Stellungnahmen zur vatikanischen Erlaubnis vom 18. Dezember „Fiducia supplicans" (Flehendes Vertrauen) für die Segnung homosexueller Paare

Was die Kirche als Vollmacht betrachtet, ist auch historischem Wandel unterworfen: Das Ja des Vatikans zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ist bahnbrechend, sagt Michael Seewald, Dogmatiker der Universität Münster, im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Während solche Partnerschaften bislang ausschliesslich unter dem Blickwinkel des Defizitären gesehen wurden, werden sie nun stärker im Lichte dessen betrachtet, was in ihnen an Evangeliumsgemässem gelebt und erstrebt wird. Das klingt banal, ist aber gemessen am Nullpunkt, von dem aus das römisch-katholische Lehramt auf die betroffenen Paare zugeht, eine nicht zu unterschätzende Neupositionierung. […] Es gibt keinen Grund, dieses Dokument als den Endpunkt der Entwicklung zu sehen, aus der es hervorgegangen ist. Theologen und Seelsorger, aber auch engagierte Katholiken und eine kritische Öffentlichkeit sollten daher nicht nachlassen in ihrem Drängen, dass sich auch die ‚Weiterentwicklung‘ der Lehre, von der die Erklärung spricht, selbst noch einmal weiterentwickelt. Das gilt auch für einen Aspekt, der in der Öffentlichkeit bislang nicht wahrgenommen wurde, aus theologischer Sicht aber hochinteressant ist. 2021 argumentierte die Glaubenskongregation nicht, dass sie gleichgeschlechtlichen Paaren keinen Segen spenden wolle, sondern dass sie es nicht könne. Der Kirche, so hiess es damals, fehle dazu die Vollmacht – eben jene Vollmacht, die das Lehramt der Kirche nun doch zuspricht. Der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt wurde unter Johannes Paul II. mit derselben Argumentationsfigur begründet: Die Kirche habe keine Vollmacht, Frauen das Sakrament der Weihe zu spenden. […] Die Erklärung zeigt jedoch: Was die Kirche als in ihrer Vollmacht stehend betrachtet, ist einem historischen Wandel unterworfen. Dass dies nun so offen von römischer Seite zugegeben wird, könnte ein Indiz für behutsam vorbereitete Veränderungen sein….“ (kath.ch v. 3. 1.)

Die Französische Bischofskonferenz stellt sich hinter das Vatikan-Dokument „Fiducia supplicans" zum Segen für alle Paare. Man werte die Erklärung als Ermutigung für die Priester, „jene großzügig zu segnen, die sich an sie wenden und demütig um Gottes Hilfe bitten". Man erinnere daran, dass Christus „nicht gekommen sei, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder". Jene, die in einer Situation leben, die es ihnen nicht erlaubt, sich das Ehe-Sakrament zu spenden, seien weder von der Liebe Gottes noch von seiner Kirche ausgeschlossen. In Spanien setzt der Erzbischof von Madrid, Kardinal Jose Cobo Cano, die Vatikan-Erklärung vollständig um, obwohl es auch Widerstände aus seiner Priesterschaft gibt. (kna u. vn 11. 1.)

Mit einer knappen Erklärung haben sich die Bischöfe Portugals zum neuen Vatikan-Dokument geäussert. Die Bischöfe betonen ihre „volle Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater“. Alle Menschen seien in der Kirche willkommen, so die Mitteilung der Bischofskonferenz. Eine Verwechslung mit einer kirchlichen Trauung muss aber ausgeschlossen werden. (kath.ch v. 11. 1.)

Papst Franziskus stellt klar: „Wir segnen die Menschen, und nicht die Sünde". Er hat sich in „Il Messaggero" zur Entscheidung des Vatikans geäußert, Segnungen für homosexuelle Paare zuzulassen. Mit den Segnungen seien nicht die Beziehungen gemeint, stellte er klar. „Wir segnen die Menschen, und nicht die Sünde" und zog einen Vergleich: „Wenn wir einen Unternehmer segnen, fragen wir ihn auch nicht, ob er gestohlen hat." (vn v. 13. 1.)

Der Theologe Stephan Leimgruber Seelsorger im Pastoralraum Luzern sieht in „Fiducia supplicans“ einen wichtigen Schritt. Die Bischofskonferenzen müssten nun vorangehen und sich Gedanken zur Umsetzung in ihren Diözesen machen. Vorbedingungen, wie eine Durchleuchtung des Lebens, darf es nicht geben. Jetzt ist Umdenken angesagt. Es gehe darum, die Öffnung hin zur Transzendenz achtsam wahrzunehmen und niemanden vom Segen Gottes auszuschliessen. Dies erweitert ein enges Segensverständnis. Hier geht es nicht um einen Ehesegen, sondern um die Gottes Hilfe. Natürlich ist in Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Personen verfolgt und gefoltert werden, vorsichtig mit dieser Segnung umzugehen. Bemerkenswert für Laimgruber (bis 2014 Professor für Religionspädagogik an der Universität München) ist, dass „Fiducia supplicans“ den Beginn eines Paradigmenwechsels signalisiert, dem noch einige weitere Selbstkorrekturen der Kirche folgen dürften. (Kath.ch u. vn v. 14. 1.)

Die vom Vatikan vorgeschlagene Segnung homosexueller Paare beschäftigt Afrikas Kirche. Nachdem der gesamt-afrikanische Bischofsrat seine mehrheitliche Ablehnung solcher Segnungen bekanntgab, haben sich jetzt die Bischofskonferenzen der nordafrikanischen Region (CERNA) geäußert. Nach ihrer Versammlung im marokkanischen Rabat zeigten sie sich Gesprächsbereit und hoben „positive Aspekte" des Vatikan-Schreibens hervor, berichtete Vatican News. Dieses sei eine „Einladung, tiefer in die konkreten Wege einer Seelsorge für Versöhnung und Gemeinschaft einzutauchen". Das Dokument des Vatikan bekräftige die „Vision eines barmherzigen Gottes, dessen Liebe und Gnade unendlich sind und allen ohne Unterschied angeboten werden", meinten die Kirchenvertreter aus den Ländern Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien sowie der Westsahara. Ihre Ortskirchen riefen sie auf, sich die Zeit zu nehmen, um „Fiducia supplicans" und die am 4. Jänner nachgereichte Erläuterung dazu zu lesen und zu diskutieren. So könnten „konkrete Haltungen in Bezug auf Aufnahme und Begleitung" folgen. (17. 1.)

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck begrüßt die Segenserlaubnis „Fiducia supplicans". Allerdings halte er das Wort von „irregulären Paaren" darin „nicht für gut und angebracht". Paare, die den Segen Gottes für ihre Liebe wünschen, würden im Bistum Essen in ihrem Wunsch und bei der Planung einer Segensfeier unterstützt und begleitet. Der Bischof bekundete Hoffnung auf weitere Reformen: „Ich setze auf eine Neubewertung der Sexualität in allen Beziehungen und auf mehr Gleichberechtigung von Mann und Frau." (domradio.de v. 18. 1.)