Der Vatikan hat Vorschläge für ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstamtes gemacht. Der Papst möge künftig von den anderen christlichen Kirchen als Ehrenoberhaupt (als „primus inter pares“) akzeptiert werden. Das „Studiendokument“ stellten der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch und der Generalsekretär der Weltbischofssynode, Kardinal Mario Grech, vor. Das Papier „Der Bischof von Rom", das von Papst Franziskus genehmigt wurde, schlägt für die römisch-katholische Kirche weitreichende Änderungen vor: Ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstprimats solle „zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen": Die erste Änderung betrifft eine neue Lesart der Unfehlbarkeit des Papstes vom Ersten Vatikanischen Konzil 1869/70. Die damaligen Beschlüsse sollen nun dem „heutigen kulturellen und ökumenischen Kontext angepasst werden". Als nächstes fordert das Papier eine klare Trennung zwischen den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen des Bischofs von Rom: Es müsse geklärt werden, inwiefern er als „Patriarch des Westens" in bestimmten Fragen mit den Kirchen des Ostens auf einer Stufe stehen könne, während er in anderen Fragen den „Primat der Einheit in der Gemeinschaft der westlichen wie der östlichen Kirchen" innehaben würde. Der dritte Vorschlag betrifft die Verfassung der römisch-katholischen Kirche. Diese müsse im Inneren weiter in Richtung einer „Synodalität", also einer gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung, gehen. Dazu gehöre ein Nachdenken über die Autorität der nationalen und regionalen Bischofskonferenzen. Schließlich regt der Text die Schaffung einer neuen globalen Beratungsebene mit regelmäßigen Treffen der Kirchenführer unterschiedlicher Konfessionen an. Damit solle die bereits bestehende Gemeinschaft unter ihnen vertieft und nach außen sichtbarer gemacht werden. Das Papier enthält auch Vorschläge zur künftigen ökumenischen Rolle des Papstes. So solle er künftig konfessionsübergreifende Konzilien einberufen und ihnen vorsitzen können. Ferner könnte er im Falle von Disziplinar- oder Lehrkonflikten die Rolle eines Mediators übernehmen. Mit Blick auf die von Rom getrennten Kirchen im Westen spricht das Papier von einem „Primat der Verkündigung und des Zeugnisses", der für sie auch dann annehmbar sei, wenn die volle Kircheneinheit noch nicht erreicht sei. Der Papst könnte einige Punkte, die sein eigenes Patriarchat oder die synodale Verfassung der Kirche betreffen, durch Kirchengesetze in Kraft setzen. Erste Schritte hat er mit Blick auf seine Rolle als römischer Bischof und auf die synodale Verfassung der Kirche bereits gemacht. Andere bedürften vermutlich der Zustimmung eines Dritten Vatikanischen Konzils. Die Anerkennung des Papstes als „Ehrenoberhaupt" wäre wohl nur über eine neuartige „Ökumenische Synode" zu erreichen. An ihr würden dann, ähnlich wie im ersten Jahrtausend, auch Delegierte anderer Kirchen mit Stimmrecht teilnehmen. Als ersten Schritt kündigte Kardinal Koch an, dass der Vatikan die Vorschläge den anderen Kirchen zur Bewertung zusenden werde. Man hoffe auf positive Antworten und weiterführende Gespräche. (vn u. kap u. viele andere v. 13. u. 14. 6.)
„Der Primat muss synodal ausgeübt werden, und die Synodalität erfordert den Primat“. So fasst Kardinal Kurt Koch, Präfekt des Dikasteriums für die Förderung der Einheit der Christen, einen der wichtigsten Punkte des ökumenischen Dokuments mit dem Titel „Der Bischof von Rom“ zusammen, das am 13. Juni veröffentlicht wurde. Das Interview mit Radio Vatikan in Auszügen: „Dieses Dokument mit dem Titel ‚Der Bischof von Rom‘ ist ein Studientext, der eine Synthese der jüngsten ökumenischen Entwicklungen zum Thema Primat und Synodalität bietet. Seine Entstehung geht zurück auf die Einladung von Johannes Paul II. an alle Christen in ‚Ut unum sint‘, ‚offensichtlich gemeinsam‘ die Formen zu finden, in denen das Amt des Bischofs von Rom ‚einen Dienst der Liebe verwirklichen kann, der von den anderen anerkannt wird‘. Diese Einladung wurde mehrfach von Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus bekräftigt. Das Dokument fasst etwa dreißig Antworten auf diese Einladung und etwa fünfzig Texte von ökumenischen Dialogen zu diesem Thema zusammen. […] Das Dokument ist das Ergebnis einer echten ökumenischen und synodalen Arbeit. An seiner Erstellung waren nicht nur die Mitarbeiter des Dikasteriums beteiligt, sondern auch deren Mitglieder und Berater, die es in zwei Vollversammlungen diskutierten. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Ökumenische Studien beim Angelicum, wurden zahlreiche katholische Experten und Gelehrte aus verschiedenen christlichen Traditionen in Ost und West konsultiert. […] Die Frage des Primats ist in den letzten Jahrzehnten in fast allen ökumenischen Kontexten intensiv diskutiert worden. Unser Dokument berichtet über die Fortschritte und hebt die Tatsache hervor, dass die theologischen Dialoge und die Reaktionen auf die Enzyklika von einem neuen und positiven ökumenischen Geist in der Diskussion zeugen. Dieses neue Klima ist ein Indiz für die guten Beziehungen zwischen den christlichen Gemeinschaften, für die „wiederentdeckte Geschwisterlichkeit“, von der ‚Ut unum sint‘ spricht. […] Im Jahr 1967 stellte Paul VI. fest, dass ‚der Papst [...] zweifellos das größte Hindernis auf dem Weg zum Ökumenismus‘ sei. Fünfzig Jahre später bezeugt die Lektüre der Dialogdokumente und der Antworten auf Ut unum sint jedoch, dass die Frage des Primats für die ganze Kirche und insbesondere des Amtes des Bischofs von Rom nicht mehr nur als Problem, sondern vielmehr als Gelegenheit für eine gemeinsame Reflexion über das Wesen der Kirche und ihre Sendung in der Welt gesehen wird. Außerdem wächst in unserer globalisierten Welt zweifellos das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Dienstes der Einheit auf universaler Ebene. […] Für viele theologische Dialoge bleiben jedoch die Prinzipien und Modelle der Gemeinschaft, die im ersten Jahrtausend geehrt wurden, paradigmatisch für eine zukünftige Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft. Bestimmte Kriterien des ersten Jahrtausends wurden als Bezugspunkte und Inspirationsquellen für die Ausübung eines universell anerkannten Dienstes der Einheit identifiziert. […] In jedem Fall muss eine erneuerte Ausübung des Primats letztlich auf den Dienst, die diakonia, ausgerichtet sein. […] In der Tat schlagen einige ökumenische Dialoge, zum Beispiel das letzte Dokument des katholisch-orthodoxen Dialogs im Jahre 2023, eine klarere Unterscheidung zwischen den verschiedenen Verantwortungen des Bischofs von Rom vor, insbesondere zwischen dem, was man das patriarchale Amt des Papstes innerhalb der westlichen oder lateinischen Kirche nennen könnte, und seinem primatialen Dienst an der Einheit in der Gemeinschaft aller Kirchen, sowohl der westlichen als auch der östlichen. […] Die meisten Antworten und Dialogdokumente sind sich einig über die Interdependenz von Primat und Synodalität auf allen Ebenen der Kirche: auf lokaler, regionaler und auch auf universeller Ebene. Folglich muss der Primat auf synodale Weise ausgeübt werden, und die Synodalität erfordert den Primat. Zu all diesen Aspekten hat unser Dikasterium auch Konferenzen mit dem Titel ‚Auf den Osten hören‘ und ‚Auf den Westen hören‘ organisiert, um die verschiedenen christlichen Traditionen in Bezug auf Synodalität und Primat zu hören. […] Da die dogmatischen Definitionen des [Ersten Vatikanischen] Konzils [1870 zur Unfehlbarkeit des Papstes] zutiefst von den historischen Umständen geprägt waren, schlagen sie vor, dass die katholische Kirche nach neuen Ausdrucksformen und einem neuen Vokabular sucht, das der ursprünglichen Intention treu bleibt, sie in eine Ekklesiologie der Communio integriert und sie den aktuellen kulturellen und ökumenischen Kontext angleicht. Man spricht daher von einer ‚Re-Rezeption‘ oder sogar ‚Neuformulierung‘ der Lehren des Ersten Vatikanums. […] Unser Dikasterium möchte diesen Vorschlag zusammen mit dem Studiendokument an die verschiedenen christlichen Gemeinschaften weiterleiten und sie um ihre Meinung zu diesem Thema bitten. Wir hoffen, auf diese Weise die Diskussion über die Ausübung des Einheitsamtes des Bischofs von Rom in gegenseitiger Anerkennung fortsetzen zu können.“ (vn v. 13. 6.)
Der Wiener rumänisch-orthodoxe Theologe Prof. Ioan Moga würdigt das neue Vatikan-Dokument über das Papst-Amt: „Am orthodoxen Himmelfahrtstag hat der Vatikan für eine erhebliche, positive Überraschung gesorgt." Der Vatikan hat Vorschläge für ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstamtes gemacht, wonach der Papst künftig von anderen christlichen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden könnte. Das Studiendokument „Der Bischof von Rom" biete nicht nur eine Synthese der ökumenischen Dialogergebnisse über das Papstamt der letzten Jahrzehnte, sondern skizziere auch konkrete Perspektiven eines Dienstes der Einheit in einer wiedervereinigten Kirche, so Moga. Er wolle sogar von einem „Durchbruch" sprechen. Das Neue an dem Vatikan-Dokument sei, dass als Quellen nicht hauptsächlich lehramtliche Texte, sondern ökumenische Texte benützt würden. Moga: „Das ist bahnbrechend, von der Methode her: Es zeigt eine selbstkritische Selbstreflektion Roms, aus der Sicht des gemeinsam Erreichten. Das hatten wir bis jetzt nicht, zumindest nicht in dieser Konsequenz, in dieser Stringenz. […] Das Große an diesem Dokument ist, dass es womöglich eine neue Epoche des ökumenischen Dialogs einläutet. Eine neue Methode, eine neue Selbstverpflichtung aus dem bisher Erreichten zu lernen, daraus etwas zu machen." Damit gehe das vatikanische Dikasterium zur Forderung der Einheit der Christen neue Wege und fordere die anderen Kirchen heraus, Ähnliches zu tun. Moga: „Der Text ist ein Musterbeispiel erfolgreicher Rezeptionsarbeit der ökumenischen Dialog-Texte." Das Dokument biete keine fertigen Lösungen, „in die die anderen Christen hineingezwungen werden sollen", sondern beschreibe einen Lernprozess, erörtere Perspektiven und skizziere Handlungsoptionen, „wohl wissend, dass die Sache sehr komplex und nicht spannungsfrei bleibt". Moga hebt in seiner Analyse vor allem auch die Vorschläge von Kardinal Kurt Koch und des Einheitsdikasteriums zu einer Primat-Ausübung im 21. Jahrhundert hervor: „Für die Orthodoxen bietet die Rede nicht nur von einer Re-Lektüre bzw. Re-Interpretation des Ersten Vatikanischen Konzils, sondern sogar von einer ‚Um-Formulierung' der Papstdogmen des 19. Jahrhunderts eine bahnbrechende Perspektive." Auch die ökumenisch-theologische Untermauerung des Subsidiaritätsprinzips „könnte einige festgefahrene Baustellen aus der Sackgasse befreien". Das neue vatikanische Dokument biete eine gute Grundlage, „um für das Nizäa-Jahr 2025 auf einen Neuaufbruch der Annäherung zwischen den christlichen Kirchen, im Miteinander von Synodalität und Primat, zu hoffen". (kap v. 13. 6.)
Vertreter der Anglikanischen und der Armenischen Apostolischen Kirche haben die jüngsten Vorschläge aus dem Vatikan für eine neue Art der Ausübung des Papstamts begrüßt. Bei der Vorstellung des Dokuments „Der Bischof von Rom" im vatikanischen Pressesaal sagte der aus Armenien zugeschaltete Erzbischof Khajag Barsamian, das Dokument werde von jetzt an ein Referenzpunkt für die Gespräche zwischen den Kirchen sein. Barsamian betonte, dass es in den ersten Jahrhunderten eine kirchliche Gemeinschaft ohne gemeinsames Kirchenrecht und gemeinsame Struktur gegeben habe, Pluralität sei damals akzeptiert worden. Er hoffe, dass diese Praxis der ersten Jahrhunderte auch in Zukunft wieder gelten werde. Zwischen den Kirchen könne es „eine gewisse Form der Synodalität geben, auch wenn noch nicht die völlige kirchliche Einheit bestehe", so der armenische Erzbischof. Er schlug vor, das Dokument und die sich daraus ergebenden Perspektiven beim 1.700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nicäa zwischen den Kirchen zu vertiefen. Für die anglikanische Kirche von England begrüßte Erzbischof Ian Ernest das Dokument als einen „großen Erfolg". Der persönliche Repräsentant des Erzbischofs von Canterbury in Rom sagte, das Papier eröffne neue Perspektiven für die Beziehungen unter den Kirchen mit Blick auf das vieldiskutierte Thema des Papstprimats. Unter den Vorschlägen aus dem Vatikan sei die Idee einer „Neuformulierung" der Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils über den Papstprimat besonders wichtig. Als zukunftsweisend bezeichnete Ernest die Rückkehr der zeitgenössischen Päpste zum Titel „Diener der Diener Gottes" (Servus servorum Dei), den bereits Papst Gregor der Große (590-604) eingeführt habe. Diese Formel sei die beste Garantie dafür, dass der Primat des Papstes stets auch als Dienst verstanden werde. Die Kirche von England habe sich schon seit längerer Zeit dafür ausgesprochen, einen universalen Papstprimat im Sinne eines sichtbaren Einheitssymbols für die christlichen Kirchen anzuerkennen. (kap v. 13. 6.)
Grundsätzlich positiv hat der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück auf das im Vatikan präsentierte Studiendokument über eine Neujustierung des Papstamtes reagiert. „Das Anliegen von Papst Franziskus, Primat und Synodalität wechselseitig zu verschränken, hat altkirchliche Wurzeln und ist ökumenisch zukunftsträchtig", schrieb er auf dem Online-Portal „communio.de". Bedeutsam sei das Dokument vor allem aus drei Gründen: Zum Einen helfe es, die ökumenisch für Irritation sorgenden „steilen Papst-Dogmen" des 19. Jahrhunderts einzufangen und im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) neu zu interpretieren. So könne es gelingen, die problematischen Begriffe wie Unfehlbarkeit, Autorität oder Primat in ein neues Licht zu rücken. Weiters zeige sich in dem Dokument eine „ökumenische Lernfähigkeit" der römisch-katholischen Kirche, die jetzt vorschlägt, dass es eine „abgestufte Bedeutung des päpstlichen Primates" geben könne; dass es also durchaus akzeptabel sein könne, wenn andere Konfessionen das Papstamt etwa als Ehrenvorsitz begreifen. Im Blick speziell auf die Kirchen der Reformation stelle dies den Papst vor die Herausforderung, eine „freiwillige Selbstbeschränkung" zu üben. Denn das Setzen auf das Prinzip der Subsidiarität - also der Entscheidung von lokalen Fragen vor Ort und nicht mehr zentralistisch – führe dazu, dass die Autorität der Bischofskonferenzen gestärkt wird. „Päpstliche Ad-hoc-Entscheidungen - wie zuletzt das Nein zum Diakonat der Frau - oder Dokumente römischer Dikasterien, die ohne synodale Abstimmung universalkirchliche Vorgaben machen - wie das Schreiben ‚Fiducia supplicans' zur Segnung homosexueller Paare - wären dann nicht mehr möglich. (kap v. 14. 6.)
Die neuen Vorschläge der vatikanischen Ökumene-Behörde für eine veränderte Sichtweise des Papstamtes haben überwiegend positive Reaktionen hervorgerufen. In Österreich begrüßte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, das vatikanische Studiendokument: „Die jüngsten Vorschläge zu einem breit angelegten, aktualisierten und ökumenischen Papstamt fügen sich ein in die lange Reihe bedeutender Schritte, die besonders seit dem 20. Jahrhundert in Bezug auf die Einheit aller getan wurden", hielt er gegenüber Kathpress fest. Die evangelisch-lutherische Kirche in Deutschland sieht in dem Vatikan-Papier „wichtige Anregungen für die Ökumene". Der Referent der Kirche für Catholica-Arbeit und Ökumenearbeit, Johannes Dieckow, sagte, der in dem Papier genannte Vorschlag einer interkonfessionellen Synode der christlichen Kirchen unter dem Vorsitz des Papstes sei „interessant". Mit Blick auf das Jubiläum des Konzils von Nicäa 325 könnte in einem ökumenisch-synodalen Zusammentreffen eine Chance liegen. „Wir werden ökumenisch durchbuchstabieren müssen, was es bedeutet, dass der Dienst des Bischofs von Rom eingebettet ist in synodale Beratungs- und Entscheidungsprozesse der ganzen Kirche." Als großen Stolperstein bezeichnete er das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit aus dem Jahr 1870. Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erklärte, es sei „grundsätzlich zu begrüßen, dass sich der Vatikan mit dem Gedanken auseinandersetzt, das Amt des Bischofs von Rom in stärker ökumenisch verbindender Weise zu denken. Voraussetzung aus evangelischer Sicht wäre aber ein grundsätzlicher Wandel im Verständnis des römischen Bischofsamtes, der in dem Studiendokument intendiert ist.“ Die Bischöfe Deutschlands würdigten den Text als „wichtigen Impuls für den ökumenischen Dialog". Der Vorsitzende der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gerhard Feige, erklärte, er erwarte sich von den Anregungen des Papiers „eine neue Dynamik" für die innerkatholische Klärung und für die ökumenische Diskussion. Feige begrüßte, dass das Dokument für die Zukunft regelmäßige Treffen der Patriarchen und Kirchenleitungen vorschlage: „Auf diese Weise würde die Synodalität zwischen den Kirchen gestärkt und ein sichtbares ökumenisches Zeichen gesetzt." Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. sagte: Positiv an dem Text sei, dass ein römisches Dokument erstmals die abweichenden Haltungen der übrigen christlichen Kirchen zur Vorrangstellung des Papstes mit großer Wertschätzung veröffentliche. Allerdings enthalte das Papier keine rechtlichen Vorschläge, wie das Papstamt konkret anders ausgeübt werden könnte. (kap v. 14. 6.)
Dorothea Sattler, Dogmatikerin und Institutsdirektorin des Ökumenischen Instituts der Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster, begrüßt das Vatikan-Papier zur Stellung des Papstamtes. „Das Studiendokument ist ein Erweis dafür, dass sich die römisch-katholische Kirche derzeit in einen umfassenden Reformprozess begeben hat", sagte sie dem Kölner Internetportal „domradio.de": „Alle Kirchen erfahren in diesem Studiendokument Achtung und Aufmerksamkeit." Das Papier mit dem Titel „Der Bischof von Rom" macht Vorschläge für ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstamtes, die zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen sollen. Demnach könnte der Papst künftig von anderen christlichen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden. Die Wertschätzung anderer Konfessionen komme schon allein darin zum Ausdruck, dass sie um eine Stellungnahme gebeten werden. Die Einordnung der Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils 1870 in seine historischen Kontexte sei dringend erforderlich. Die damaligen Beschlüsse sollen nun laut dem Dokument in die neuere Theologie integriert werden. Diese versteht die Kirche nicht mehr als Monarchie, sondern als Gemeinschaft. Sie sei dankbar dafür, dass die ökumenische Bedeutung des weltweiten synodalen Prozesses gewürdigt werde. (kna v. 15. 6.)
„Wir begrüssen klar die Reflexion über das Papstamt“, schreibt Daniel Konrad, Bistumsverweser der Christkatholischen Kirche [= altkatholische Kirche] der Schweiz zum Studiendokument „Der Bischof von Rom". Er fügt aber kritisch an: „Die Christkatholische Kirche der Schweiz (und mit ihr die Altkatholischen Kirchen der Utrechter Union) sind seit jeher der Meinung, dass das Papstamt […] die Prinzipien der Alten ungeteilten Kirche massiv verletzt.“ Insbesondere die Idee eines päpstlichen Ehrenvorsitzes kommt aber gut an. „Unserer Konzeption der kirchlichen Ämter würde es sehr entsprechen, wenn der Papst einen Ehrenvorsitz einnimmt“. Er begrüße es, wenn der Papst „als Bezugsperson der weltweiten Ökumene und als Brückenbauer für die kirchlichen Beziehungen fungiert. Damit würde auch einer der Gründe für die Spaltung der beiden katholischen Konfessionen angesprochen und möglicherweise langfristig wegfallen. [… Aber] es muss natürlich geprüft werden, was denn das ‚Primat der Verkündigung und des Zeugnisses‘ meinen soll.“ Und weiter: „Da das Papsttum im Umfeld der Allianz [der altkatholischen Kirchen] keine Autorität geniesst, ist es schwer vorstellbar, wie der neu formulierte Vorschlag, der dem Papst im Miteinander eine Sonderrolle zuschreibt, zu einem herzlicheren und engeren Miteinander führen könnte.“ (kath.ch v. 15. 6.)
Kardinal Kurt Koch, Leiter des Ökumene-Dikasteriums, über das jüngste Vatikan-Dokuments „Der Bischof von Rom“ im Interview mit kath.ch in Auszügen: Der Erfolg des Dokuments „besteht darin, dass ausgerechnet das Papstamt, das lange Zeit als das grösste Hindernis für die Einheit der Christen betrachtet wurde, nun zu einer bedeutsamen Möglichkeit wird, um diese Einheit zu fördern und sichtbarer zu machen. […] Am leichtesten zu akzeptieren ist das gewiss für die Orthodoxen. Sie kennen seit jeher eine Rangordnung der ‚Sitze‘ der Apostelnachfolger. In dieser Rangordnung ist auch nach orthodoxer Lehre Rom der erste Sitz, dann folgt Konstantinopel, dann Alexandria usw. Von daher können sie auch verstehen, dass Rom eine besondere Aufgabe hat. Es besteht im Prinzip bereits Konsens darüber, dass der Papst ‚Primus inter pares‘ sein kann. […] Tatsächlich sind die Vorschläge von uns sehr sanft formuliert worden, auch aus Rücksicht, damit die anderen Kirchen nicht den Eindruck gewinnen, als hätten wir schon ein fertiges Programm und wollten ihnen das auferlegen. […] Der Papst hat in der Ökumene bereits eine besondere Rolle [als „größter Player“] und übt faktisch einen Primat aus. Man sieht dies daran, dass viele Repräsentanten anderer Kirchen nach Rom kommen und den Papst besuchen wollen. […] An sich wäre natürlich ein Zusammengehen von allen Kirchen ideal. Ich denke aber, dass der schrittweise Weg realistischer ist. Dann muss aber sensibel darauf geschaut werden, dass sich auf diesem Weg niemand ausgeschlossen oder abgehängt fühlt. Und es wird entscheidend sein, gemeinsam festzulegen, welches die Kompetenzen eines ‚Primus inter pares‘ sein sollen. […] Das kann die katholische Kirche nicht für sich allein, sondern nur im Dialog festlegen. Zwei wesentliche Kompetenzen, die sich aus der Geschichte ergeben, wären die Kompetenz, eine allgemeine Versammlung der Kirchen einzuberufen und ihr vorzustehen, und die Aufgabe einer Schlichtung in Konfliktfällen. Beides hat es in der Kirchengeschichte bereits gegeben.“ Und zum 1700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nizäa meint Koch: „Meine maximale Hoffnung wäre, dass das Jubiläum dieses Konzils, das ja alle christlichen Kirchen betrifft, nicht nur die östlichen Kirchen und Rom umfasst, sondern auch die protestantischen Kirchen. (kath.ch v. 17. 6.)
Interview mit Kristina Kühnbaum-Schmidt, Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche, über das jüngste Vatikan-Ökumene-Dokument mit dem Titel „Der Bischof von Rom“ in Auszügen. Sie ist Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) und war mit einer Delegation des LWB in Rom. Dabei sei es um all jene Themen gegangen, „die uns als lutherische Kirchen und als römisch-katholische Kirche verbinden". Es sei ein sehr intensiver Austausch gewesen, für den sie auch persönlich sehr dankbar sei, „dass es diesen guten Kontakt auch gerade zu Kardinal Koch gibt. […] Ich habe die Audienz selbst und den Heiligen Vater als sehr freundlich, sehr offen, sehr warmherzig, wenn ich das sagen darf, erlebt. Es war wirklich ein herzliches Willkommen und er hat immer wieder in den Mittelpunkt gestellt, was uns auch als Lutheraner, als lutherische Kirchen wichtig ist, dass Christus unser Zentrum ist, unsere gemeinsame Mitte, dass er uns verbindet und diese Gemeinschaft, Christus zu dienen und für Christus in dieser Welt ein Zeichen für seine Barmherzigkeit und seine Liebe zu setzen.“ Das jüngste Vatikan-Dokument „Der Bischof von Rom“ „ist erstens ein Studiendokument, und in diesem Studiendokument hat das Dikasterium Stellungnahmen aus der ganzen Welt gesammelt zu der Enzyklika ,Ut unum sint´. […] Und darüber im Gespräch zu sein, wird auch in der nächsten Phase, die wir im Moment vorbereiten, des Gesprächs zwischen der römisch-katholischen Kirche und der lutherischen Kirche ein wichtiges Thema sein.“ Man bereite jetzt die Phase des ökumenischen Dialogs vor, in der das bischöfliche Amt, das geistliche Amt und das Kirchenverständnis im Mittelpunkt stehen sollen. […] Es sei für sie auch ein Zeichen der Hoffnung, dass die katholische und die lutherische Kirche miteinander, „trotz den Dingen, die uns trennen“, gut im Gespräch blieben, vertrauensvoll voranschreiten und gemeinsam den Weg Jesu Christi gehen wollten. (vn v. 20. 6.)
„Die Einheit der Kirche steht im Dienst der Glaubwürdigkeit der Verkündigung“, sagte Bischof Feige in einem Grusswort anlässlich der sogenannten Grossen Weihe der Kirche des Heiligen Erzengels Michael der Serbischen Orthodoxen Kirche in Hamburg. Am Gottesdienst nahm auch das Oberhaupt der Serbischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Porfirije, teil. Bischof Feige: „Wir wissen alle und müssen es bis heute schmerzlich erfahren, wie schwer es ist, die Einheit zu bewahren und zu leben. Das gilt für den Zusammenhalt innerhalb der Kirchen, aber auch für die Beziehungen zwischen den Kirchen“. Er erinnerte an das in der vergangenen Woche im Vatikan veröffentlichte Dokument „Der Bischof von Rom“, in dem Vorschläge für eine Weiterentwicklung des katholischen Verständnisses vom Papstamt gemacht werden. […] Ich hoffe, dass wir so zu einem ökumenisch anschlussfähigen Verständnis des petrinischen Dienstes an der Einheit der Kirche kommen können. Mögen die Anregungen, die das neue Studiendokument hierzu enthält, fruchtbar werden, und mögen wir gemeinsam einen Weg zur Überwindung der Differenzen finden, die mit dem Papstamt verbunden sind und bislang die Ökumene belasten», so Bischof Feige. (kath.ch u. vn v. 23. 6.)