Innerkirchliche Reformansätze (Frauen, Zölibat, wiederverheiratet Geschiedene, Moral ..) sowie zum weltweiten „Synodalen Prozess“

Zum Auftakt des „Pride Month“ Juni hat der römisch-katholische Bischof John Stowe von Lexington die LGBTQ-Gemeinde der USA bei einem virtuellen Gottesdienst gesegnet. „Gott lädt Sie ein, sich ihm zu nähern, und er wünscht sich eine tiefe und intime Beziehung zu Ihnen allen“, sagte er zu den Teilnehmern des „Catholic Pride Blessing“. Knapp drei Monate nach der offiziellen Bekräftigung der vatikanischen Glaubenskongregation, dass Priester gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht segnen dürfen, beteiligten sich neben Stowe fast zwei Dutzend römisch-katholische Kirchenobere und Organisationen an dem Zoom-Gottesdienst. Organisiert wurde die Veranstaltung von „DignityUSA“, das sich seit mehr als 50 Jahren für LGBTQ-Katholiken einsetzt. (kna v. 2. 5.)

Gläubige in den verschiedenen Regionen der Welt bringen ähnliche Anliegen in die Weltsynode ein, betonte Birgit Mock, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, in einem Interview mit Radio Vatikan. Mock sprach bei einer Veranstaltung über „Impulse von Ortskirchen für die Weltsynode“ in Rom. Die deutsche Laienvertreterin äußerte im Gespräch die Einschätzung, dass die Ergebnisse des Synodalen Weges in Deutschland in der Weltkirche als wichtiger Beitrag wahrgenommen werden. „Jetzt haben wir in Deutschland viele Fragen neu bewertet und tragen sie nach Rom in der Hoffnung, dass das Ausgangspunkt sein kann für weitere Beratungen.“ Mock leitete zusammen mit Bischof Helmut Dieser beim Synodalen Weg das Forum Sexualität und Partnerschaft. Birgit Mock weiter: „Es ist immer die Situation der Frauen. Es ist immer die Frage von Partizipation. Es ist immer auch die Frage von priesterlichen Lebensformen, die da eine Rolle spielt. Deswegen glaube ich, die Fragen sind [weltweit] sehr ähnlich, und das haben wir auch in der Lektüre des Papiers „Mach den Raum deines Zeltes weit“ aus der ganzen Weltkirche wahrgenommen.“ Alle vier Gäste der Podiumsdiskussion zeigten sich davon überzeugt, dass für die Zukunft der Kirche an der Synodalität kein Weg vorbeiführe. (vn v. 12. 5.)

Das Pastoral- und Priesterseminar im Bistum Speyer hat erstmals eine Frau an der Spitze: Die Religionspädagogin Tatjana Blumenstein leitet nun gemeinsam mit Domkapitular Franz Vogelgesang die Ausbildungsstätte. Vogelgesang ist für Ausbildung und Begleitung der angehenden Priester und Diakone verantwortlich, Blumenstein kümmert sich um die künftigen Pastoral- und Gemeindereferenten. (domradio.de v. 14. 5.)

Der 17. Mai ist in der Kirche der Gedenktag der Apostelin Junia. In vielen Kirchen predigen an diesem Tag verbotenerweise Frauen. Nicht das Geschlecht sei entscheidend, sondern die Qualität der Predigt, sagt der Oliver Wintzek, Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule Mainz. Wintzek auszugsweise im Interview: „Man bindet de facto den Vorsitz der Eucharistiefeier, also einen Priester, an die Verkündigung des Evangeliums, die Auslegung, die Verheutigung, also die Predigt. Wobei ich zu bedenken gebe, das hier eigentlich zwei Dinge vermischt werden. Auf der einen Seite steht, nennen wir es, die sakramentale Kompetenz, da sind wir beim Weiheamt, Männer. Aber es soll auch die theologische Kompetenz eingespeist werden. Die theologische Kompetenz ist aber nicht automatisch mit der Weihe verliehen. Insofern drängt sich die Frage auf, warum sollen das nicht Frauen genauso wie Männer können? […] Es geht um die Qualität der Predigt. (domradio.de v. 17. 5.)

Mit Blick auf den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie hat der hannoversche Landesbischof Meister dazu aufgerufen, mehr gegen die Benachteiligung sexueller Minderheiten zu tun. „Queere Menschen sind in unserem Land und in der Kirche bis in die Gegenwart hinein diskriminiert worden, was für uns alle zutiefst beschämend ist. […] Noch immer gebe es deutliche Ungleichbehandlung, etwa bei der individuellen Selbstbestimmung und im Familienrecht. Unsere Landeskirche setzt sich für ein Zusammenleben in Vielfalt und die Gleichstellung jedes Geschlechts ein". Dennoch müssten innerhalb der Kirche noch größere Anstrengungen unternommen werden, „bewusste oder unbewusste homophobe Denk- und Handlungsmuster zu durchbrechen". Alle Menschen seien in ihrer Verschiedenheit als Gottes Ebenbilder geschaffen. (domradio.de v. 17. 5.)

Die Aufgabe der Kirche ist es weniger zu moralisieren, sondern die Menschen in ihrer Liebes- und Beziehungsfähigkeit zu unterstützen: Das betont der Südtiroler Moraltheologe P. Martin Lintner OSM von der Philosophisch-Theologische Hochschule Brixen im Interview für die Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag". Die Kirche und ihre Verantwortlichen müssten den Menschen zugestehen, dass sie ihr Leben selbstverantwortlich gestalten. Sie habe es schlicht verabsäumt, die positiven und lebensbejahenden Gehalte ihrer Lehre auf einladende und zugängliche Weise zu verkünden. Der Schritt des Zweiten Vatikanischen Konzils, Ehe „als innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe" zu definieren, sei ein großer Schritt gewesen. So sollte die Kirche die Menschen darin unterstützen, sich einem Beziehungs-Ideal anzunähern, aber gelebte Realität nicht sittlich negativ beurteilen, wenn sie nicht zur Gänze dem Ideal entspreche. Auch der Begriff der „irregulären" Beziehungen sollten dringend überdacht werden. Die Begriffe würden ein sprachliches Urteil fällen. „Wir müssen eine Sprachform finden, die das zum Ausdruck bringt, was die moralische und menschliche Qualität einer Beziehung ausmacht, und das ist jedenfalls nicht nur die äußere Form", so Lintners Fazit. (kap v. 19. 5.)

Eine große Bereitschaft zum Engagement unter Jugendlichen sieht die neue Seelsorgerin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und Chefin des Jugendamtes der Erzdiözese München und Freising, Johanna Gressung. Ab 1. Juni wird die Theologin erste weibliche geistliche Leiterin des BDJK. Dieser lebe sehr davon, dass Menschen „Gemeinschaften finden, wo sie sich engagieren, aber sich auch regelmäßig die Frage stellen: Ist das noch meine Kirche?", sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Um junge Menschen zu erreichen, „müssen wir zeigen, dass wir als katholische Jugend nicht so angestaubt sind, wie Kirche im Gesamten gerne wirkt." Zur Öffnung ihres künftigen Amtes für Frauen in Zeiten von Priestermangel sei die Frage wichtig, „ob das nicht genauso gut eine Pastoralreferentin machen kann, die auch geistlich ausgebildet ist". (kap v. 20. 5.)

Kirchengeschichte verhindere, „die Gegenwart absolut zu setzen" und erinnere an „ungenutzte Möglichkeiten" etwa bei Bischofsernennungen. Darauf wies der Kirchenhistoriker Rupert Klieber in seiner Abschiedsvorlesung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien hin und fragte: „Wenn 1927 Salzburg zugestanden wurde, eine Liste von episcopabili [=für das Bischofsamt Geeignete] für den Papst vorzulegen, warum nicht auch Wien 2023?" Allein zwischen 1913 bis 1938 seien sechs verschiedene Verfahren zur Anwendung gekommen. Klieber erinnerte an das Subsidiaritätsprinzip der Kirchlichen Soziallehre und an einen Grundsatz moderner Betriebsführung, wonach zu vermeiden sei, „dass 'Oben' tut, was 'Unten' besser kann". Es empfehle sich, „die ortsfremden Nuntien zu entlasten und die Erst-Auswahl von Kandidaten wie in den 1700 Jahren zuvor wieder Einheimischen zuzutrauen". (kap v. 23. 5.)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, ist für Segensfeiern für gleichgeschlechtliche und geschiedene Paare in seiner Diözese: „Ja, es wird Segensfeiern für Paare geben, die nicht kirchlich heiraten wollen oder können und um den Segen Gottes für ihre bereits bestehende Partnerschaft bitten". Kein Seelsorger werde gedrängt, solche Gottesdienste abzuhalten. Die Beteiligung von Frauen sieht Bätzing als eine zukunftsentscheidende Frage für die römisch-katholische Kirche. „Ich wünsche mir, dass alle Dienste und Ämter in naher oder nicht allzu ferner Zukunft für Frauen offenstehen." Er trage „mit persönlicher Überzeugung das Votum des Synodalen Weges mit, den Diakonat für Frauen intensiv nach vorne zu bringen - und bei der Frage einer möglichen Zulassung von Frauen zum Priesteramt weltkirchlich die Türen nicht zu schließen, sondern die theologischen Argumente gründlich zu wägen, die dafür sprechen". Er verteidigte eine Forderung des Synodalen Weges, die eine Aufwertung von Laien bei Predigten und Taufen beinhaltet, und betonte, dass kirchliches Recht nicht geändert werden müsse, um die Forderung umzusetzen. Der Beschluss sieht vor, dass die Bischöfe im Vatikan um eine Sondererlaubnis anfragen. In dem Interview verteidigte der Limburger Bischof auch die Beschlüsse des Synodalen Wegs für ein geplantes Miteinander von Bischöfen und Laien in einem gemeinsamen Beratungs- und Leitungsorgan, dem „Synodalen Rat“. Zu den Bedenken des Vatikans, die Autorität eines Bischofs werde eingeschränkt, sagte Bätzing: „Ich finde, diese Sorge ist nicht begründet. […] Auch wenn wir auf ein gemeinsames Beraten und Entscheiden bestimmter Fragen zwischen Bischöfen und anderen in der Kirche zugehen, schwächt das nicht die Autorität der Bischöfe; es stärkt sie nur. [… Für mich ist klar, dass es] zur Fortsetzung echter, ehrlicher und effektiver Synodalität keine Alternative gibt, um in unserer Kirche unter Führung des Heiligen Geistes eine gute Zukunft zu gestalten." (kap v. 23. 5.)

Wie das Nachrichtenportal „katholisch.de“ berichtet, hat die deutsche Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung (AKF) zur Gestaltung von Segensfeiern für Paare in unterschiedlichen Lebenssituationen zwei liturgische Entwürfe veröffentlicht. Segen in seiner biblischen Begründung gelte allen Menschen, die aufrichtig darum bäten. Die vorgestellten Feiern richten sich an Paare, die sich lieben, aber nicht kirchlich heiraten können. Den Segensangeboten liege die Überzeugung zugrunde, „dass im gemeinsamen Leben der um einen Segen bittenden Paare sittlich Gutes da ist: Treue, Fürsorge, Verantwortung, Liebe“. Mit den Riten wollen die Autorinnen und Autoren auch auf die Ausgrenzung und Abwertung reagieren, die vor allem gleichgeschlechtliche Paare in der Kirche erlebt haben: „Es ist vom Evangelium her geboten, dass sich die Kirche auf ihre Seite stellt und die Gegenwart Gottes für ihr Leben und ihre Liebe erbittet.“ Zur Redaktion der Arbeitshilfe gehören die Essener Bereichsleiterin für Pastoralentwicklung Andrea Qualbrink, der Leiter der Familienabteilung im Bistum Münster Holger Dörnemann, der Leiter des Grundlagenreferates „Kirche in Beziehung“ im Erzbistum Hamburg Jens Ehebrecht-Zumsande sowie die Leiterin der Osnabrücker Seelsorgeabteilung Martina Kreidler-Kos. Im März hatte der Synodale Weg empfohlen, liturgische Feiern für gleichgeschlechtliche Paare zu entwickeln und einzuführen. (kath.ch v. 23. 5.)

Sr. Dr. Scholastika Häring OSB (Benediktinerin und Ordensrechtlerin) im Interview: „In der Regel des heiligen Benedikt heißt es, der Abt oder die Äbtissin wird auf Lebenszeit gewählt. Seit den 1960er oder 70er Jahren ist das nicht mehr die gängige Regel. Das hängt auch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zusammen. Auch das allgemeine Kirchenrecht plädiert heute eher für eine beschränkte Amtszeit. […] Zum Einen steht dahinter sicherlich die Idee, dass man Äbte und Äbtissinnen aus gesundheitlichen Gründen und/oder Altersgründen von ihrem Amt befreien kann, wenn sie nur noch schwer in der Lage sind, ein Kloster gut zu leiten. Und man stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist über 25 oder 30 Jahre die gleiche Leitung zu haben. Auf der anderen Seite geht es ja nicht nur um die Organisation eines Klosters, sondern auch um eine geistliche Leitung der Gemeinschaft. Dafür braucht es eine Vertrauensbasis, die vielleicht in drei, vier Jahren noch gar nicht so richtig wachsen kann und deshalb auch ihre Zeit bekommen sollte. Mit einem Wechsel könnten aber auch neue Impulse gesetzt werden. […] Die Weihe von Äbten und Äbtissinnen ist eine Segnung. […] In der Regel des heiligen Benedikt ist es gut begründet, warum ein Abt auf Lebenszeit gewählt werden sollte. Aber dennoch haben wir uns die Frage gestellt, ob diese Regel auch noch im 20. und 21. Jahrhundert sinnvoll ist.“ (domradio.de v. 23. 5.)

Rückt Rom von der Pillen-Enzyklika 1968 von Papst Paul VI. ab? Kardinal Matteo Maria Zuppi, Erzbischof von Bologna und seit Mai 2022 Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz. bringt andere Formulierungen ins Spiel. Der Papst lehnte 1968 Verhütungsmittel ab und sah sexuelle Vereinigung, Liebe und Fortpflanzung als eine Einheit. Nun gibt es in Rom Absetzbewegungen. Im Vatikan ist die „Päpstliche Akademie für das Leben" der Ort, an dem Mediziner, Philosophen und Theologen über bioethische Fragen debattieren und Empfehlungen für das kirchliche Lehramt ausarbeiten sollen. Doch seit Papst Franziskus den italienischen Erzbischof Vincenzo Paglia zum Leiter der Institution gemacht hat, weht dort ein Wind der Veränderung. Anders als die meisten seiner Vorgänger betont Paglia bei vielen strittigen Fragen Bereitschaft zum Dialog mit jenen, die klassische Lehrpositionen der Kirche infrage stellen – selbst bei Themen wie künstlicher Befruchtung. Er beruft Wissenschaftler in die Akademie, die liberale Positionen der Bioethik vertreten. Der italienische Kardinal Matteo Zuppi, dessen Grußwort bei einem Kongress zu „Humanae vitae“ verlesen wurde, betonte, die weithin unverstandene Botschaft von „Humanae vitae" habe dazu geführt, dass viele Gläubige die Aussagen der Kirche zur Morallehre für irrelevant oder gar für ein Hindernis bei der Vermittlung des Glaubens hielten. Auch für die Weltsynode sei die Frage aufgeworfen worden, ob die Beschlüsse zu diesem Thema „in der derzeitigen Formulierung" dem Glaubenssinn der Gläubigen entsprächen. Er spricht von notwendigen „neuen Formulierungen". Nach der Verlesung des Grußwortes gab es langen Applaus. (domradio.de v. 30. 5.)

War der deutsche „Synodale Weg“ ein Misserfolg, nur weil Rom nicht sofort alle Reformideen aufgreift? Der Würzburger Fundamentaltheologe Matthias Remenyi plädiert im Interview mit domradio.de für einen breiteren Blick auf das Thema: Der Papst „entscheidet ja nicht aus eigenem Gutdünken heraus, sondern weil er Teil des Volkes Gottes ist. Seine Aufgabe ist, das Votum - den Glaubenssinn, sagt man theologisch - des Volkes Gottes in Sprache zu bringen. Also er ist zumindest nach theologischem Verständnis kein absoluter Monarch, sondern das Sprachrohr des Volkes Gottes. […] Synodalität ist ein Grundprinzip der Kirche, eine Grundidee des kirchlichen Miteinanders und deswegen ist es ein unverzichtbares Instrument der Willensbildung und der Willensfindung in der Kirche. [… Wichtig] ist die Frage nach der Performanz von synodalen Ereignissen, also nach dem Impuls, der durch das Miteinander ausgeht. Genau diesem Aspekt widmet sich unsere Tagung ‚Synode als Chance‘. […] Welche Impulse, welche Veränderungen kommen einfach durch die Art und Weise des Miteinanders in Gang? Und da ist ja viel passiert. […] Denken Sie an die Aufregung nach der Ablehnung des Grundtextes zur Sexualethik auf der vierten Synodalversammlung im Herbst 2022. Denken Sie an die Dynamik, die danach entstanden ist, dass andere Texte, die mindestens genauso kontrovers waren, ganz problemlos durchgegangen sind. Da ist eine ganz paradoxe Situation entstanden dadurch. Es ist eine Dynamik entstanden und diese Dynamik anzusehen ist unglaublich spannend und interessant…“ (domradio.de v. 31. 5.)