Die vatikanische Erlaubnis „Fiducia supplicans" (Flehendes Vertrauen) für die Segnung homosexueller Paare ist aus Sicht der deutschen Bischöfe zu begrüßen. Das Dokument nehme sich „in pastoraler Perspektive und in einer theologisch maßvollen und unaufgeregten Sprache" einer wichtigen Fragestellung an, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing. Durch die Segnungserlaubnis könne die Kirche künftig auf Paare eingehen, „die um einen Segen für ihre Partnerschaft bitten, auch wenn sie nicht in jeder Hinsicht nach den Normen der Kirche leben. […] Es ist gut, dass nun dieser Schatz für die Vielfalt von Lebensmodellen gehoben wird." Der Vatikan ziehe damit „eine klare Linie zwischen der unverbrüchlichen Treue gegenüber der Lehre der Kirche und den pastoralen Erfordernissen einer kirchlichen Praxis, die den Menschen nahe sein möchte". Gleichzeitig betonte er, dass die Erklärung eine genaue Abgrenzung zwischen der sakramentalen Ehe nach römisch-katholischer Lehre und der Segnung ziehe. Die Segnung darf nicht in einem gottesdienstlichen Rahmen erfolgen. (kna v. 18. 12.)
Einige zentrale Passagen aus dem offiziellen deutschsprachigen Wortlaut der Erklärung vom 18. Dezember „Fiducia supplicans" (Flehendes Vertrauen) über die pastorale Sinngebung von Segnungen, wie sie „Vatican News" veröffentlicht hat: „Diese Erklärung berücksichtigt verschiedene Anfragen, die sowohl in den vergangenen Jahren als auch in jüngster Zeit an das Dikasterium herangetragen wurden. […] Die Erklärung wurde schlussendlich dem Heiligen Vater vorgelegt, der dieser mit seiner Unterschrift die Approbation gewährt hat. Im Laufe der Untersuchung des Behandlungsgegenstandes dieses vorliegenden Dokuments wurde die Antwort des Heiligen Vaters auf die Dubia einiger Kardinäle bekannt, die wichtige Klarstellungen für die hier vorgelegten Überlegungen dargeboten hat und die zugleich ein entscheidender Faktor für die Arbeit des Dikasteriums darstellt.[…] Und gerade in diesem Zusammenhang wird es verständlich, Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare segnen zu können, ohne deren Status offiziell zu konvalidieren oder die beständige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner Weise zu verändern. […] 1. Das flehende Vertrauen des gläubigen Gottesvolkes empfängt das Geschenk des Segens, der aus dem Herzen Christi durch seine Kirche fließt. Papst Franziskus erinnert uns mit Nachdruck daran: „Gottes großer Segen ist Jesus Christus, er ist das große Geschenk Gottes, sein Sohn. Er ist ein Segen für die ganze Menschheit.“ […] 2. Gestützt auf diese große und tröstliche Wahrheit hat dieses Dikasterium mehrere formelle und informelle Fragen über die Möglichkeit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sowie die Möglichkeit geprüft, angesichts der väterlichen und pastoralen Haltung von Papst Franziskus neue Klarstellungen zum Responsum ad dubium vorzunehmen. […] 3. Das oben erwähnte Responsum hat zahlreiche und unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. […] 13. Gerade in dieser Hinsicht fordert Papst Franziskus uns auf, ‚die pastorale Fürsorge nicht zu vernachlässigen, die alle unsere Entscheidungen und Haltungen durchdringen muss‘ und zu vermeiden, ‚Richter zu sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen‘ […] 20. Wer um den Segen bittet, zeigt, dass er der heilbringenden Gegenwart Gottes in seiner Geschichte bedarf, und wer die Kirche um den Segen bittet, erkennt die Kirche als ein Sakrament jenes Heils, das Gott darbietet. […] 25. […] Wenn also Menschen einen Segen erbitten, sollte eine umfassende moralische Analyse keine Vorbedingung für die Erteilung des Segens sein. Und auch darf von ihnen keine vorherige moralische Vollkommenheit verlangt werden. 31. In dem hier umrissenen Horizont liegt die Möglichkeit der Segnung von Paaren in irregulären Situationen und von gleichgeschlechtlichen Paaren, deren Form von den kirchlichen Autoritäten nicht rituell festgelegt werden darf, um keine Verwechslung mit dem dem Ehesakrament eigenen Segen hervorzurufen. […] 32. Gottes Gnade wirkt in der Tat im Leben derjenigen, die nicht behaupten, gerecht zu sein, sondern sich demütig als Sünder wie alle anderen bekennen;[…] Deshalb nimmt die Kirche mit unermüdlicher Weisheit und Mütterlichkeit all jene auf, die sich Gott mit einem demütigen Herzen nähern, und begleitet sie mit jenen geistlichen Hilfen, die es jedem ermöglichen, den Willen Gottes in seiner Existenz vollständig zu verstehen und zu verwirklichen. […] 34. Die Liturgie der Kirche selbst lädt uns zu dieser vertrauensvollen Haltung ein, selbst inmitten unserer Sünden, unserer Unzulänglichkeiten, unserer Schwächen und Verwirrungen. […] 35. Daher sollte die seelsorgerische Sensibilität der geweihten Amtsträger auch darin geschult werden, spontan Segnungen auszusprechen, die nicht im Benediktionale zu finden sind. 36. In diesem Sinne ist es unerlässlich, das Anliegen des Papstes zu verstehen, auf dass diese nicht ritualisierten Segnungen nicht aufhören, eine einfache Geste zu sein, die ein wirksames Mittel ist, um das Gottvertrauen der Bittenden zu stärken. […] 37. […] Das Kirchenrecht soll und kann nicht alles abdecken, und auch die Bischofskonferenzen mit ihren verschiedenen Dokumenten und Protokollen können dies nicht tun, da das Leben der Kirche durch viele Kanäle neben den normativen fließt. So erinnerte Papst Franziskus daran, dass alles, ‚was Teil einer praktischen Unterscheidung angesichts einer Sondersituation ist, nicht in die Kategorie einer Norm erhoben werden kann‘, weil dies ‚nur Anlass zu einer unerträglichen Kasuistik gäbe‘. 38. […] In dem kurzen Gebet, das diesem spontanen Segen vorausgehen kann, könnte der geweihte Amtsträger um Frieden, Gesundheit, einen Geist der Geduld, des Dialogs und der gegenseitigen Hilfe für sie bitten, aber auch um Gottes Licht und Kraft, um seinen Willen voll erfüllen zu können. 39. […Aber es] wird ein solcher Segen niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit erteilt werden können. […] 40. Ein solcher Segen kann stattdessen in anderen Kontexten seinen Platz finden, etwa beim Besuch eines Heiligtums, bei einer Begegnung mit einem Priester, bei einem Gebet, das in einer Gruppe oder während einer Pilgerreise gesprochen wird. […] 45. [...] Auf diese Weise wird jeder Bruder und jede Schwester spüren können, dass sie in der Kirche immer Pilger, immer Bettler, immer geliebt und trotz allem immer gesegnet sind.“ Víctor Manuel Card. Fernandez, Präfekt; Msgr. Armando Matteo, Sekretär für die doktrinäre Sektion (kap u. vn v. 18. 12.)
Österreichs Bischöfe begrüßen die vatikanische Erlaubnis „Fiducia supplicans" für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare: „Die heutige Bekanntgabe des Glaubensdikasteriums habe ich mit Freude aufgenommen", sagte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner. Segnen sei ein Grundbedürfnis, „das grundsätzlich niemandem verwehrt werden darf - wie Brot".Der Bischofskonferenz-Vorsitzende hielt zudem fest, dass die römisch-katholische Lehre unverändert bleibe: „Der Idealtypus ist und bleibt das Zusammenleben von Frau und Mann, in dem allein Leben natürlich weitergegeben wird. Als „wichtigen Schritt für eine offene Kirche" hat Diözesanbischof Josef Marketz die Grundsatzerklärung „Fiducia supplicans" bezeichnet. Er sei „froh und dankbar" darüber, dass diese Wende nun innerhalb von zwei Jahren möglich wurde, denn noch im Februar 2021 sei eine Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren durch die Glaubensbehörde untersagt worden, was „viele Menschen zurecht verletzt und gekränkt hat", so der Kärntner Bischof. Das Schreiben sei geprägt von einem „liebevollen Hinsehen auf die Situation der Menschen sowie deren Sehnsucht und Wunsch nach Segen, damit ihr (Zusammen-)-Leben unter dem liebevollen Blick Gottes gut oder noch besser gelingen kann“. Auch der steirische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl begrüßt die Erklärung. Sie halte fest, was Segen bedeute: „Wer um den Segen bittet, zeigt, dass sie oder er oder beide die heilbringende Gegenwart Gottes brauchen, und dieser Segen darf nicht verweigert werden". Dieser Weg der seelsorglichen Begleitung sei nicht neu, sondern besonders seit dem Schreiben „Amoris laetitia" vorgegeben, so Krautwaschl. (kap u. vn v. 18. 12.)
Als einen „prophetischen Schritt für die Weltkirche" hat der Salzburger Pastoraltheologe Salvatore Loiero „Fiducia supplicans“ bezeichnet. Bischöfe sowie Seelsorgerinnen und Seelsorger könnten sich nun „auf ein Dokument von universaler Bedeutung und Reichweite" berufen. In Bezug auf gleichgeschlechtliche Paare sei dies speziell in Ländern wichtig, in denen Homosexualität als Straftat betrachtet wird, wies Loiero im Kathpress-Gespräch hin. Die Grundsatzerklärung „Fiducia supplicans" sei ein wichtiger Schritt gegen eine kirchlich geduldete oder teils mitgetragene Kriminalisierung von Homosexuellen, aber auch von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die bereits in der Vergangenheit gleichgeschlechtliche Paare segneten. Die römisch-katholische Kirche könne mit diesem vatikanischen Dokument in Ländern, in denen etwa homosexuelle Handlungen mit der Todesstrafe geahndet oder in denen LGBTQI+-Rechte beschnitten werden, kritisch tätig werden. „Fiducia supplicans" könne zudem die „prophetische Kraft des Christentums" fördern, wenn es darum gehe, Liebe, Treue und gelingende Beziehungen nicht als Machtinstrumente gegen Menschen zu verwenden, sondern als Orte, wo Menschen „segensreich" Leben und Glauben teilen. Es brauche jetzt vonseiten der Bischöfe mutige Schritte, um die erlaubte Segnung in der Praxis so umsetzen zu können, dass die den Segen erbittenden Paare wie die Seelsorgenden selbst nicht zum Spielball kirchenpolitischer Grabenkämpfe würden. Wenn Paare ihr „Gesegnet-Sein" vor Gott feiern wollten, brauche es auch eine würdevolle Gestaltung. Als problematisch bezeichnete Loiero das im Dokument verwendete Wort „irregulär", das nicht nur im deutschen Sprachgebrauch abwertend verstanden werden könnte. Aber mit „Fiducia supplicans" sei endlich eine Wende im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils eingeläutet worden, wonach seelsorgerliche Notwendigkeiten nicht einfach auf die lange Bank geschoben werden dürften, sondern als „Zeichen der Zeit" nach kirchlicher Umsetzung verlangen. (kap v. 19. 12.)
In Österreich gibt es weiteren Zuspruch für die vatikanische Erlaubnis der Segnung homosexueller Partnerschaften. Sie sei ein „wichtiger Schritt" in Richtung einer bedingungslosen Annahme von gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen durch die römisch-katholische Kirche, dem noch weitere folgen sollten, waren sich Franz Harant von der „Regenbogenpastoral Österreich", das zur Katholischen Aktion Österreich zählende „Forum Beziehung, Ehe und Familie", der Wiener Dompfarrer Toni Faber und die Plattform „kirchenreform.at" in Stellungnahmen einig. Harant erwartet sich „die längst erforderliche Neubewertung der Sexualität auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse". Queere Menschen würden sich wünschen, dass akzeptiert, wertgeschätzt und gewürdigt wird, was sie verantwortungsvoll leben. Für das „Forum Beziehung, Ehe und Familie" der Katholischen Aktion Österreich ist dieses Dokument „für vatikanische Verhältnisse durchaus eine Sensation". Die grundsätzliche Erlaubnis der Segnung durch den Vatikan „macht die Tür auf" für eine bisher schon - und nicht nur von ihm selbst - gepflegte Praxis, hielt Dompfarrer Faber im Ö1-Morgenjournal fest. Schon bisher hätten „vernünftige Pfarrer in ihrer Klugheit und Spontaneität" segnend die bedingungslose Annahme von gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen unterstrichen. Kritisch äußerte er sich aber über im Dokument verwendete Worte wie „irregulär" oder Definitionen, was erlaubt oder verboten, sei: Dies sei „von vorgestern". „Und sie bewegt sich doch...": Mit diesen an Galilei erinnernden Worten beginnt eine Presseaussendung der gemeinsamen Plattform „kirchenreform.at" von „Wir sind Kirche", der Priester- sowie Laieninitiative und „Priester ohne Amt". Die Organisationen erinnerte an 2013, als Papst Franziskus kurz nach seinem Amtsantritt sagte: „Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willen hat, wer bin ich, ihn zu verurteilen?" Aber es bleibe noch viel zu tun, betonten Martha Heizer, Helmut Schüller, Herbert Bartl und Ewald Benes als unterzeichnende Vertreter der vier Gruppierungen. So bemängeln sie, „dass die Segnungen homosexueller Verbindungen nicht in Gottesdiensten beziehungsweise nicht im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier stattfinden dürfen". In der Kirche könne das Ziel immer nur „Gleiche Würde und gleiche Rechte" für alle lauten, „um der Botschaft des Evangeliums gerecht zu werden". (kap v. 19. 12.)
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler begrüßte „Fiducia supplicans“: „Ich finde es erfreulich, dass im aktuellen Schreiben das urchristliche Verständnis des Segnens erneuert und vertieft wird", schreibt der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Familienthemen zuständige Bischof in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress. „Segnen ist nicht die Verteilung eines TÜV-Zertifikates nach erfolgter moralischer Prüfung". Vielmehr gehe es darum, „jemandem zum Leben zu ermutigen und gemeinsam die Hilfe Gottes zu erbitten". (kap v. 19. 12.)
„Fiducia supplicans“ hat in Deutschland vielfältige Reaktionen ausgelöst. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx war nach eigenen Worten überrascht: „Ich dachte nicht, das geht so schnell, dass so ein Signal kommt", sagte er im Münchner Presseclub. Er sprach von einem ersten Schritt, der für die Katholiken in Deutschland klein ausschauen möge. „Aber für manche in der Weltkirche ist das gewaltig, das so zu hören, dass das möglich sein soll". In Afrika würden bestimmt einige den Kopf schütteln. „Für uns ist es nichts Neues. Da sind wir schon dran." Leitlinien würden bereits erarbeitet, um sie den Seelsorgerinnen und Seelsorgern an die Hand zu geben. Auch der künftige Bamberger Erzbischof Herwig Gössl begrüßte die Entscheidung. „Damit wird ein wichtiger Wunsch vieler Gläubiger aufgegriffen, der auch im Synodalen Weg seinen Ausdruck fand". Zurückhaltend reagierte der Würzburger Bischof Franz Jung. Die Erklärung versuche „einen Spagat zwischen den Erfordernissen seelsorglicher Praxis und der offiziellen Lehre der Kirche, ohne diese zu verändern". Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) und katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) begrüßten die Entscheidung des Vatikans. kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil sprach von einem „guten, aber auch längst überfälligen Schritt". KDFB-Präsidentin Anja Karliczek sagte, die Entscheidung sei ein Signal für mehr Vielfalt und Toleranz in der Kirche. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend nannte die Erklärung einen „lange überfälligen Schritt in die richtige Richtung". Dennoch beinhalte das Dokument weiterhin eine diskriminierende Haltung, so der Bundesvorsitzende Gregor Podschun. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, erklärte: Durch die Erlaubnis könne die Kirche künftig auf Paare eingehen, „die um einen Segen für ihre Partnerschaft bitten, auch wenn sie nicht in jeder Hinsicht nach den Normen der Kirche leben. […] Es ist gut, dass nun dieser Schatz für die Vielfalt von Lebensmodellen gehoben wird." Ähnlich äußerten sich der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers und der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Für ihn ist dies ein „Ausdruck des Respekts vor der Lebenswirklichkeit und der Lebensentscheidung von Menschen, die füreinander da sein wollen". Der Münsteraner Dogmatik-Professor Michael Seewald nannte gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger": die vatikanische Entscheidung „bahnbrechend“: „Was die Entwicklung der Glaubens- und Morallehre angeht, handelt es sich um die bedeutendste Neuerung seit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965. […] Während die offizielle Lehre der Kirche homosexuelle Praktiken bislang als schwere Sünde bezeichnete und der Meinung war, dass aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nichts Gutes erwachsen könne, hat sich die Perspektive nun verändert." (kna v. 19. 12.)
Nach dem Bochumer Neutestamentler Thomas Söding ist die Erklärung „Fiducia supplicans" ein Hoffnungszeichen. Noch im Februar 2021 hatte dieselbe Kurienbehörde jeden Zweifel daran ausräumen wollen, dass ein Segen für Paare in „irregulären Beziehungen" unmöglich sei, weil nicht gutgeheißen werden könne, was objektiv schlecht ist. Jetzt ist ein Durchbruch gelungen: Es soll gesegnet werden: wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Dieser Blickwechsel, auf den viele gewartet haben, ist theologisch begründet in einer erweiterten Theologie des Segens: Die bisherigen Restriktionen krankten daran, dass der Segen als eine Art „Prämie“ für Wohlverhalten angesehen wurde. Jetzt kann der Segen ein Segen sein: weil er Menschen mit Gott verbindet, auch wenn sie nicht perfekt sind. Die Erklärung sie setzt beim Wunsch von Menschen an, von Gott gesegnet zu werden: in ihrer Liebe. Dieser Ansatz ist entscheidend. Die Erklärung argumentiert präzise, um die neue Praxis des Segnens zu begründen. Zuerst geht es in die Bibel: Sie erlaube es, einen „absteigenden" und einen „aufsteigenden" Segen zu erkennen: Der „absteigende" ist ein Zuspruch, den ein Mensch im Namen Gottes geben kann, wie im aaronitischen Segen: „Der Herr segne und behüte dich …" (Numeri 6,24-26). Der „aufsteigende" ist ein Lob, ein Dank, eine Bitte, die Gott die Ehre gibt. Beides gehört zusammen. „Wer um den Segen bittet, zeigt, dass er der heilbringenden Gegenwart Gottes in seiner Geschichte bedarf, und wer die Kirche um den Segen bittet, erkennt die Kirche als ein Sakrament jenes Heils, das Gott darbietet" (Nr. 20). Es wäre ein Machtmissbrauch, die Erteilung des Segens unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine in den Augen des kirchlichen Lehramtes „irreguläre" Lebenssituation auf der Stelle beendet werden müsste. Der Segen heißt gut, was ist: dass Menschen Gottvertrauen haben; er stärkt, was gut ist: die echte Liebe zwischen zwei Menschen. Der Synodale Weg in Deutschland hat sich für solche Segensfeiern ausgesprochen. Die früheren „Zweifel" waren gezielt gesät worden, um den Synodalen Weg auszubremsen; das ist nicht gelungen. Entscheidend ist, was vor Ort passiert. Bischöfe, die sich bislang bedeckt hielten, können jetzt ihre Führungsverantwortung übernehmen und Segensfeiern möglich machen. Der Weg in eine segensreiche Zukunft ist offen. Weitere Schritte werden folgen. (domradio.de v. 19.12.)
Der Passauer Bischof Stefan Oster schreibt auf seiner Internetseite: Der Spielraum für die Seelsorge werde weiter, ohne dass an der kirchlichen Lehre etwas geändert werde. Die entscheidende Neuerung, liege in dem Verständnis dessen, was ein Segen sei: Er verweist auf eine frühere innere Logik: „Wer segnen will, müsste damit ja auch gutheißen (= bene-dicere), was all die Zeit vorher als Sünde galt und immer noch gilt. Geht das?" Jetzt zeige sich: „Dieser Zusammenhang ist nicht zwangsläufig." Die Bischöfe der Schweiz betonten in einem Statement, „dass der Segen ein Geschenk Gottes ist, das allen Menschen zusteht, die darum bitten". Die Entscheidung aus dem Vatikan „entspricht dem Wunsch der Schweizer Bischöfe nach einer offenen Kirche, welche Menschen in unterschiedlichen Beziehungssituationen ernst nimmt, achtet und begleitet", hielt die Schweizer Bischofskonferenz fest. In Frankreich begrüßte der Erzbischof von Sens/Auxerre, Herve Giraud, im Portal „La Croix international" die Erklärung: Dies sei ein Weg, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind, und ihnen zu helfen, in Gottes Gnade zu wachsen. (kna u. kap v. 20. 12.)
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat die Vatikan-Erklärung als „theologischen und pastoralen Durchbruch" gewürdigt. In einem veröffentlichten Schreiben rief er Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten zur Offenheit gegenüber Segenswünschen auf. „Paare, deren Wunsch nach Segen unbeantwortet blieb, fühlten sich in ihrer Situation alleingelassen und als Glieder der Kirche zurückgesetzt". (domradio.de v. 20. 12.)
Die Schweizer Bischöfe schätzen „Fiducia supplicans“ als Zeichen einer „offenen Kirche, welche Menschen in unterschiedlichen Beziehungssituationen ernst nimmt, achtet und begleitet“. Weiters betonen die Schweizer Bischöfe, „dass der Segen ein Geschenk Gottes ist, das allen Menschen zusteht, die darum bitten“. Mit dem Schritt anerkenne die Kirche diesen Wunsch für alle. Das zeige, dass die Kirche Platz für alle biete. Der weltweite „Synodale Prozess“ habe entscheidend zu dieser Wende beigetragen. Die Gespräche mit dem Heiligen Geist hätten einen weiten Raum geöffnet, schreiben sie. Die Erklärung zeige, dass die Kirche die synodalen Anliegen wahr- und ernstgenommen habe und ihren Auftrag wahrnehme, alle Menschen seelsorgerlich zu begleiten. Damit werde das Apostolische Schreiben „Amoris laetitia“ weitergeführt. (kath.ch v. 20 12.)
Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer begrüßt die Grundsatzerklärung „Fiducia supplicans" als „richtungsweisend": „Es geht darum, die heutigen Lebenswirklichkeiten von gleichgeschlechtlichen Paaren zu würdigen, ohne damit das Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau infrage zu stellen. Das ist eine gute Nachricht", sagte er in einem Interview der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". „Doch die Studien zeigen auch, dass sogar ein hoher Anteil von Kirchenmitgliedern Jesus Christus nicht mehr als Sohn Gottes ansieht oder nicht mehr an ein Leben nach dem Tod glaubt." Daher müssten auch fundamentale Glaubensfragen in den Blick genommen werden. (domradio.de v. 21. 12.)
Aus dem Vatikan wird es keinen detaillierten Leitfaden zur Segnung homosexueller und unverheirateter Paare geben sagte der Chefdogmatiker von Papst Franziskus, Kardinal Victor Fernandez, im Online-Blog „The Pillar". Für „etwas so Einfaches" dürfe man kein Handbuch oder einen Leitfaden erwarten. Die Erklärung „Fiducia supplicans" habe nicht das Urteilsvermögen der Bischöfe vor Ort ersetzen wollen. Der Ortsbischof kenne seine Diözese besser als jeder andere und müsse Unterscheidungen vor Ort treffen und zwar gemäß dem Subsidiaritätsprinzip, wonach eine übergeordnete Instanz keine Aufgaben übernehmen soll, die auch die untere Ebene leisten kann. Die nationalen und kontinentalen Bischofskonferenzen könnten den Bischöfen in ihren Diözesen nichts vorschreiben. „Selbst wenn sie Kriterien vereinheitlichen können, können sie die einzigartige Stellung des Bischofs in seiner Ortskirche nicht ersetzen", mahnte Fernandez. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße verteidigte das neue Vatikan-Papier im Interview von stern.de: „Das Besondere an diesem Dokument ist, dass es in sogenannten 'irregulären Beziehungen' Wertvolles ausmacht. […] Es geht explizit um Paare, die nicht ins Schema passen.[…] Gnade geht weit über den normativen Weg hinaus. Eine starke Aussage. […] Viele gleichgeschlechtliche und geschieden wiederverheiratete Paare leben eine Zugewandtheit, eine Opferbereitschaft, eine Treue, die endlich gewürdigt wird." Zu Franziskus sagte Heße: „Ich habe den Eindruck, dass er Schritt für Schritt Pflöcke setzt. Inzwischen ergibt das eine Linie, für die ich dankbar bin." (kap v. 23. 12.)
Der Linzer Bischof Manfred Scheuer begrüßt die Erklärung des Vatikan. Die Entwicklung habe sich abgezeichnet: „Es geht hier um Menschen mit ihrem Schicksal, mit ihrer Verbindlichkeit, mit ihrer Treue, mit ihrer Liebe. Da ist Gottes Segen wichtig. […] Das lateinische Wort dafür ist benedicere, das bedeuten gutheißen, Ja dazu zu sagen, dass diese Verbindung auch im Angesicht Gottes leben kann." Es geht nicht um eine abstrakte Sexualität, sondern eine in Treue, Liebe und Verantwortung gelebte. Und es sei sicher nicht überholt, „dass man Sexualität an Verantwortung und Liebe bindet". Das Dokument ist mit einem Neuanfang zu vergleichen: „Wozu ist Kirche da? Nicht für sich selber, nicht für die eigenen Strukturen." Das sei auch das zentrale Anliegen von Papst Franziskus seit seinem Amtsantritt 2013. Im Blick auf die Weltsynode 2024 räumte Scheuer ein, dass es nach wie vor eine große Ungleichzeitigkeit gebe. (kap v. 24. 12.)
Der indische Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Mumbai und enger Berater von Papst Franziskus, steht hinter „Fiducia supplicans". Er sieht darin eine „Bestätigung unserer Spiritualität". Jesus habe niemals eine Segnung verweigert. sagte er dem US-Portal „Crux". Zudem sei die Bitte um Segnung in der indischen Kultur ein weithin üblicher Brauch. „Unsere indische Mentalität ist inklusiv und verständnisvoll für Menschen anderer Religionen und Glaubensrichtungen. […] Alle suchen nach Gott, alle suchen nach der Wahrheit, alle suchen nach Spiritualität." Die Kontroverse in Indien über „Fiducia supplicans" beruhe auf einem Missverständnis. Denn „An der kirchlichen Lehre von der Ehe zwischen Mann und Frau ändert sich überhaupt nichts. […] Es gibt überhaupt keinen Widerspruch". Homosexualität ist auch in der hinduistischen Gesellschaft Indiens ein kontroverses Thema: Im Oktober 2023 lehnte das Oberste Gericht eine Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen ab. Aber schon im September 2018 entschied das Gericht einstimmig, dass eine Kriminalisierung von Homosexualität verfassungswidrig sei - und hob den noch aus der britischen Kolonialzeit stammenden Paragrafen 377 auf. (kap v. 29. 12.)