sind Metaphern, die seine göttliche Vollmacht begrifflich machen sollten.

Die Kirche verwendet aber noch weitere und spätere Quellen für ihre Lehre, und zwar die apostolische Überlieferung, die kirchliche Überlieferung und Tradition, das Naturrecht und das göttliche Recht.

Zusammenfassend kann entsprechend bibelwissenschaftlicher Sicht gesagt werden, dass die Worte, die Taten, das Leiden und der Tod Jesu das Eine, das, was die Evangelisten und Verfasser der Briefe niedergeschrieben haben, das Andere, und das, was die Kirche in zweitausend Jahren daraus gemacht hat, etwas Drittes ist. Das berechtigt zu teilweise erheblichen Zweifeln an der Lehre der Kirche als Erforschung des Willen Gottes und damit „Wahrheit“.

  1. Zur Frage von Gottes Transzendenz und Immanenz

Theologen, die sich mit der Frage des Wirkens von Gott in und außerhalb unserer Welt befassten, differenzieren zwischen dessen Transzendenz (außerhalb unseres Universums) und Immanenz (in unserem Universum). Sie kommen, verkürzt ausgedrückt, zur Vermutung, dass Gott sowohl außerhalb als auch innerhalb unseres Universums „existiert“ und „wirkt“ (und zwar in den drei Hypostasen Schöpfer, Christus, Hl. Geist). Das besagt hinsichtlich unseres Universums, dass Gott einerseits im Sinne einer Selbstbeschränkung in die von ihm geschaffenen Naturgesetze nicht eingreift und die freien Willensentscheidungen der Menschen achtet[2] und damit seiner Schöpfung eine Autonomie zugesteht. Und andererseits, dass er durch die Botschaft Jesu und auf geistig-spiritueller Ebene die Herzen der Menschen mit seiner Liebe und Gnade beeinflussen möchte. In anderen Worten: Mit diesem Ansatz wird einerseits der ontologischen und kausalen Selbstständigkeit bzw. Autonomie der Welt gegenüber dem Schöpfer Rechnung getragen, andererseits der Liebe und Sorge Gottes um seine Schöpfung Raum gegeben.

Jetzt mache ich einen Einschub, der der Verständlichkeit des nächsten Punktes dient. Es geht mir um ein besonderes Phänomen in unserer Welt, nämlich die Magie: Wenn sich ein Mensch übersinnliche Kräfte dienstbar macht, also durch Worte oder Handlungen mit Hilfe übernatürlicher Mächte eine nicht erklärbare Wirkung erzeugt, wird das in der klassischen anthropologischen Definition Magie (Zauberei) genannt. Magie im echten Sinn, also unter Ausschluss von Tricks und Täuschung, ist mit dem naturwissenschaftlicher Erkenntnisstand unverträglich, weil Wirkungen durch nicht beobachtbare und messbare Ursachen entstehen (eine Ausnahmen macht nach bisherigem Verständnis nur der echte Zufall in der Quantenphysik). Die oben dargelegte Vermutung geht von einem Gott im Immanenten aus, der nicht in die Naturgesetze eingreift. Wirkungen, die nicht auf beobachtbare und messbare Ursachen zurückgehen, sind nicht erklärbar. Das ergibt einen Widerspruch, der vereinfacht und verkürzt so ausgedrückt werden kann: Wenn Gott nicht zaubern will, wird wohl der Mensch nicht zaubern können.

Daraus folgt nun die Aussage, dass Magie (Zauberei) nicht nur einer wissenschaftlichen Erklärungsmöglichkeit entbehrt, sondern auch aus theologischer Sicht ausgeschlossen werden sollte, was auch für die eucharistischen Gaben (Brot und Wein) gilt (s. unten, Kernthemen des Heftes Nr. 114).

  1. Zur Eucharistie

Unter Eucharistie verstehe ich hier den Hauptteil der Messfeier mit dem Hochgebet, den Einsetzungsworten, die von einem geweihten Priester gesprochen werden müssen, und der Kommunion. Die Kirche lehrt, dass die eucharistischen Gaben mit den Einsetzungsworten in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden (Transsubstantiation), Christus damit real präsent wird und wir uns mit ihm vereinigen können.

Gegen diese Lehre wenden sich schon lange kritische Katholiken, weil die Verwandlung des spirituellen Christus in Brot und Wein ein magischer Vorgang ist. (Ich sehe davon ab, auf die materiellen Probleme, die mit der Transsubstantiation verbunden sind, hinzuweisen; sie sind wohlbekannt.) Sie halten dem entgegen, dass der auferstandene und zu Gott erhöhte Christus spirituell mit und unter den Menschen ist, insbesondere in den Sakramenten, und dass jede räumliche und/oder zeitliche Einschränkung und Beschränkung seinem Wesen als Hypostase Gottes widerspricht. Nach ihrem Verständnis wird Christus spirituell in der zur Eucharistiefeier unter einem Vorsteher*einer Vorsteherin versammelten Gemeinde präsent. Er wirkt durch seine Botschaft, das Gedächtnis an sein Leiden und seinen Tod und das gemeinsame Mahl, welches durch den Empfang einer Hostie ersetzt wird. Der entscheidende Kritikpunkt ist, dass die spirituelle Begegnung mit Christus, die durch das Zusammensein von Vorsteher*in, Gemeinde, Gedächtnis und Mahl entsteht, letztlich durch das bloße Schlucken der Hostie ersetzt wird. Das sei , so die Kritik, eine mechanistische Reduktion der Eucharistiefeier, die gerade noch für die Krankenkommunion akzeptabel wäre, aber nicht durch die Vorstellung der Transsubstantiation zu rechtfertigen sei.

Eigentlich würde damit die Kirche und mit ihr der Klerus Hürden für die Begegnung mit Christus aufbauen. Es sei allein eine Sache zwischen Christus und dem Gläubigen, ob der spirituelle Christus mit seiner Gnade und seiner Wirkung zum dafür bereiten Gläubigen kommt, der in vollem Bewusstsein der Bedeutung der Begegnung mit Christus diese begehrt. Das erfordert natürlich eine sorgfältige Gewissensbildung, ev. unter Beiziehung eines pastoralen Beistandes, das Bewusstsein, ein mündiger getaufter Christ zu sein, und den Glauben, dass Christus in unsere Mitte kommt und uns stärkt.

Gegen die Vorschrift, dass der Vorsteher der Eucharistiefeier ein geweihter Priester sein muss, werden viele Einwände vorgebracht. Der wichtigste ist wohl der, dass die Eucharistie Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens (LG Nr.11) ist und als Folge zu weniger bzw. mangelhaft geeigneter Priester den Gläubigen eine kirchenrechtlich korrekte Eucharistiefeier vorenthalten wird. Deshalb wird jetzt immer öfter auf nicht dem Kirchenrecht entsprechende Gottesdienste mit einem Vorsteher*einer Vorsteherin ausgewichen.[3]

Was die Rechtfertigung der gegenwärtigen Praxis in Lehre und Kirchenrecht betrifft, muss der guten Ordnung halber bedacht werden:

  • Die Vorstellung, dass Christus auch nach seinem Tod noch unter uns gegenwärtig ist, entstand primär mit den Erscheinungen, von denen die Evangelisten und auch Paulus berichten. Sie konnten erst in unserer Zeit verständlich gemacht werden, nämlich als die Psychologie die sog. subjektive Visionstheorie entwickelte. Gem. dieser können intensive innere Prozesse nach außen projiziert werden und innerpsychische Erfahrungen von solcher Intensität bewirken, dass der Eindruck des Sehens und Hörens von nichtmateriellen Personen und/oder Ereignissen entsteht.
  • Dieses Phänomen bedeutet in Bezug auf die eucharistischen Gaben, die Einsetzungsworte derart zu verstehen, dass durch sie die reale Gegenwart Jesu herbeigeführt wird. Heute ist aber die Gegenwart des spirituellen Christus für die kritischen Katholiken nicht mehr an irgendetwas Materielles oder Rituelles gebunden. Die das Mahl ersetzende Hostie ist für sie ein Symbol für die Begegnung mit ihm.
  • Die Hürden, die die Kirche für den Empfang der Kommunion aufbaut, haben natürlich eine Ordnung schaffende Bedeutung, die im Sinne der Epikie zu interpretieren wäre.
  • Die Bindung der Einsetzungsworte an den von der Kirche vorgeschriebenen Text hat ebenfalls nur Ordnung schaffende Bedeutung. Wir kennen vier verschiedene Fassungen (drei aus den Synoptikern, den ältesten Text aus dem 1. Korinther von Paulus) und die Bibelwissenschaftler halten es für nicht gesichert, ob, wie und mit welchen Worten das letzte Abendmahl tatsächlich abgelaufen ist. (Zwischen dem letzten Abendmahl und dem 1. Korinther liegen immerhin mehr als 20 Jahre rein mündlicher Überlieferung. Der 4. Evangelist berichtet nach ca. 70 Jahren nur von einer Fußwaschung.) Für mündige Katholiken ist jedenfalls nicht einzusehen, dass Christus nur beim Sprechen der von der Kirche vorgegebenen Einsetzungsworte in unsere Mitte käme.

Ausdrücklich habe ich Respekt vor allen Gläubigen, die aus Überzeugung der Lehre der Kirche folgen und in den verwandelten eucharistischen Gaben Fleisch und Blut des auferstandenen Christus sehen. Für mich ist der Standpunkt durchaus verständlich, dass ein 2.000 Jahre alter und gewachsener Glaubensinhalt nicht ohne weiteres am Altar der Wissenschaft und der Aufklärung geopfert werden dürfe. Ausdrücklich möchte ich auch die grundsätzliche Berechtigung von Ordnung schaffenden Regeln bejahen, insoweit sie unwürdige Feiern und Missbrauch verhindern; dies gilt insbesondere für von der Gemeinde berufene Vorsteher*innen.

  1. Zur Priesterweihe

Die Priesterweihe hat eine lange Tradition, sie entstand aus der Handauflegung durch die Apostel und wurde ab dem 5. Jhd. als Sakrament verstanden. Durch die Weihe (Ordination) werden Männer gesegnet und erhalten eine besondere Sendung.

Die heutige Ausbildung der Priester ist eine sehr umfassende und in theologischer, philosophischer, psychologischer und pädagogischer Hinsicht wertvolle, die in der Praxis eine gute Menschenführung und ein gutes Pastoral erwarten lassen. (Wenn nicht in der Ausbildung die Voraussetzungen für den Klerikalismus gefördert werden.) Die von einem Priester ausgeübten liturgischen, sakramentalen und pastoralen Dienste sind für die getauften Gläubigen notwendig und sinnvoll. Der fehlende einheimische Priesternachwuchs brachte aber ans Tageslicht, dass dem Priester viele Aufgaben vorbehalten sind, die genauso gut von nicht geweihten Gläubigen besorgt werden könnten. Die Bestellung der Professuren an den theologischen Fakultäten zeigt, dass Akademiker*innen ohne Ordination problemlos theologische Wissensvermittlung und Forschung übernehmen können. (Allerdings nicht immer zur Freude des Vatikans.)

Die zum Teil nicht mehr tolerierbaren Nachteile der derzeitigen Priesterweihe sind unbestritten:

  • Der Priester muss ein Mann sein.
  • Der Priester muss zölibatär (ehelos) leben.
  • Der Priester handelt (angeblich) „in persona Christi“ und demzufolge ist ihm die Spendung der meisten Sakramente, insb. der Eucharistie, vorbehalten.
  • Der Priester unterscheidet sich (angeblich) vom Gläubigen dem Wesen nach, die Weihe bewirkt eine Seinsumwandlung, die den Priester Christus gleichförmig macht.

Die letzten beiden Punkte sind die Grundlage dafür, dass sich der sog. Klerikalismus um die Priester entwickelt hat. Darunter wird heute eine innerkirchliche Dominanz über die Laien verstanden. Nach Papst Franziskus (O-Ton) ist dafür kennzeichnend:

  • Selbstbezogenheit, der es mehr um das persönliche Wohlergehen und die Sicherung von Standespfründen als um die selbstlose Verkündigung des Reiches Gottes geht,
  • egozentrische Selbstgefälligkeit, kaschiert durch eine ostentative Pflege der Liturgie, der Lehre und des Ansehens der Kirche,
  • Legalismus, der sich primär auf eine Kodifizierung des Glaubens und der Moral in Regeln und Vorschriften bezieht,
  • Ruhmsucht, wenn sich Priester letztlich um Anerkennung der Menschen willen engagieren.

Klerikalismus kann sich nur bilden, wenn es Gläubige gibt, die ihn nicht nur dulden, sondern sogar durch Überhöhung des Klerus fördern. Als Beispiel zitiere ich gerne ein Interview in der Zeitschrift CIRCULUM, das ein Laie mit einem Diakon aus Heiligenkreuz geführt und mit den Worten „Hochwürdigster Herr Diakon“ (!!!) eingeleitet hat. (Die Anrede Hochwürdigster Herr ist für Prälaten aufwärts vorgesehen.)

Die weltumspannenden Missbräuche in der Kirche durch Priester gaben der Selbsterhöhung so etwas wie einen Todesstoß. Die Tatsache, dass ein Teil der Priester homosexuell veranlagt, dies aber nach kirchlicher Lehre „eine schlimme Abirrung und ein Verstoß gegen das natürliche Gesetz ist“, trägt darüber hinaus zum Empfinden eines Verlustes der Wahrhaftigkeit in der Kirche bei.

Im genannten Heft Nr. 114 findet man viele sinnvolle Vorschläge, in welcher Form Gläubige an der Verkündigung, Liturgie und Seelsorge mitwirken könnten, Männer und Frauen ohne Diskriminierung des Geschlechts. Ich finde sie allesamt gut, weil sie der Verlebendigung der Kirche dienen würden. Das alles überragende Thema ist die Öffnung der Priesterweihe für Frauen. Da sehe ich auf nicht voraussehbare Zeit einen derart großen Widerstand in der derzeitigen Kirche, dass es möglicherweise etwas ganz Neues wird geben müssen. Das Gegenargument, für die Frauen gebe es ja die Jungfrauenweihe, kann wohl nur als Frotzelei aufgefasst werden. Im Heft Nr. 114 wird eine sakramentale Ordination angedacht, die keine Weihe ist, sondern eine zeitabhängige Beauftragung, die für Frauen und Männer mit entsprechenden Voraussetzungen offen ist. Das kann ich mir für reformwillige katholische Kirchen in Europa und Nordamerika gut vorstellen, aber für die gesamte Weltkirche wäre dies sehr schwer zu verwirklichen. Und wenn es einmal kommen sollte, wird man irgendwo aus Kompromissgründen wahrscheinlich ein „Reservat“ für zölibatswillige geweihte Priester schaffen müssen, die allerdings keinerlei Mehrrechte gegenüber den sakramental beauftragten Ordinierten haben dürften. Ob so ein Reservat mittelfristig zum Aussterben verurteilt ist und durch Priester, die ohne klerikalistische Regulative am Reich Gottes mitarbeiten wollen, neue Impulse für die Weiterentwicklung der Kirche entstehen, wird abzuwarten sein.

  1. Schlussbemerkung

Die hier angestellten Überlegungen fand ich durch die Lektüre von Schriften und Beiträgen und in Vorträgen heutiger Theologen, die die Reformbewegungen unterstützen, und durch theologisch gebildete Gläubige, die sich für Reformen in unserer Kirche engagieren. Von mir stammt nur die Zusammenstellung; den Nachweis der Quellen findet man auf meiner Homepage (www.wolfgang-oberndorfer.at/glaube-und-vernunft).


[1] Es ist keine Hypothese, weil sie sich im wissenschaftlichen Sinn nicht beweisen lässt.

[2] Erstmals vom jüdischen Philosophen Hans Jonas 1984 formuliert.

[3] In der Broschüre „Die christliche Gedächtnisfeier“ wird dargelegt, wie, bedingt durch einen Mangel an geeigneten Priestern, an Stelle einer Wortgottesdienstfeier mit vorkonsekrierten Hostien, eine ein freier Gottesdienst mit der Bitte um spirituelle Präsenz Christi verantwortet und durchgeführt werden kann, inkl. einer Vielzahl von Textvorschlägen. Die Broschüre wurde von einem Kreis um Dr. Herbert Kohlmaier gestaltet und ist unter www.gedaechtnisfeier.eu abrufbar.