Ökumene

Die Ostkirchen haben in vielen Bereichen die Synodalität der Kirche stärker bewahrt als die römisch-katholische Kirche. Letztere sollte daher bei ihrem „Synodalen Prozess“ auf die Erfahrungen dieser Kirchen zurückgreifen. Das betont der Ostkirchen- und Ökumene-Experte und Vorsitzende der Salzburger Pro Oriente-Sektion, Prof. Dietmar Winkler, in einem Beitrag in der „Herder Korrespondenz": Die Orientalisch-orthodoxen Kirchen armenischer, koptischer, syro-aramäischer, äthiopischer und indischer Tradition, wie auch die byzantinischen orthodoxen Kirchen verfügten über unterschiedliche partizipatorische Erfahrungen und synodale Strukturen. Kirchliche Entscheidungen würden auf verschiedenen Ebenen unter Einbeziehung von Nichtklerikern – Männern wie Frauen – getroffen. So seien zur letzten koptischen Papstwahl etwa 2.500 Wahlberechtigte – mehr als die Hälfte davon Laien, auch Frauen – in der Kairoer St.-Markus-Kathedrale zusammengekommen und hätten aus einer Bischofsliste die letzten drei Papstkandidaten gewählt. Aus dem Dreiervorschlag habe schließlich ein Kind vor der Versammlung der Gläubigen das Los mit dem Namen des zukünftigen Papstes gezogen. Winkler: „Damit wird auch dem Wirken des Heiligen Geistes bewusst Raum gegeben; eine rein kirchenpolitische Durchsetzung eines Kandidaten ist nicht möglich." Als weiteres Beispiel nannte Prof. Winkler das oberste repräsentative Gremium der Malankara-orthodox-syrischen Kirche in Indien. Deren 2.500 Mitglieder seien mehrheitlich Laien, denn darin sei neben der gesamten Bischofssynode auch jede Pfarrei mit einem Priester und zwei Laien vertreten. Prof. Winkler zu den synodalen Strukturen der frühen Kirche und zur weiteren Entwicklung: Aus einem Schreiben des nordafrikanischen Bischofs Cyprian von Karthago (gest. 258) ist zu entnehmen, „dass zu seiner Zeit eine Synode sowohl Klerus als auch Laien umfasste und keineswegs nur beratenden Charakter hatte. […] Nichts ohne den Bischof, nichts ohne den Rat des Presbyteriums und nichts ohne den Konsens des Volks." Damit werde deutlich, „dass die Entscheidung gemeinsam erfolgte. Synodalität und Hierarchie widersprechen sich nicht, sondern ergänzen und fördern einander", so Winkler. Synodalbriefe seien „ein wichtiges Instrument der Kircheneinheit und Kommunikation" gewesen. Dies änderte sich mit der Zeit Kaiser Konstantins im vierten Jahrhundert, als das Christentum auf dem Weg zur Staatskirche war": Der Bischof einer Hauptstadt („Metropolis“) habe größeren Einflussbereich erlangt. „Laien und niederer Klerus wurden Rezipienten der Autorität der Bischöfe, auch wenn sie als Experten und Ratgeber zugelassen waren. Aus den Synoden wurden Bischofs-Synoden und die Bischöfe galten als Repräsentanten ihrer Diözese". Man sehe am Beispiel der alten Kirche auch, „dass die Synode nicht einfachhin mit der Promulgation der Ergebnisse durch die Bischöfe Gültigkeit hat. […] Die Bedeutung einer Synode oder eines Konzils wird erst durch die Annahme seiner Ergebnisse durch das gesamte Volk Gottes - Klerus und Laien - wirksam." Für das Mittelalter gebe es viele historische Beispiele für regionale und nationale Synoden in den Regionen der Goten und Franken, in Gallien, Spanien, England und anderen Ländern. Johannes von Ragusa (gestorben 1443) habe fünf verschiedene Arten von Partikularsynoden genannt: Diözesan-, Metropolitan-, Provinz-, National- und Patriarchalsynoden, die im 14. und 15. Jahrhundert von Bedeutung waren. Vor allem das 19. Jahrhundert habe die römisch-katholische Kirche dann aber synodal völlig aus der Übung gebracht. Das Zweite Vatikanische Konzil habe wieder eine Wegkorrektur Richtung Gemeinschaft, Kollegialität und Partizipation vorgenommen. Papst Franziskus knüpfe hier an „und machte seit seinem Amtsantritt deutlich, dass sein Pontifikat im Zeichen der Kollegialität steht", so Prof. Winkler. (kap v. 1. 6.)

Die Einheit der Christen ist Harmonie in der Vielfalt, die vom Heiligen Geist geschenkt wird. Daran hat Papst Franziskus bei einer Audienz für junge Priester und Mönche der östlichen orthodoxen Kirchen im Vatikan erinnert. „Natürlich müssen wir unermüdlich beten, arbeiten, Gespräche führen, uns vorbereiten, damit wir diese außergewöhnliche Gnade empfangen können. [… Eine] Lehre des Pfingstfestes ist, dass Einheit Harmonie bedeutet. Ihre Delegation, die sich aus Kirchen unterschiedlicher Traditionen zusammensetzt, die in Gemeinschaft des Glaubens und der Sakramente stehen, veranschaulicht diese Realität gut. Einheit bedeutet nicht Uniformität, und sie ist auch nicht das Ergebnis von Kompromissen oder fragilen diplomatischen Gleichgewichten. Einheit ist Harmonie in der Vielfalt der Charismen, die der Geist hervorbringt.“ Und so sei es eine weitere Lehre des Pfingsttages, dass Einheit ein Weg sei. Die Einheit der Christen sei „kein Plan, der am Schreibtisch studiert“ werden kann; sie geschehe nicht in der Unbeweglichkeit, sondern in der Bewegung, in der neuen Dynamik, die der Geist von Pfingsten den Jüngern verleihe. […] Und auch heute noch wartet die Welt, wenn auch unbewusst, darauf, das Evangelium der Nächstenliebe, der Freiheit und des Friedens kennenzulernen, das wir aufgerufen sind, miteinander und nicht gegeneinander oder voneinander zu bezeugen. In dieser Hinsicht bin ich dankbar für das gemeinsame Zeugnis eurer Kirchen…“ (vn v. 3. 6.)

Am 10. Juni findet in Österreich wieder die „Lange Nacht der Kirchen“ statt. Von Anfang an war auch die orthodoxe Kirche mit dabei. Für den griechisch-orthodoxen Metropoliten und Vorsitzenden der orthodoxen Bischofskonferenz, Arsenios (Kardamakis), soll die „Lange Nacht“ einen Ort der Begegnung eröffnen, „dass wir uns auf dieses Wagnis einlassen, dass wir gemeinsam Grenzen und Trennendes überschreiten und uns immer wieder neu ausrichten auf den, der auch in schwierigen Zeiten Trost, Hoffnung und wahren Frieden zu schenken vermag“. In der Wiener griechisch-orthodoxen Kathedrale zur Hl. Dreifaltigkeit (Fleischmarkt 13), werden die ganze Nacht über spezielle Kirchenführungen angeboten. Solche Führungen gibt es zeitlich alternierend auch in der benachbarten Georgskirche (Griechengasse 8) sowie in der Kapelle zum Hl. Johannes Chrysostomos unterhalb der Dreifaltigkeitskathedrale (Hafnersteig 8). In der russisch-orthodoxen Nikolauskathedrale (Jauresgasse 2) wird die „Lange Nacht“ um 18.00 Uhr mit einem orthodoxen Bittgottesdienst eröffnet. Um 19.00 Uhr folgt ein Konzert des Kathedralchores. In der rumänisch-orthodoxen Andreas-Kirche (Simmeringer Hauptstraße 161) stehen Kirchenführungen und Kirchenmusik auf dem Programm. Bischofsvikar. Weitere Angebote gibt es rumänischen Antonius-Kirche (Pouthongasse 16), in der serbisch-orthodoxen Kathedrale zum Hl. Sava (Veithgasse 3), in den serbisch-orthodoxen Kirchen zur Auferstehung Christi (Engerthstraße 158) und in Neulerchenfeld (Neulerchenfelder Straße 47) sowie in Linz (Posthofstraße 41 ehemals die römisch-katholische Alte Hafenkirche). Ganz im Zeichen der Orthodoxie steht das Programm in der römisch-katholischen Linzer Pfarre St. Michael (Werndlstraße 12): Den Beginn macht eine orthodoxe Vesper in deutscher Sprache. In Innsbruck macht wie jedes Jahr die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde „Geburt des Hl. Johannes des Täufers“ (Maximilianstraße 8) mit. Die evangelische Pfarrgemeinde Tulln veranstaltet in der „Langen Nacht“ ein spirituelles Besuchsprogramm in Kirchen anderer Konfessionen. In der rumänisch-orthodoxen Kirche St. Pölten-Harland (Salcherstr. 43) werden besondere Ikonen präsentiert. Von den orientalisch-orthodoxe Kirchen sind heuer mit dabei: die Armenisch-apostolische St. Hripsime-Kirche in Wien (Kolonitzgasse 11). Die koptisch-orthodoxe Kirche (1100, Leebgasse 61) lädt u. a. in ihrer St. Mina-Kirche zu einem Vortrag über das koptische Mönchtum. In Österreich gibt es ca. 500.000 orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Christen. (religion.ORF.at u. kap v. 7. 6.)

Andrzej Choromanski hat in Genf als Vatikan-Beobachter an der Sitzung des Weltkirchenrats teilgenommen. Der Pole ist Mitarbeiter des Dikasteriums für die Förderung der Einheit der Christen. Der Weltkirchenrat hatte zwar beschlossen, die russisch-orthodoxe Kirche nicht zu sanktionieren, bei ihrer jüngsten Sitzung in Genf aber den russischen Angriffskrieg in der Ukraine scharf kritisiert. Wie Andrzej Choromanski gegenüber kath.ch betonte, sei die Diskussion in Genf zu dem Schluss gekommen, das Gespräch „unbedingt“ fortzusetzen. Dafür brauche man „die russisch-orthodoxe Kirche am Tisch des ökumenischen Gesprächs“. Als Beobachter im Weltkirchenrat begrüße er diese Entscheidung. In Genf wurde ein „Statement für die Einheit“ unterzeichnet, mit dem das Ziel der „sichtbaren Einheit aller Christinnen und Christen“ unterstrichen wird. (kath.ch u. vn v. 19. 6.)

Kurienkardinal Kurt Koch, Leiter des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, bekennt im „Sonntagsblatt"-Interview: Die oft zitierte Formel von der „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ ist Zielbestimmung des ökumenischen Weges, aber leider noch keine Beschreibung der Gegenwart. Koch war anlässlich des 25-Jahr-Jubiläumsfeier der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung, die im Juni 1997 in Graz stattfand, zu Gast in der Steiermark. Diese war die erste Ökumenische Versammlung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gewesen, an der auch die Ostkirchen teilnahmen. Ein wichtiger Impuls sei damals die „Charta Oecumenica" gewesen, die dann 2001 von der Konferenz Europäischer Kirchen und dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen in Straßburg gemeinsam unterzeichnet wurde. Für eine gegenseitige Einladung zum Abendmahl, wie sie etwa am Ökumenischen Kirchentag in Deutschland im Vorjahr praktiziert wurde, sieht Koch die Zeit noch nicht reif. Er finde es aus ökumenischer Sicht „nicht adäquat", wenn diese Frage allein bilateral zwischen Katholiken und Protestanten besprochen werde. Gerade bei der Frage der Eucharistiegemeinschaft dürfe man die Ostkirchen nicht außen vor lassen. Die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die 1999 in Augsburg vereinbart worden ist, sei ein „wichtiger Schritt" gewesen, „doch darin ist auch festgehalten, dass die Konsequenzen für das Kirchenverständnis noch nicht gelöst sind". Deshalb habe er den Vorschlag unterbreitet, „dass wir uns auf den Weg machen sollten zu einer neuen gemeinsamen Erklärung über Kirche, Eucharistie und Amt, und zwar in ihrer unlösbaren Zusammengehörigkeit". Für die römisch-katholische Kirche bestehe „das ökumenische Ziel in der Einheit im Glauben, in den Sakramenten und in den Ämtern". Dies bedeute, dass Eucharistiegemeinschaft Bekenntnisgemeinschaft voraussetze. Dann müsse auch die Frage besprochen werden, welche Aufgabe dem Papst in einer wiedergewonnenen Einheit zukommen würde. Diese Frage bespreche man vor allem im internationalen theologischen Dialog mit der Orthodoxie mit dem Hauptthema Synodalität und Primat. (kap v. 22. 6.)

Papst Franziskus würdigt Fortschritte beim Dialog der römisch-katholischen Kirche mit orthodoxen Ostkirchen. Mit Blick auf die Sakramente zeige ein gemeinsam erstellter Text, dass es da einen „breiten Konsens“ zwischen beiden Seiten gibt. Das sagte der Papst bei einer Audienz für eine internationale Dialogkommission. Franziskus wies darauf hin, dass Ökumene vor allem in der Taufe gründe und eine vorwiegend pastorale Ausrichtung habe. Ökumene habe schon längst die Christen an der Basis erreicht: „Viele Gläubige leben bereits die Ökumene des Lebens im Alltag ihrer Familien, am Arbeitsplatz, unter Freunden und Bekannten. Und wir erfahren oft auch gemeinsam eine Ökumene des Leidens – im gemeinsamen Zeugnis für den Namen Christi, manchmal um den Preis des eigenen Lebens. Der theologische ökumenische Dialog sollte also nicht nur über dogmatische Differenzen der Vergangenheit nachdenken, sondern auch über die aktuellen Erfahrungen unserer Gläubigen.“ Die Orientalisch-Orthodoxen sind orthodoxe Ostkirchen, die nicht mit Rom in Communio stehen, wie Kopten, Syrisch-Orthodoxe, Armenier, Äthiopier, Eritreer, Malankara Orthodox-Syrer. Sie anerkennen ausschließlich die ersten drei ökumenischen Konzile (Nicaea 325, Konstantinopel 381 und Ephesus 431), nicht aber die folgenden Konzile ab Chalcedon 451. (vn v. 23. 6.)

Die lutherische Gemeinde in Rom hat mit einem ökumenischen Festgottesdienst das 100-jährige Bestehen ihrer Christuskirche gefeiert. Neben der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, predigte auch der vatikanische „Ökumene-Minister“ Kardinal Kurt Koch. Die Christuskirche ist die einzige lutherische Kirche in Rom. Die Gemeinde hat heute rund 500 Mitglieder, viele davon sind deutschsprachig. An eine Feier in ökumenischer Verbundenheit sei bei der Weihe der Kirche 1922 noch nicht zu denken gewesen, erklärte Kardinal Koch in seiner Predigt. Jedoch sollten die noch bestehenden Unterschiede zwischen den Konfessionen nicht leichtfertig übergangen werden. „Wir wollen in Liebe und Wahrheit aufeinander hören und einander wertschätzen, auch und gerade dann, wenn Unterschiede deutlich werden, die wir einander noch zumuten müssen“, sagte Koch. (kna u. vn v. 26. 6.)

Papst Franziskus hat bei der Begegnung mit einer orthodoxen Delegation aus Konstantinopel zum römischen Patronatsfest Peter und Paul am 29. einer christlich-religiösen Aufladung von Kriegen eine klare Absage erteilt. „Bewaffnete Eroberungen, Expansionen und Imperialismus“ hätten „nichts mit dem Reich zu tun, das Jesus verkündet hat“. Jesus habe in Gethsemane die Jünger vielmehr dazu aufgefordert, der Gewalt abzuschwören. Franziskus bezog sich augenscheinlich auf die Legitimierung des russischen Überfalls auf die Ukraine durch den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Ökumene ist Franziskus zufolge ein „Beitrag zur Befriedung der verfeindeten Völker“ und deshalb „heute aktueller denn je.“ Den Weg der Suche nach der Einheit der Christen nannte Franziskus „unumkehrbar“ und mehr als „bloß eine innere Angelegenheit der Kirchen“. Ökumene sei Voraussetzung für Geschwisterlichkeit. Christen dürften nicht der Versuchung erliegen, Gott, den Vater aller, „zum Gott der eigenen Interessen und Nationen zu machen.“ Dank sprach das Kirchenoberhaupt der gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen römisch-katholischer Kirche und orthodoxer Kirche aus, die im Mai nach zwei Jahren Corona-Pause wieder getagt hatte. (vn v. 30. 6.)