12.07.2014, Sonja Niederbrunner
Das folgende Interview ist in der Nummer 07-08 der Zeitschrift ECHO Tirol erschienen.
Eine Gruppierung, die sich Reform auf die Fahnen heftet, eine Hierarchie, die ein Exempel statuiert, Gläubige, die genug haben von der Monopolstellung der Priester, und über allem eine Kirche, die seit Jahrzehnten schweigt. Der Fall Martha und Gert Heizer.
ECHO: Letztes Jahr wurde ein Priester exkommuniziert, weil er für das Frauen-Priesteramt und die Gleichberechtigung der Homo-Ehe plädierte. „In früheren Zeiten war die Exkommunikation eine große Sache, aber heute hat die Hierarchie dieses Vertrauen und den Respekt verloren“, sagte er dazu. Was bedeutet Ihre Exkommunikation für Sie?
Gert Heizer: Die Kirche hat ihre Autorität, nicht zuletzt aufgrund der Missbrauchs-Skandale, weitgehend verloren, ihre Macht aber ist immer noch aufrecht. Das ist eine schlimme Verbindung. Man glaubt, man kann immer noch so weitermachen wie früher – als hätte sich nichts geändert. Die
Exkommunikation ist ein mittelalterliches Instrument, im 21. Jahrhundert glaubt man immer noch, sich brachial durchsetzen zu können. Aber das funktioniert nicht mehr. Wir leben in einer Demokratie, und wenn ich einem Bischof begegne, tue ich das auf Augenhöhe.
Martha Heizer: Die Exkommunikation bedeutet wesentlich weniger als früher. Sie wird in unserem Leben nicht viel ändern.
ECHO: Und was bedeutet es faktisch?
Gert Heizer: Wir sind immer noch Mitglieder der Kirche, haben aber kein Anrecht mehr auf die Sakramente und dürfen auch keine kirchlichen Ämter mehr innehaben. Den Kirchenbeitrag zahlen wir aber weiterhin.
ECHO: Wie verträgt sich das Vorgehen der Kirche in diesem Fall mit deren eigener Lehre, nämlich dass Sünden durch den Tod Jesu am Kreuz vergeben sind?
Martha Heizer: Für die Vergebung der Sünden ist Reue vorausgesetzt.
ECHO: Bereuen Sie denn, die Eucharistie gefeiert zu haben?
Martha Heizer: Nein, weder wir beide noch jemand aus unserer Gruppe – und das wurde in den Medien falsch dargestellt – bereuen es. Als wir das Fernsehteam bei uns hatten, wussten wir ja, was uns in der Folge erwarten würde.
Gert Heizer: Der Druck ist heftig. Auf einmal sind wir – als brave Bürger in einem relativ unbedeutenden Land – weltbekannt und bekommen Anfragen aus der ganzen Welt. Wir hätten nie gedacht, dass wir damit so viel Aufmerksamkeit generieren.
ECHO: Stört es Sie?
Gert Heizer: Es ist uns ein Stück weit sogar recht, weil damit unser Anliegen in die Welt hinausgetragen wird, nämlich, dass es nicht unbedingt für jede Eucharistiefeier einen Priester braucht.
ECHO: Wofür braucht es die Kirche überhaupt? Die Gemeinschaft der Gläubigen findet, wie man an Ihrem Beispiel sieht, auch so zusammen.
Martha Heizer: Aber genau das ist ja Kirche: die Gemeinschaft derer, die glauben. Und die brauche auch ich, ich brauche Menschen um mich, mit denen ich meinen Glauben leben kann.
Gert Heizer: Das ist wie in einem Staat. Man braucht die Familie, die Gruppe, den Bezirk, das Land, den Staat. Jeder übernimmt verschiedene Aufgaben, auch gewisse Machtbereiche. In der Kirche ist es nicht anders.
Martha Heizer: Uns wird vorgeworfen, dass wir mit unserem Schritt verdeutlichen wollen, es würde Priester nicht mehr brauchen, wir würden sie damit überflüssig machen ...
Gert Heizer: Das stimmt höchstens insofern, als dass wir schon lange nicht mehr einsehen, dass Priester das alleinige Recht auf das Spenden der Sakramente in allen Fällen haben. Wir kämpfen schon lange darum, dass sich in den Zulassungsbedingungen etwas bewegt.
ECHO: Und es bewegt sich nichts.
Martha Heizer: Nein. Es war irgendwo auch ein Akt der Verzweiflung angesichts dieses Stillstands und Schweigens, dass wir die Eucharistie gefeiert haben. Natürlich sehen das viele als wahnsinnige Provokation. Ich empfinde es aber auch nicht minder als Provokation, uns 30 Jahre lang hängen zu lassen, nicht einmal mit uns zu reden. Nichtsdestotrotz glaube ich keineswegs, dass Priester überflüssig sind. Niemand von uns hat Interesse, sich hinter einen Altar zu stellen und die Messe zu feiern. Es ist gut, wenn es Priester gibt, die dafür zuständig sind. Aber muss es in jedem Fall so sein? Warum muss für Krankensalbung in Kliniken, wo es viele Laienseelsorger gibt, ein Priester geholt werden? Das Vertrauensverhältnis besteht doch zum Seelsorger und nicht zum Preister. Warum kann in diesen Fällen nicht dieser Seelsorger an genau diesem Ort mit der Krankensalbung beauftragt werden?
ECHO: Warum nicht?
Gert Heizer: Das ist eine Machtfrage. Die Kirchenleitung misstraut den Laien fundamental, will sich die Zügel nicht aus der Hand nehmen lassen. Sie hat auch Angst davor. Natürlich ist es auch ein Risiko und es braucht in jedem Fall auch eine Ordnung. Aber in der Bibel steht – und das ist der theologische Grund, warum wir die Eucharistie feiern–, durch die Taufe erlangen wir eine heilige und königliche Priesterschaft. Also sind alle, die getauft sind, per Gottes Wort Priester. Was ist der Unterschied zum Weihepriestertum? Bin ich nur zu einem Viertel Priester und Sie, weil Sie eine Frau sind, nur zu einem Zehntel? (lacht) Es ist einfach nicht zu argumentieren.
Martha Heizer: Im Dekret, das uns der Bischof vorgelesen hat, steht, die Exkommunikation begründet sich darauf, dass wir uneinsichtig sind und nicht zur Lehre der Kirche zurückkehren, zur Lehre über das allgemeine Priestertum und das Priesteramt des Dienstes. Aber es gab nie eine Erklärung dazu – warum es so ist und sein muss, es wird nicht argumentiert oder erklärt. Das werfe ich der Kirchenleitung generell vor: Es wird behauptet und festgelegt, aber Diskurs gibt es keinen. Wir haben einen fünfseitigen Brief an die Glaubenskongregation geschrieben. Zurückbekommen haben wir die kurze Antwort, unsere Argumente seien nicht stichhaltig, das Verfahren müsse durchgeführt werden – auch „im Hinblick auf unser Seelenheil“. Aber auf keines unserer Argumente wurde eingegangen. Ich glaube, wir sind dafür einfach nicht wichtig genug.
ECHO: Wie geht es Ihnen als Menschen, die aktiv etwas verbessern wollen, mit dieser Front an Ablehnung?
Martha Heizer: Ein Stück weit habe ich mich daran gewöhnt. Wir haben gerade dem Bischof geschrieben, dass wir gerne mit ihm reden würden – ob er es tut, bleibt abzuwarten. Womit es uns aber gut geht, ist das Ergebnis, nämlich, welche Diskussion unsere Exkommunikation über die Eucharistie und die Zulassungsbedingungen ausgelöst hat. Wir haben Briefe aus Frankreich und Belgien, deren Schreiber uns sagen, dass es in ihren Ländern üblich ist, Eucharistie ohne Priester zu feiern. Wir glauben auch, dass es dezidiert der Auftrag von Jesus ist: Tut das zu meinem Gedächtnis, steht geschrieben.
Würden wir die Wandlung weglassen, wäre für die Kirchenleitung alles in Ordnung.
Gert Heizer: Im Laufe der Kirchengeschichte hat sich eben ein Regelwerk entwickelt. Aber unter anderem angesichts der Priesternot kommen wir wieder zu den Ursprüngen der Kirche zurück – wie es schon mal war.
ECHO: Ist es auch der Priesternot geschuldet, dass jene kirchlichen Würdenträger, die Kinder missbraucht haben, nicht exkommniziert wurden?
Martha Heizer: Wir haben jetzt erfahren, dass dem Vernehmen nach weltweit 384 exkommuniziert wurden, von insgesamt 4000, die schuldig sind. Hätten wir unsere Exkommunikation nicht öffentlich gemacht, hätte das auch niemand erfahren.
Gert Heizer: Für uns ist es ehrenrührig und ein Schlag unter die Gürtellinie, dass wir auf eine Stufe mit Missbrauchstätern gestellt werden. Es gibt ja drei große Delikte, die mit Exkommunikation bestraft werden: die Usurpation der Eucharistie, die Verletzung des Beichtgeheimnisses und erst an dritter
Stelle kommt der sexuelle Missbrauch, und zwar während der Beichte. Und wir, die wir die erste Regel verletzt haben, sind in den Augen der Hierarchie genauso schlimm wie jene Priester, die Kinder missbraucht haben. Ich bin fassungslos.
ECHO: Bischof Scheuer hat es so dargestellt, als hätte es einen regen Austausch zur Sache gegeben?
Martha Heizer: Den gab es nicht, nur einige Briefe, aber wir haben bis zur Verlesung der Exkommunikation kein einziges Mal persönlich darüber gesprochen. Jetzt sagt er, er empfinde es als Niederlage, dass er uns nicht zum Einlenken bewegen konnte. Dabei war das Einzige, was er getan hat, uns zu schreiben, wir sollen endlich bereuen.
ECHO: Hätten Sie sich denn in einem persönlichen Gespräch mit dem Bischof umstimmen lassen?
Martha Heizer: Das wäre auf seine Argumente angekommen. Wir sind gerne bereit, darüber nachzudenken, vor allem auch darüber, ob es andere Möglichkeiten für uns gibt.
ECHO: Was ändert Ihre Exkommunikation in Bezug auf die Arbeit der Plattform „Wir sind Kirche“, deren Vorsitzende Sie sind?
Martha Heizer: Das ist im Moment die Frage, die mich am meisten belastet. Es gibt Menschen innerhalb von „Wir sind Kirche“, die darauf bestehen, dass Reformen nur als Teil der Kirche machbar sind. Dabei bin ich ja nach wie vor Teil der Kirche, die Exkommunikation ändert nichts daran. Aber eine „Reform light“, die niemandem weh tut, bringt nichts. Der Kurs, den wir bis jetzt gefahren sind, hat nicht viel gebracht oder geändert. Was sich jetzt aber sehr wohl verändert hat, ist, dass das Thema präsent ist. Ich finde es schade, dass manche Mitglieder sich distanzieren, in der Vorstandsdiskussion wurde ich als Vorsitzende ja bestätigt. Es wird auch eine Richtungsdiskussion geben, die zeigen wird, ob der radikalere oder der gemäßigtere Flügel der Gruppierung bestimmend sein wird. Im letzteren Fall werde ich natürlich zurücktreten. Aber würde ich das jetzt tun, würde
das die Exkommunikation wirksam machen. Dann hätte sie genützt.
ECHO: Welchen Sinn macht denn ein gemäßigter Flügel in einer Reformbewegung?
Martha Heizer: Wir reden ja von Kirche, da gibt es sehr viele Menschen mit einem großen Harmoniebedürfnis – das hat auch definitiv etwas Christliches. Das verstehe ich, aber wir sind nichtsdestotrotz eine Reformbewegung.
Gert Heizer: Wir haben ja ein leuchtendes Beispiel, nämlich Jesus. Was er gegen die Führungen und Obrigkeiten getan hat, war nicht brav. Er hatte seine Gründe dafür. Wir machen es auch nicht aus Übermut und purer „Selbstermächtigung“.
ECHO: Haben Sie das Gefühl, dass an Ihnen ein Exempel statuiert wurde?
Gert Heizer: Es kann durchaus sein, dass man jetzt gegen die Reformer losgeht. Die Optik spricht dafür. Und was mich stört, ist, dass fast alles gegen Martha geht. Die Kommentare sind ja zum Teil belustigend: Die einen meinen, ich müsse als Pantoffelheld mitmachen, die anderen sagen, Martha sei nur mein Sprachrohr und ich der eigentliche Drahtzieher. Dabei haben wir immer alles in der Gruppe gemeinsam überlegt, beschlossen und durchgeführt.
Martha Heizer: Es wird so dargestellt, als wäre ich alleine es, die feiert. Das stimmt nicht. Es war natürlich eine Entscheidung der ganzen Gruppe, anders wäre es doch auch gar nicht möglich.
ECHO: Mit dem Amtsantritt von Papst Franziskus gab es Jubel, man erwartete sich endlich Reformen. Und jetzt?
Martha Heizer: Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Kürzlich bekamen wir einen Brief von Freunden aus Südamerika, die beim Papst waren und ihm von unserem Fall erzählt haben. Er wusste nichts davon. Und er sagte auch keinen Ton dazu. Was das bedeutet, weiß ich nicht.
Interview: Sonja Niederbrunner
ECHO Zeitschriften und Verlags Ges.m.b.H.
Eduard-Bodem Gasse 6
6020 Innsbruck